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Donnerstag, 28. März 2024

Kraft-Wärme-Kopplung:
Treiber für Klimaneutralität


[24.1.2023] Auf dem Weg hin zur Klimaneutralität kann die Kraft-Wärme-Kopplung einen wichtigen Beitrag leisten. Sie ist bestens für den Betrieb mit defossilierten Energieträgern geeignet, unterstützt die Systemintegration erneuerbarer Energien und trägt zur Versorgungssicherheit bei.

Auf dem Weg hin zur Klimaneutralität kann die Kraft-Wärme-Kopplung einen wichtigen Beitrag leisten. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden. Ein erheblicher Teil der heutigen Treibhausgasemissionen der Bundesrepublik stammt aus der Wärme- und Stromversorgung. Eine erfolgreiche Defossilisierung dieser Versorgungsbereiche spielt daher eine zentrale Rolle, um das Ziel der Klimaneutralität in weniger als 25 Jahren zu erreichen. Einen wichtigen Beitrag kann die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) leisten – und zwar sowohl zur Erreichung der Klimaneutralität als auch in einem klimaneutralen Energiesystem.
Die gekoppelte Produktion von Strom und Wärme ist eine Energieeffizienztechnologie, die auf der gleichzeitigen Umwandlung der in einem Brennstoff gebundenen Energie in mechanische oder elek­trische Energie und nutzbare Wärme beruht. Die parallel zur Stromerzeugung produzierte Wärme wird zur Deckung des Raumwärmebedarfs und zur Warmwasserbereitung in Gebäuden oder für Produktionsprozesse in Industrie und Gewerbe genutzt.

Große Einsatzbreite

Die Einsatzbreite und das technische Leistungsspektrum der Kraft-Wärme-Kopplung in Deutschland sind groß: Der KWK-Einsatz lässt sich in Anwendungen für die öffentliche Versorgung (öffentliche Strom- sowie Fernwärmeversorgung), für die Industrie (Strom und Wärme zur Eigenbedarfsdeckung) sowie für die Objektversorgung (Strom und Wärme für Gebäude und Quartiere) einteilen. Dabei umfasst die Kraft-Wärme-Kopplung sowohl Blockheizkraftwerke als auch große Kraftwerke, also Leistungsklassen ab zwei Kilowatt elektrisch (kWel) bis hin zu mehreren hundert Megawatt. Die KWK ist eine reine Erzeugungstechnologie und kann auf dem Einsatz verschiedener Brennstoffe beruhen. Der überwiegende Teil der heute installierten KWK-Kapazitäten, nämlich rund 51 Prozent, wird mit Erdgas, weitere 25 Prozent werden mit Biomasse betrieben. In rund 16 Prozent der Anlagen kommen derzeit aber noch Kohle und in vier Prozent Öl zum Einsatz.
Gemeinsam mit 19 Partnern aus dem KWK-Anlagenbau und dem KWK-Betrieb hat der Verein Zukunft Gas daher das Beratungsunternehmen Frontier Economics beauftragt, das Potenzial der Kraft-Wärme-Kopplung für die Transformation hin zur klimaneutralen Strom- und Wärmeversorgung detailliert zu untersuchen sowie einen Transformationspfad für die Defossilisierung der KWK aufzuzeigen und die dafür erforderlichen Handlungsempfehlungen abzuleiten. Die Studienergebnisse zeigen, dass die KWK keine fossile Technologie ist – auch wenn heute noch überwiegend fossile Energieträger zum Einsatz kommen –, sondern dass sie bestens für den Betrieb mit defossilierten Energieträgern wie Biogas, Biomethan sowie grünem oder dekarbonisierten Wasserstoff geeignet ist. Durch ihre hohe Energieeffizienz nutzt die KWK den eingesetzten Brennstoff bestmöglich aus.

