[17.4.2018] Die Technologie, mit der seit vielen Jahren abends die Straßenlaternen eingeschaltet werden, kann Stromkunden beim Sparen helfen: Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat eine dynamische Stromtarifierung auf Basis der Rundsteuertechnik entwickelt.
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat sein Projekt CheapFlex vorgestellt. Auf Basis der Rundsteuertechnik hat das Institut nach eigenen Angaben zusammen mit der Technischen Universität Kaiserslautern und Swistec eine dynamische Stromtarifierung entwickelt. Dabei werden über das regionale Stromnetz Börsenstrompreise mittels Tarifschaltzeiten an Endverbraucher und dezentrale Erzeuger gesendet, um ein systemdienliches Verhalten anzuregen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.
Im SmartEnergyLab des Fraunhofer ISE wurde die intelligente Betriebsführung auf Basis flexibler Tarife zunächst in einem Testaufbau erprobt. Ziel des Projekts CheapFlex war es, eine maximale Flexibilisierung von steuerbaren Lasten und Erzeugern im Sinne eines Smart Grids zu ermöglichen und dabei eine Alternative zu den kostenintensiven Smart-Metering-Systemen anbieten zu können. „Die von uns genutzte Rundsteuertechnologie ist eine seit mehr als 100 Jahren bewährte, robuste und sichere Basistechnologie zur Steuerung von Verteilnetzen, die heute auf Basis von preiswerten Mikroprozessor-Empfängern gefertigt wird“, erklärt Christof Wittwer, Abteilungsleiter Intersektorale Energiesysteme und Netzintegration am Fraunhofer ISE.
Energie-Management-System auf OpenMUC-Plattform
Wie das Institut mitteilt, sendet der Netzbetreiber bei der Rundsteuertechnik über das Verteilnetz Steuerungsdaten im Ton-Frequenzbereich von 110 bis etwa 2.000 Hertz. Ein dem Verbraucher vorgeschalteter spezieller kostengünstiger Rundsteuerempfänger stelle die Steuerbefehle vor Ort zur Verfügung. So könne der Netzbetreiber Verbrauchs- und Erneuerbare-Anlagen fernsteuern. Eine klassische Anwendung ist die Umschaltung von Mehrtarif-Stromzählern oder die Unterbrechung des Wärmepumpenbetriebs für das Netzengpass-Management, meldet das Fraunhofer-Institut.
Im Projekt werden für die dynamische Tarifierung einfache zweistufige Tarifpläne (Niedertarif und Hochtarif) für den Folgetag berechnet. Die Basis dafür bilden der so genannte Day-Ahead-Börsenstrompreis und das erwartete Verbraucherverhalten. Am Vorabend sende die Netzleitwarte Rundsteuertelegramme mit dem Tarifprogramm, das auf einem vom Projektpartner Swistec entwickelten Impuls-Protokoll basiert. Die Rundsteuerempfänger speichern die Schaltzeiten des Tarifs lokal ab und stellen sie dem Energie-Management-System, das auf Basis der OpenMUC-Plattform des Instituts entwickelt wurde, zur Verfügung. Anhand des Tarifplans und der lokalen Prognose für Last und PV-Ertrag wird damit die optimale Betriebsführung von Verbrauchern und dezentralen Erzeugern herbeigeführt. So werde nicht nur die Stromrechnung des Endkunden gesenkt, sondern durch das gezielte Verschieben von Lasten und Einspeisungen auch die Spitzenlast im Netz reduziert, erklärt das Institut.
Erster Feldtest mit den Stadtwerken Ahaus
Cheap Flex ist, nachdem es erfolgreich im Labor getestet worden sei, in einem Feldtest im Netzgebiet der nordrhein-westfälischen Stadtwerke Ahaus zum Einsatz gekommen. Eingebunden waren ein BHKW, eine Wärmepumpe, ein Nachtspeicher sowie Photovoltaikspeicher und Elektrofahrzeuge. Per Messaging-App wurden die Kunden über die Tarifschaltzeiten informiert, sodass sie ihr Verbrauchsverhalten flexibel anpassen konnten. Das Feedback sei sehr positiv gewesen, die Kunden hätten großes Interesse an den dynamischen Tarifen gezeigt und auf die Schaltzeiten reagiert, lautet das Fazit des Tests.
Die Informationsübertragung verläuft laut Fraunhofer ISE in der Rundsteuertechnik als Broadcast, das heißt vom Netzbetreiber zum Endkunden. Um über ein direktes Eingreifen bei steuerbaren Lasten und Erzeugern entscheiden zu können, benötigt der Netzbetreiber jedoch Informationen zu Netzzustandswerten wie Spannung, Strom, Phasenwinkel und darauf basierenden Werten. In Verteilnetzen sind dafür heute kaum Messeinrichtungen vorhanden, und durch die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien sowie den Wandel des Wärme- und Verkehrssektors sind diese Betriebswerte nicht mehr gut vorhersehbar. Im Projekt CheapFlex sollte daher auch eine ausreichend präzise Netzzustandsschätzung auf Basis weniger Messdaten demonstriert werden. Der Projektpartner TU Kaiserslautern entwickelte dafür ein Verfahren zur Generierung von Ersatzwerten von Haushaltslasten.
(sav)
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Bildquelle: Fraunhofer ISE