[24.9.2020] Eine vernetzte Infrastruktur ist die Basis der Smart City. Wie Kommunen dort hingelangen, zeigt ein Stufenmodell, das Ver- und Entsorgung, Mobilität und Sicherheit sowie die Kommunikation effizienter macht.
Nachhaltigere und effizientere Lösungen für Städte und neue Dienstleistungen für die Bürger – darauf zielt die Smart City ab. Ermöglicht wird dies durch vernetzte Systeme, die über Messung, Steuerung und den Datenaustausch Mehrwerte generieren. Um die Vielfalt möglicher Smart-City-Anwendungen abzubilden, hat das Beratungsunternehmen BET mit Unterstützung des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) ein Modell erarbeitet. Es zeigt die Entwicklungsstufen von der fundamentalen über die nachhaltig-effiziente bis hin zur smart vernetzten kommunalen Infrastruktur auf. Die Anwendungssäulen Ver- und Entsorgung, Mobilität und Sicherheit sowie Kommunikation verbinden sich darin mit fortschreitender Entwicklungsstufe untereinander.Die Grundlagen-Infrastruktur ist als Ausgangsstufe vielerorts gut verfügbar. Wo sich hier Lücken ergeben, zum Beispiel in den Bereichen öffentlicher Nahverkehr, Mobilfunknetz und Internet-Versorgung, wird der Nachholbedarf besonders deutlich, und die Kommunalpolitik ringt um Lösungen, in die oft auch die kommunalen Versorger involviert sind.
Trends wie die demografische Entwicklung, der Klimawandel, die Dezentralisierung und die Digitalisierung bringen neue Anforderungen an die kommunale Infrastruktur und eine Veränderung der Versorgungsaufgabe mit sich. Zugleich erlauben neue Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) gesteigerte Funktionslevel, mehr Nachhaltigkeit, Effizienz und gänzlich neue Bürgerservices. Im Ergebnis steigt die Attraktivität der Stadt als angenehmer Lebens- und moderner Unternehmensstandort. Diese zweite Stufe wird im Modell als nachhaltig effiziente Infrastruktur bezeichnet und lebt davon, IKT in vielfältigen Anwendungsbereichen zu nutzen.
Ökologisch managen
Im Bereich der Ver- und Entsorgung führt die Energiewende beispielsweise dazu, dass die Stromversorgung von der zentralen Erzeugung in Großkraftwerken sukzessive auf eine dezentrale Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in Kombination mit Stromspeichern umgestellt wird. Dies erfordert sowohl Investitionen in dezentrale Erzeugungstechnologien als auch in den Ausbau und die Ertüchtigung von Stromverteilnetzen, die häufig noch nicht für diese neue Versorgungsaufgabe ausgelegt sind. Ähnliches gilt für die Wärmeversorgung: Im Wohnungsbestand werden rund 50 Prozent der Wohnungen mit Gas beheizt und immer noch circa 26 Prozent mit Heizöl. Im Neubau setzen nur noch 39 Prozent auf Gas, Heizöl spielt hier so gut wie gar keine Rolle mehr. Stattdessen wird über die Hälfte der neuen oder umfassend renovierten Gebäude über Wärmepumpen oder Fernwärme beheizt, wie Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigen.
Auch in der Wasserver- und Abwasserentsorgung gewinnen ökologische Aspekte an Bedeutung. Insbesondere Pumpen und Speicher werden zunehmend mit erneuerbaren Energien betrieben. Einzelne Wassernetze werden so gesteuert, dass der Anteil der Erneuerbaren optimiert wird. Künftig können die Pumpen und Speicher sogar so eingesetzt werden, dass sie die Stromversorgung in den Bereichen Erzeugung und Netzbelastung unterstützen.
Ein wichtiger Bereich im Sektor Ver- und Entsorgung ist außerdem das Abfall-Management. Bisher werden öffentliche Abfallcontainer in fixen Abständen geleert – unabhängig vom Füllstand. Die Effizienz kann erhöht werden, wenn die Container für das Abfall-Monitoring mit Sensoren ausgestattet werden, die den Füllstand messen und melden, wenn der Container geleert werden muss.
