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Donnerstag, 18. April 2024

Forschung:
Stromnetze entlasten


[16.10.2019] Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts INVADE testet das Unternehmen badenova in Freiburg-Opfingen einen neuen Groß-Batteriespeicher. Dieser basiert auf dem Redox-Flow-Prinzip, was gegenüber Lithium-Ionen-Batterien einige Vorteile bringt.

Rund 15 Tonnen wiegt der Container mit der neuartigen Redox-Flow-Batterie. Batteriespeicher nehmen für ein zukünftiges Energiesystem eine Schlüsselrolle ein: Sie können die fluktuierende Erzeugung aus Solar- und Windstrom zwischenspeichern und somit für einen Ausgleich zwischen aktueller Erzeugung und Verbrauch sorgen. Regional erzeugter Strom kann so auch regional verbraucht werden. Stromtransporte über weite Strecken werden reduziert. Der Energieversorger badenova testet im Ortsteil Opfingen der Stadt Freiburg im Breisgau einen innovativen Groß-Batteriespeicher basierend auf dem Redox-Flow-Prinzip und engagiert sich aktiv im Rahmen eines internationalen EU-Forschungsprojekts.

Schwacher Netzausläufer wird zum Einsatzort

Der neue Großspeicher wird für die bessere Integration erneuerbarer Energien ins bestehende Stromnetz verwendet. Als Einsatzort wurde ein schwacher Netzausläufer gewählt, an dessen Ende ein Kunde mit einer großen Photovoltaikanlage angeschlossen ist. An sonnigen Tagen mit wenig Verbrauch kann es zu einer Überlastung des Stromnetzes kommen. Die Folge sind unzulässige Spannungsanhebungen, die zu einer Abschaltung der PV-Anlage des Kunden führen können. Mehrere Normen und Richtlinien wie die DIN EN 50160 oder die FNN-Niederspannungsrichtlinie regeln die gültigen Spannungsbänder in der Verteilnetzebene. So muss an jedem beliebigen Punkt im Verteilnetz die Einhaltung eines Spannungsbands von plus/minus zehn Prozent gegenüber der Netznennspannung garantiert werden. Bei einer Verletzung der Spannungsbänder kann kein Solarstrom mehr produziert werden, da die Wechselrichter automatisch ausschalten.
Die Batterie löst das Problem. Der Solarstrom wird an sonnigen Tagen zwischengespeichert und erst in der Nacht über die dann schwach belastete Leitung schonend abtransportiert. Damit wird das Netz lokal entlastet und ein teurer Netzausbau vermieden. Es können sogar weitere Photovoltaikanlagen an den Netzausläufer angeschlossen werden. Der Spannungsregelungsalgorithmus wird lokal und autonom vom Energie-Management-System der Batterie gesteuert und kann dadurch innerhalb kürzester Zeit auf die schnell wechselnden Energieflüsse reagieren. Ein Zeitverzug durch die Datenübertragung zu einer zentralen Steuerungsplattform und zurück wird vermieden. Aufgrund ihrer geringen Reaktionszeit von weniger als zwei Millisekunden ist die Batterie optimal für diesen Einsatzzweck geeignet.

Lastspitzen vermeiden

Darüber hinaus hat die Batterie noch eine zweite Aufgabe: Sie wird verwendet, um für das gesamte Stromnetz von badenova Lastspitzen zu vermeiden. Denn diese sind gegenüber dem vorgelagerten Netzbetreiber kostenpflichtig. Hier kommt erstmals eine zentrale Steuerungsplattform ins Spiel, die badenova für die Vernetzung diverser Batteriespeicher einsetzt.
Durch Nutzung fundierter Lastflussanalysen kann der Netzbetreiber Lastspitzen vorhersagen. Dann wird eine Flexibilitätsanfrage an die Steuerungsplattform gesendet, die den optimalen Einsatz aller angeschlossenen Batteriespeicher auf Basis aktueller Informationen zum Ladezustand sowie – im Falle von ebenfalls angeschlossenen PV-Heimspeichern – Erzeugungs- und Lastprognosen berechnet. Nach dem Optimierungsprozess werden Steuersignale an die Batterie retourniert. Diese setzt die Signale um und entlastet das Netz durch gezieltes Entladen. Die hierdurch eingesparten Kosten können mittelfristig über reduzierte Netznutzungsentgelte allen Verbrauchern im Stromnetz der badenova-Tochter bnNETZE zugutekommen.
Durch die Kombination mehrerer Anwendungen können Synergien beim Betrieb des Batteriespeichers erreicht werden. Die Wirtschaftlichkeit verbessert sich spürbar. Da abrechnungsrelevante Lastspitzen nur an wenigen Tagen im Jahr zu erwarten sind, steht die Batterie ansonsten uneingeschränkt für die Spannungshaltung zur Verfügung. Damit ergänzen sich die beiden Anwendungsfälle ideal.

