[16.7.2019] Als eines der ersten Stadtwerke in Deutschland haben die Stadtwerke Pforzheim Anfang dieses Jahres die neue SAP Business Suite S/4HANA eingeführt.
Die Stadtwerke Pforzheim (SWP) haben sich bei der Neueinführung eines modernen Systems für das Enterprise Resource Planning (ERP) für die Lösung SAP S/4HANA entschieden und sind damit als Stadtwerk deutschlandweit Vorreiter bei der Einführung der neuen Business Suite, die 2025 das SAP-Kernprodukt SAP ERP ersetzt. Auslöser war die Ablösung eines anderen Systems mit dem Wunsch, künftig mit einem zukunftsfähigen integrierten ERP-System zu arbeiten. Zu Beginn – noch vor der Entscheidung für die technische Lösung – stand in Pforzheim also eine genaue Analyse der Unternehmensprozesse.
„Wir haben im ersten Schritt eine Prozesslandkarte erstellt und die entsprechenden Anforderungen formuliert“, erklärt SWP-Prokuristin Brita Kroslid das weitsichtige Vorgehen. Dabei fanden die Analysten einige Schwachstellen – so waren verschiedene Prozesse im alten System nicht hinreichend abgebildet, manchmal kamen auch mehrere Lösungen für die Abbildung einzelner Unternehmensprozesse zum Einsatz. Teilweise mussten Daten sogar händisch von einem System ins nächste übertragen werden. Eine integrierte Lösung sollte diese Brüche beheben und einen Gesamtblick auf alle kaufmännisch relevanten Systeme und deren Daten ermöglichen.
Muss- und Kann-Kriterien
Michael Räbiger kennt solche Probleme. „Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum IT-Systeme mit den Jahren nicht mehr richtig passen“, weiß der Senior Solution Architect SAP ERP bei GISA, Branchenspezialist für die Energiewirtschaft. So hätten sich manche Unternehmen beispielsweise durch Fusionen oder Aufsplittungen neu strukturiert, nicht wenige über die Jahre ihre wirtschaftliche Ausrichtung aufgrund geänderter Marktbedingungen oder gesetzlicher Vorgaben angepasst. „Mitunter haben einzelne Abteilungen für bestimmte Aufgaben Insellösungen eingeführt“, erläutert Räbiger. Diese könnten zwar zeitweilig gut funktionieren, behinderten letztlich aber eine integrierte Unternehmens-IT-Lösung.
In Pforzheim stand am Ende der Analyse ein Anforderungskatalog mit Muss- und Kann-Kriterien für ein neues integriertes ERP. Darauf basierte die Ausschreibung für das neue System. Im Ergebnis vertrauten die Stadtwerke der Firma GISA und der von ihr angebotenen integrierten Lösung auf Basis von SAP S/4HANA.
Viele Vorteile
Im Zentrum steht die neue Datenbank SAP HANA. Diese arbeitet sehr schnell und kann große Datenmengen verarbeiten und auswerten. „Das birgt Potenzial für Big-Data-Anwendungen“, erklärt Michael Räbiger. Gerade für Energieversorger sei dies zunehmend wichtig, schließlich verfügten diese allein schon aus Vertragsdaten der Kunden über eine Vielzahl von Informationen, mit denen auch neue Geschäftsmodelle denkbar seien. Zudem folgt SAP S/4HANA einer neuen Oberflächen-Philosophie namens Fiori; das Design-Konzept ist an neuesten Erkenntnissen im Bereich Usability ausgerichtet. Es ist nicht nur einfacher zu bedienen, sondern auch für mobile Endgeräte geeignet.
