ANGACOM-2403.05-rotation

Freitag, 19. April 2024

Gimbweiler:
Unabhängig von fossilen Energieträgern


[20.8.2019] Ein Bioenergie-Nahwärmenetz soll dafür sorgen, dass die Gemeinde Gimbweiler bei der Wärmeversorgung künftig weitgehend autark ist. Dem Start der Baumaßnahmen für das neue Netz gingen langwierige Vorbereitungen voraus.

Bau der Heizzentrale für das neue Nahwärmenetz der Gemeinde Gimbweiler. Bei der Wärmewende stehen die Kommunen im ländlichen Raum aufgrund des demografischen Wandels oftmals vor besonderen Herausforderungen. Auch die rheinland-pfälzische Ortsgemeinde Gimbweiler, Teil der Verbandsgemeinde (VG) Birkenfeld, ist von diesem Problem grundsätzlich betroffen. Als Lösung hierfür hat sie in den vergangenen Jahren stark in Energieeinsparmaßnahmen investiert, um ihre Energiekosten zu senken. Zudem hat sie die Entwicklung von erneuerbaren Energien auf ihrer Gemarkung gefördert, wodurch durch Pachteinnahmen der Haushalt deutlich verbessert werden konnte. Gimbweiler entwickelte sich hierdurch innerhalb der VG Birkenfeld zunehmend zur Klimaschutz-Modellkommune. Als solche war es der Gemeinde wichtig, auch bei der Wärmewende einen entsprechenden Beitrag zu leisten und gleichzeitig die Zukunftsfähigkeit des Ortes zu sichern.
Im Rahmen eines Bio-Energiedorf-Coachings, welches das ortsansässige Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) am Umwelt-Campus Birkenfeld (UCB) im Jahr 2013 durchführte, wurden die Potenziale Gimbweilers für ein Bioenergie-Nahwärmenetz überprüft und die Bereitschaft der Bevölkerung abgeschätzt, sich an ein solches Netz anzuschließen.

Ambitioniertes Projekt

Das IfaS entwickelte anschließend in Zusammenarbeit mit der Kommune und dem Klimaschutz-Management der VG Birkenfeld ein ambitioniertes Projekt, das Gimbweiler sowohl im Bereich der Strom- als auch der Wärmeversorgung weitgehend autark machen sollte und zudem die Elektromobilität als Maßnahme der Sektorkopplung berücksichtigt. Die Idee wurde im Juni 2016 als Projektskizze beim Bundesumweltministerium (BMU) im Rahmen der nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) als kommunales Klimaschutz-Modellprojekt eingereicht und positiv bewertet. In der Folge konnte im Oktober 2016 der entsprechende Förderantrag gestellt werden.
Im Verlauf der Antragstellung musste das Projekt mehrfach deutlich überarbeitet werden, denn nicht alle Elemente erwiesen sich als umsetzbar oder förderfähig. Insbesondere der Bereich der Stromversorgung musste komplett aus dem Antrag entfernt werden. Nach mehreren Monaten der Anpassung konnte das BMU schließlich überzeugt werden.

Keine Förderung für Hausanschlussleitungen

Der endgültige Antrag umfasst nun die Heizzentrale mit einer thermischen Leistung von 910 Kilowatt (kW) verteilt auf zwei Holzhackschnitzelkessel, eine Freiflächen-Solarthermieanlage mit 600 kW, eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 70 Kilowatt peak (kWp), einen Batteriespeicher, ein Elektroauto sowie die Einrichtung eines Energielehrpfads. Die Trassenlänge der Nahwärmeleitungen beträgt rund vier Kilometer. Das Projektvolumen liegt bei 4,6 Millionen Euro, bei einer Förderung von 80 Prozent.
Einige zentrale Bereiche konnten im Förderprogramm nicht bezuschusst werden. Dies betraf insbesondere die Hausanschlussleitungen, die für die Unterverteilung der Wärme von der Hauptleitung an die Häuser zuständig sind, sowie die Wärmeübergabestationen in den Häusern. Diese Elemente erfordern eine weitere Investition in Höhe von rund einer Million Euro – eine Summe, die die Möglichkeiten der Kommune weit überstiegen hätte. Für diesen Bereich wurde daher bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein weiterer Förderantrag gestellt, der im Februar 2018 positiv beschieden wurde. Die KfW fördert diesen Projektteil mit einem zinsgünstigen Kredit sowie einem Tilgungszuschuss von rund 30 Prozent. Weitere 150.000 Euro an Zuschüssen wurden im Dezember 2018 vom Umweltministerium Rheinland-Pfalz bereitgestellt.