Sensoren liefern die Daten
Sensoren sind ebenso hinsichtlich des Schadstoff- und Umwelt-Monitorings von großer Bedeutung. Viele Städte messen meteorologische Parameter, aber auch Schadstoffe wie Feinstaub oder die NOX-Konzentration in der Luft und andere Lebensqualitätsparameter wie beispielsweise Lärm. Ein Starkregen-Monitoring kann als Grundlage für ein Warnsystem dienen, das Überschwemmungen frühzeitig erkennt. Alle Daten werden gesammelt und lassen sich auf einer Plattform für die Bürger transparent machen. Die Stadt wiederum kann aus den Daten wertvolle Schlüsse ziehen und bei Bedarf Maßnahmen ergreifen.
Mit Blick auf die Sicherheit kann das optische Monitoring in Form der Videoüberwachung Teil der nachhaltig effizienten Infrastruktur einer Stadt sein. Mit einer solchen Lösung lassen sich die gefühlte und die reale Sicherheit an öffentlichen Plätzen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln für die Bürger erhöhen. Auch Vandalismus kann auf diese Weise reduziert werden. Datenschutz ist hierbei ein sehr wichtiges, aber lösbares Thema. Der Einsatz moderner LED-Technik in der Straßenbeleuchtung kann ebenfalls zu einem erhöhten Sicherheitsgefühl beitragen. LED-Leuchten bergen außerdem ein hohes Energiesparpotenzial gegenüber konventionellen Leuchtmitteln. Eine gezielte Beleuchtungssteuerung kann die Effizienz noch steigern.
Smarte Mobilität
Der Verkehr wird heute bereits vielerorts in Abhängigkeit von typischen Belastungen gesteuert. Digitale Hinweisschilder führen zu nahen Parkplätzen und geben Auskunft über die verfügbaren Kapazitäten. Bezahlt werden kann mit einer Handy-App. Zunehmend berücksichtigt werden müssen alternative Antriebe. Auch wenn die absolute Zahl derer im Individualverkehr noch gering ist, gewinnen sie spürbar an Bedeutung. Aus diesem Grund steht insbesondere die Lade-Infrastruktur für Elektroautos im Fokus einer nachhaltig effizienten Infrastruktur. Denn um die Anzahl der Elektro-Pkw, wie von der Bundesregierung geplant, bis zum Jahr 2030 auf zehn Millionen zu erhöhen, muss der Ladesäulen-Ausbau beschleunigt werden. Neben Elektroantrieben können Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe eine wichtige Rolle spielen. Auch für sie muss eine moderne Tank-Infrastruktur errichtet werden.
Der Trend zu Elektromobilität und alternativen Antrieben zeigt sich zudem im öffentlichen Personennahverkehr. Die Menschen dazu zu bewegen, den ÖPNV stärker zu nutzen, ist noch sinnvoller, wenn sie im ÖPNV CO2-neutral unterwegs sind. Ergänzend kann Fahrzeug-Sharing eine wichtige Komponente sein, um die Mobilitätswende voranzutreiben.
Effiziente Infrastruktur
Die Kommunikationsinfrastruktur nimmt die Schlüsselrolle für alle Bereiche der nachhaltig effizienten Infrastruktur ein. Sie ermöglicht es nicht nur den Bürgern, zu Hause und unterwegs alle Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Sie ist auch die Basis-Infrastruktur, um alle intelligenten Anwendungen der Smart City zu steuern. Um das Internet der Dinge (Internet of Things – IoT) zu realisieren, können Techniken wie Glasfaser, öffentliches WLAN oder Funktechniken wie LoRaWAN, LTE oder 5G eingesetzt werden. Gerade für die kritische Infrastruktur spielen außerdem neue Frequenzbereiche wie die 450-MHz-Frequenz eine große Rolle. Oft ergänzen sich diese Techniken durch ihre unterschiedlichen Eigenschaften.