Neuerungen gibt es auch auf der Ebene der Datenmodelle. So erhalten die Stammdatensätze, etwa für Kunden und Lieferanten, ein übergeordnetes, verbindendes Element – allesamt sind sie nun Geschäftspartner. „Nun kann ein Geschäftspartner zugleich Lieferant, Kunde, Ansprechpartner, Zahlungsregulierer und Fördermittelgeber sein“, sagt Michael Räbiger. Für langjährige SAP-Nutzer hat das zur Folge, dass die Datensätze auf das neue Modell migriert werden müssen. Eine weitere Innovation betrifft das so genannte Hauptbuch (New General Ledger/ New GL). Im Hauptbuch werden im Rechnungswesen die Geschäftsvorfälle nach Konten gegliedert und sachlich geordnet. Das New GL beschleunigt den Periodenabschluss, ermöglicht eine parallele Rechnungslegung nach internationalen Standards und Richtlinien und schafft Bilanzierungsmöglichkeiten auf Profitcenter-Ebene.
Spartenbilanz direkt aus dem System heraus
Für die Stadtwerke Pforzheim macht sich das neue System ganz praktisch bezahlt. Künftig können zum Beispiel durch einen Beleg-Split die Kosten auf verschiedene Kostenstellen aufgeteilt werden. Das ist gerade bei Energieversorgern essenziell. Man denke nur an die so genannten Mehrspartengräben, in denen Leitungen für Strom, Gas oder Telekommunikation verlegt werden – hier lassen sich die Kosten sauber verteilt kontieren. Am Ende können die Stadtwerke Pforzheim direkt aus dem System heraus die gesetzlich geforderte Spartenbilanz erstellen.
Das Unternehmen hat das S/4HANA-basierte System innerhalb von nur zwölf Monaten eingeführt. Für Prokuristin Brita Kroslid stand schon vor Projektbeginn fest, dass beim neuen ERP-System stark auf Standardverfahren gesetzt werden sollte. Seit Anfang 2019 ist das System nun live im Einsatz. Brita Kroslid zeigt sich insbesondere von der GISA-Projektleitung beeindruckt: „Da wurden viele Dinge vorausgedacht, das war sehr professionell.“ Auch von den Anwendern aus ihrem Haus hört sie nur Gutes. Und das, obwohl mit der neuen ERP-Lösung ein grundlegender Systemumstieg verbunden war. GISA setzt derweil noch einzelne kleinere Projekte im Rahmen der Stabilisierungsphase um, danach bleiben die Stadtwerke Pforzheim und der Anbieter über ein Ticket-System verbunden. GISA hostet, wartet und betreut das System in einer Private Cloud im unternehmenseigenen Rechenzentrumsverbund in Deutschland.
Musterlösung in Arbeit
Diese individuelle Lösung ist aus Sicht von GISA-Experte Michael Räbiger im Fall der SWP die optimale. „Bei spezifischen Anforderungen wie etwa der Verwaltung, Wartung und Weiterentwicklung der Netze braucht es eine enge Verzahnung der Prozesse und Systeme“, erklärt er. Bei den SWP arbeitet die ERP-Lösung außerdem Hand in Hand mit dem Abrechnungssystem für die Energiedaten und den Vertrieb bei den Endkunden, die von Anbieter Wilken stammt.
Mit Erfahrungen aus dem Projekt bei den Stadtwerken Pforzheim arbeitet GISA derzeit an einer S/4HANA-Musterlösung für Energieversorgungsunternehmen. Dabei entsteht ein Referenzsystem, welches (künftigen) Kunden die wichtigsten branchenspezifischen Prozesse darstellt und auf dessen Basis sie die Anforderungen an etwaige Anpassungen formulieren können. Für den Umstieg auf SAP4/HANA hat GISA bereits vor geraumer Zeit ein standardisiertes Verfahren erarbeitet. Der EVU-Master sorgt nun dafür, dass die branchenspezifischen Projekte preis- und zeiteffizient ablaufen.
Jeannine Kallert ist Marketing-Leiterin im Geschäftsbereich Marketing und Vertrieb bei der GISA GmbH in Halle (Saale).
https://www.stadtwerke-pforzheim.de/https://www.gisa.deDieser Beitrag ist im Juni Sonderheft 2019 von stadt+werk zur Digitalisierung der Energiewirtschaft erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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Bildquelle: Stadtwerke Pforzheim