Klassisches Contracting kommt nicht infrage

Die Akquise und das Management der Fördermittel haben in den ersten Jahren sehr viel Zeit in Anspruch genommen und viele Ressourcen gebunden. Denn trotz des wirklich vorhandenen Wohlwollens der Fördermittelgeber sind die Vorgänge komplex und bürokratisch. Ohne die Zuschüsse wäre das Projekt in Gimbweiler jedoch nicht zu realisieren.
Parallel dazu waren weitere Probleme zu lösen. Sehr viel Energie wurde etwa auf die Wahl der Betriebsform verwendet. Da die Gemeinde Gimbweiler der Fördermittelempfänger ist, muss sie auch der Investor sein und über einen relativ langen Zeitraum im Eigentum der Anlagen verbleiben. Ein klassisches Contracting kam somit nicht infrage. Ebenso konnte sich die Gemeinde nicht für die Idee einer Genossenschaft begeistern. Die jetzt realisierte Lösung, dass nämlich die bereits existierende Nahwärmeversorgung Birkenfeld GmbH (NVB) den Betrieb der Anlage im Rahmen eines Treuhandvertrags übernimmt, musste erst gefunden und dann juristisch abgesichert werden.

Verzögerungen sorgten für Verunsicherung

Insgesamt haben diese Vorgänge sehr viel Zeit in Anspruch genommen, sodass die eigentlichen Baumaßnahmen erst im Frühjahr 2019 starten konnten. Bei den Einwohnern Gimbweilers haben diese Verzögerungen zu Verunsicherung geführt, was nur durch intensive Kommunikation gelöst werden konnte: Es wurden mehrere öffentliche Informationsveranstaltungen abgehalten, Bürgerbriefe verfasst und eine Website (www.nahwaerme-gimbweiler.de) eingerichtet.
Derzeit liegen 75 Verträge vor, und die Kommune arbeitet intensiv daran, weitere Bürger zu überzeugen. Denn ein Anschluss an das Bioenergie-Nahwärmenetz zu einem späteren Zeitpunkt führt zur verminderten Wirtschaftlichkeit des Projekts sowie zu deutlichen Mehrkosten bei den Interessenten.

Hohe Erwartungen

Das zentrale Hauptleitungsnetz ist inzwischen beinahe fertiggestellt. Bis zum Beginn der Heizperiode soll der Bau der Heizzentrale soweit fortgeschritten sein, dass mit der Wärmelieferung begonnen werden kann. Das Projektende ist für das Jahr 2020 anvisiert. Die Kommune schätzt, dass durch die ergriffenen Maßnahmen circa 850 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Somit wäre das Bioenergie-Nahwärmenetz in Gimbweiler derzeit die effektivste Klimaschutzmaßnahme in der Verbandsgemeinde Birkenfeld. Ob sich die in das Projekt gesteckten Erwartungen erfüllen, wird das erste Betriebsjahr zeigen.

Dr. Viktor Klein

Dr. Klein, Viktor
Dr. Viktor Klein hat in Münster, Heidelberg und Tübingen Geografie studiert und 2012 promoviert. Seit 2013 ist Klein Klimaschutz-Manager der VG Birkenfeld, seit 2016 arbeitet er im Projekt „Masterplan 100 % Klimaschutz für die VG Birkenfeld“. Klein sitzt im Vorstand des Bundesverbands Klimaschutz und ist Lehrbeauftragter am Umwelt-Campus Birkenfeld.

https://www.vgv-birkenfeld.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli/August 2019 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Bioenergie, Nahwärme, Gimbweiler

Bildquelle: Viktor Klein

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