Die höchste Entwicklungsstufe im beschriebenen Modell ist die smart vernetzte Infrastruktur, die mehrere Anwendungsgebiete verknüpft und durch den Datenaustausch zwischen den Anwendungen Mehrwerte generiert. Beispiel hierfür ist die Sektorenkopplung, die Strom, Wärme und Mobilität verbindet. So wird zum Beispiel aus (Öko-)Strom via Power to Heat Wärme erzeugt oder durch Elektrolyse aus Strom im Power-to-Gas-Verfahren Wasserstoff gewonnen. Strom, Erdgas oder Wasserstoff können darüber hinaus für den Fahrzeugantrieb genutzt werden. Zusätzliche Vorteile bringt die Sektorenkopplung vor allem dann, wenn durch Wind und Sonne mehr Strom erzeugt als verbraucht wird. Der überschüssige Strom kann dann genutzt werden, um E-Auto-Batterien aufzuladen, Wärme für Fernwärmenetze oder Haushalte oder synthetisches Gas zur Einspeisung ins Gasnetz zu erzeugen.
Eine smart vernetzte Erweiterung des Abfall-Monitorings gelingt, wenn die ortsaufgelösten Füllstandsdaten intelligent mit Mobilitätsparametern gekoppelt werden: Der Sensor der Abfallcontainer meldet Füllstand und Standort an eine Smart Waste Software, die daraus in Kombination mit den aktuellen Verkehrsdaten die optimale Route für die Leerung berechnet. Für eine adaptive Straßenbeleuchtung mit intelligenter Verkehrskopplung können Sensoren an der Straße oder an Lichtmasten installiert werden. Sie messen die Verkehrsdichte, sodass die Beleuchtung genau die Intensität hat, die gerade gebraucht wird.
Intelligentes Stromnetz
In einem intelligenten Stromnetz werden für die smart vernetzte Infrastruktur Energieerzeuger, -verbraucher und -speicher – so genannte Flexibilitätsoptionen – verknüpft und fernsteuerbar geregelt. Dazu werden auch Daten aus intelligenten Messsystemen über Stromverbrauch und -Produktion weitergegeben. Dadurch ist ein Smart Grid in der Lage, die Autarkie aus der Adaptierung von Erzeugung, Speicherung und Verbrauch zu maximieren. Angewendet wird das zunehmend in neuen Quartierslösungen. Auch der ÖPNV kann von der smarten Vernetzung profitieren. An dieser Stelle gewinnt die Kombination verschiedener Verkehrsträger mittels multimodaler Verkehrskonzepte an Bedeutung. Über Mobilitätsplattformen kann der Kunde Fahrten zwischen Ausgangs- und Zielort buchen und wird dann mit einer optimierten Kombination von Verkehrsmitteln bedient.
Auch die Abfahrtzeiten oder die Taktung der Bahnen können flexibel, intelligent und in Echtzeit an den Fahrgastbedarf angepasst werden. Durch die Kopplung mit dem Smartphone kann der Fahrgast automatisch einen Fahrschein buchen, sobald er einen Bus oder eine Straßenbahn betritt. Dank des autonomen Fahrens gibt es zudem erste Mini- und Shuttle-Busse, die nicht nur regenerativ unterwegs sind, sondern auch ohne Fahrer auskommen.
Chancen für Versorger
Die dargestellte Infrastruktur ist Basis der Smart City von morgen, die nur auf einer solchen Grundlage errichtet werden kann. Die konkrete Ausgestaltung ist eine wesentliche Zukunftsaufgabe für den lokalen Versorger, da dessen Kernzuständigkeiten eng mit dieser Infrastruktur verknüpft sind. Durch die Ausweitung der eigenen Kompetenzen und durch geeignete Partnerschaften bietet sich ihm die Chance, die ganze Breite der Anwendungen abzudecken und von der Vernetzung der Anwendungen untereinander in einer Weise zu profitieren, wie es andere nur schwer können.
Dr. Peter Zink
Dr. Zink, Peter
Dr. Peter Zink, Senior-Manager und Leiter des Kompetenzteams Digitale Lösungen bei BET, berät Stadtwerke und Kommunen zu den Themen Smart City, Smart Meter, Smart Grid, digitale Infrastruktur und digitale Geschäftsmodelle. Zuvor war er in verschiedenen Positionen im Philips-Lighting-Konzern tätig, zuletzt als globaler Leiter des Segments Road & Street.
https://www.bet-energie.deDieser Beitrag ist in der Augabe September/Oktober 2020 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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