[10.7.2018] Mit einem jährlichen Zubau von vier Gigawatt Windkraft an Land und fünf Gigawatt Photovoltaik kann das Ziel der Bundesregierung von 65 Prozent erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030 erreicht werden – wenn gleichzeitig die Netze ertüchtigt werden. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse der Denkfabrik Agora Energiewende.
Deutschland kann den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030 von derzeit rund 36 Prozent auf 65 Prozent erhöhen und damit dieses im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD gesetzte Ziel erreichen. Mit einem Bündel von Maßnahmen können die Stromnetze in den kommenden zwölf Jahren soweit modernisiert werden, dass sie die zusätzlichen Mengen aufnehmen und transportieren können. Weil erneuerbare Energien immer kostengünstiger werden und Strom aus den noch teuren Anlagen der Pionierzeit nach 20 Jahren nicht mehr über die EEG-Umlage vergütet wird, sind die Kosten für den beschleunigten Zubau sehr moderat. Das sind die Kernaussagen einer aktuellen Analyse der Denkfabrik Agora Energiewende.
Verdopplung bei Photovoltaik
Der erste Teil der Untersuchung beschäftigt sich mit der Frage, wie groß der jährliche Zubau an Erneuerbare-Energien-Anlagen sein muss, um den angestrebten Anteil von 65 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 zu erreichen und welche Kosten damit verbunden sein werden: Bei einem Stromverbrauch auf heutigem Niveau seien dazu jährliche Neuinstallationen von mindestens vier Gigawatt Windkraft an Land und fünf Gigawatt Photovoltaik nötig. Bei der Windkraft entspreche das einem Zubau, der etwas unter dem Niveau der vergangenen Jahren liegt, bei der Photovoltaik bedeute ein Zubau von fünf Gigawatt hingegen eine Verdopplung. Laut Agora Energiewende sollte zusätzlich das Ziel für die installierte Leistung von Windkraft auf See von 15 auf 20 Gigawatt im Jahr 2030 erhöht werden. Der Zubau erneuerbarer Energien lasse sich zudem durch ambitionierte Energieeffizienzmaßnahmen deutlich verringern.
Integration in die Stromnetze
Im zweiten Teil listet die Studie zwölf Maßnahmen zur künftigen Integration der erneuerbaren Energien in die Stromnetze von 2018 bis 2030 auf. Die meisten der Maßnahmen dienen einer wesentlich verbesserten Auslastung der bestehenden Netze. Das ist mit der heute verfügbaren Technik möglich, heißt es in der Analyse. Hierbei zählten das flächendeckende Temperatur-Monitoring von Leiterseilen an Hochspannungsmasten und der Ersatz vorhandener Leiterseile durch Hochtemperaturleiterseile zu den Maßnahmen, die kurzfristig realisiert werden könnten. Ähnlich schnell lasse sich der Vorschlag umsetzen, die Ausschreibungen für Windstromanlagen entlang regionaler Quoten vorzunehmen, was zu weniger Netzengpässen führt, den Transportbedarf von Strom verringert und im Ergebnis die Netze entlastet.
Eine weitere Option zur besseren Verteilung der Strommengen im Netz könne mit dem Einbau aktiver Steuerungstechnik in Umspannwerke erfolgen, womit Stromflüsse von hoch belasteten auf weniger belastete Teile des Netzes umgelenkt werden können. Schließlich empfiehlt das Papier, das Stromnetz schon in den kommenden Jahren für die Zeit nach 2030 vorzurüsten: Beim Bau der großen Nord-Süd-Stromautobahnen (HGÜ-Leitungen) bis Mitte der 2020er-Jahre sollten bereits Leerrohre beziehungsweise zusätzliche Kabel auf Vorrat verlegt werden, um zusätzliche Netzgroßprojekte nach 2030 zu vermeiden. Mittelfristig könne das Übertragungsnetz dank der Digitalisierung auf einen zunehmend automatisierten Betrieb umgestellt werden, was wiederum eine im Vergleich zu heute erheblich höhere Auslastung erlaubt.
Wettbewerbsfähige Stromerzeugung
Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, erklärt: „Erneuerbare Energien sind nicht nur immer kostengünstiger geworden, neue Anlagen produzieren inzwischen auch deutlich billiger Strom als neue konventionelle Kraftwerke. Andere Länder haben das erkannt und bauen inzwischen erneuerbare Energien aggressiv zu.“ Bei der Umstellung auf erneuerbare Energien gehe es nicht mehr nur um Klimaschutz, sondern auch um eine international wettbewerbsfähige Stromerzeugung. Beim Ausbau der Netze nimmt Agora-Direktor Graichen den Bundeswirtschaftsminister, die Bundesnetzagentur und die vier Übertragungsnetzbetreiber in die Pflicht. Sie hätten es in der Hand, die Netze so zu ertüchtigen, dass bis 2030 zwei Drittel und bis 2040 etwa 80 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien aufgenommen werden kann.
(al)
http://www.agora-energiewende.deAgora-Energiewende-Analyse „Stromnetze für 65 Prozent Erneuerbare bis 2030“ (PDF, 1 MB) (Deep Link)
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