Innovatives Funktionsprinzip

Der Groß-Batteriespeicher nutzt die innovative Technologie des Redox-Flow-Prinzips. Für die Energiespeicherung wird statt Feststoffen wie bei herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien eine Vanadium-basierte Elektrolytflüssigkeit verwendet. Diese besteht ausschließlich aus nichtbrennbaren Inhaltsstoffen, darunter über 80 Prozent destilliertes Wasser. Der gesamte Container wiegt circa 15 Tonnen – mehr als zwei Drittel des Gewichts sind dabei der Elektrolytflüssigkeit zuzuschreiben.
Die Batterie besteht aus drei Modulen mit jeweils zwei Behältern, in denen die negativ und positiv geladene Elektrolytflüssigkeit gespeichert ist, sowie zwei Stacks. Das Elektrolytvolumen bestimmt die Größe der Behälter und die Kapazität der Batterie, der Stack die bereitgestellte Leistung. Diese Entkopplung von Energie und Leistung stellt zugleich einen der größten Vorteile der Batterie dar. Je nach Anforderung können weitere Elektrolytbehälter installiert werden, die zur Erhöhung der Kapazität dienen. Im Stack findet die eigentliche chemische Reaktion statt. Der Ionenaustausch zwischen den beiden negativen und positiven Flüssigkeiten wird über eine Membran gesteuert. Durch die Reaktion kann die Batterie geladen und entladen werden.

120 Kilowattstunden Speicherkapazität

Die Redox-Flow-Batterie hat eine maximale Lade-/Entladeleistung von 20 Kilowatt; die Speicherkapazität beträgt insgesamt 120 Kilowattstunden. Das Verhältnis von Energie zu Leistung beträgt somit fünf zu eins. Allgemein sind Redox-Flow-Batterien vor allem für solche Anwendungen geeignet, die einen hohen Energie- und gleichzeitig einen geringen Leistungsbedarf haben. Ein weiterer Vorteil: Die Batterie verliert über die Jahre kaum an Kapazität. Die Anzahl der Vollzyklen ist sehr hoch – es können mehr als 20.000 Zyklen erreicht werden. Somit besitzt die Batterie eine hohe Lebensdauer. Interessant ist auch die geringe Selbstentladung der Redox-Flow-Batterie. Auch bei langer Standzeit behält sie ihre ursprüngliche Kapazität bei und muss nicht ständig in Betrieb sein. Dies könnte ein interessanter Anwendungsfall für Umspannwerke sein.

Internationale Partner

Die Aktivitäten von badenova in Freiburg-Opfingen sind eingebettet in ein internationales EU-Forschungsprojekt namens INVADE „Integrated electric vehicles and batteries to empower distributed and centralised storage in distribution grids“ mit zwölf Projektpartnern aus Norwegen, Finnland, den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, Spanien und Bulgarien. Es wird im Rahmen des Programms Horizon 2020 von der Europäischen Union gefördert. Ziel ist es, den Einsatz von Batteriespeichern unter realen Bedingungen sowie deren Vernetzung zu untersuchen.
Als Projektpartner für Deutschland vernetzt badenova mehrere Kleinspeicher in Privathaushalten sowie den Redox-Flow-Batteriespeicher, um die neu entwickelte INVADE-Steuerungsplattform unter realen Bedingungen zu testen. Aus dem Projekt sollen zudem innovative Geschäftsmodelle für eine zukünftige Energiewirtschaft entwickelt werden und die gewonnenen Ansätze langfristig der Vermarktung dezentraler Speicherkapazitäten dienen.

Malte Thoma ist in der Unternehmensentwicklung von badenova verantwortlich für den Bereich Batteriespeicher; Fabian Burkard ist dort als Teilprojektleiter im Projekt INVADE zuständig für die Redox-Flow-Batterie.

https://www.badenova.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September/Oktober 2019 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Energiespeicher, Badenova, Redox-Flow-Batterien, Freiburg im Breisgau

Bildquelle: badenova

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