Flexible Fahrweise

Herausstechende Eigenschaften der Kraft-Wärme-Kopplung sind ihre hohe Energieeffizienz und ihre große Flexibilität. Das lässt sich insbesondere im Bereich Stromversorgung anschaulich aufzeigen: Auch in einem System, das auf Strom aus Sonne und Wind basiert, wird zukünftig steuerbare Stromerzeugungsleistung benötigt, um Versorgungssicherheit zu ermöglichen, wenn Sonne und Wind nicht zur Verfügung stehen. Die zu diesen Zeitpunkten benötigte Erzeugungsleistung kann zu weiten Teilen durch die Kraft-Wärme-Kopplung gedeckt werden.
Hierfür müssen KWK-Anlagen entsprechend angesteuert und flexibel hoch- und heruntergefahren werden – je nach Wetterlage, um die so genannte Residuallast zu decken. Die KWK-Technik ist bestens geeignet, schnell sehr große Laständerungen in einem Stromsystem mit fluktuierender Erzeugung aus Wind und Sonne zu realisieren, wenn die notwendigen betrieblichen Voraussetzungen, vor allem ausreichend groß dimensionierte Wärmespeicher und eine angepasste KWK-Fahrweise, geschaffen werden.
Ein wichtiger Beitrag zur Defossilisierung des Energiesystems soll durch eine zunehmende Elektrifizierung im Wärme- und Verkehrssektor geleistet werden. Im Zuge dessen wird auch die Stromnachfrage und die damit verbundene nachfrageseitige Spitzenlast steigen, während gleichzeitig die steuerbare Stromerzeugungsleistung infolge des Ausstiegs aus der Kernenergie und der Kohleverstromung sinken wird. Ein Ausbau der KWK kann einen wesentlichen Beitrag zur Deckung dieser wachsenden, nachfrageseitigen Stromlast liefern.
Die KWK unterstützt durch ihre Flexibilität und Steuerbarkeit zudem die Systemintegration erneuerbarer Energien und nutzt die Gasnetze, wodurch die Stromübertragungs- und Stromverteilnetze entlastet und ein schnelleres Voranschreiten der Energiewende ermöglicht werden. Gleichzeitig wird durch die Nutzung sowohl der Strom- als auch der Gasinfrastrukturen ein Beitrag zur Stärkung der Resilienz der Energieversorgung geleistet.

Baustein der Wärmeversorgung

Heute verursacht die Wärmeversorgung über 50 Prozent des gesamten Endenergiebedarfs in Deutschland. Sie basiert aktuell noch zu hohen Anteilen auf der Verbrennung fossiler Energieträger. Gleichzeitig ist der Wärmesektor charakterisiert durch eine große Heterogenität der nutzerseitigen Anforderungen. Das gilt sowohl für die Wärmeversorgung von Gebäuden als auch für die Prozesswärmebereitstellung in Industrie und Gewerbe. Im Jahr 2019 wurden noch rund 70 Prozent des Raumwärmebedarfs und circa 65 Prozent des Prozesswärmebedarfs unter Nutzung fossiler Energieträger bereitgestellt. Die Erreichung einer klimaneutralen Wärmeversorgung stellt eine enorme Herausforderung dar, zu deren Lösung die Kraft-Wärme-Kopplung in Verbindung mit dem Einsatz klimaneutraler Energieträger beitragen kann.
KWK-Systeme können bei großer Energieeffizienz und hoher Flexibilität den Wärmebedarf auf unterschiedlichen Temperaturniveaus zur Verfügung stellen, was durch die bereits heute gegebene breite Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung – von der Raumwärmebereitstellung (KWK in der Fernwärme sowie in der Quartiers- und Objektversorgung) bis hin zur Speisung von Hochtemperaturprozessen in industriellen Anwendungen – zum Ausdruck kommt. Die KWK kann dazu beitragen, kurzfristig kohle- und ölbasierte Wärmesysteme zu ersetzen. Zugleich unterstützt sie die Nutzung von Wärmenetzen, die vorrangig in Ballungsräumen die Wärmewende flankieren. KWK-Systeme können und müssen zeitnah auf den Betrieb mit 100 Prozent Wasserstoff ausgerichtet werden, was sich auch in einem wachsendem Marktangebot für wasserstofffähige KWK-Systeme widerspiegelt.
Auch im Wärmesektor ist es von hoher Relevanz, das hohe Versorgungssicherheitsniveau beizubehalten. Dazu muss der starken Saisonalität im Wärmesektor angemessen Rechnung getragen werden. Während der Wärmebedarf für die Erzeugung von Prozesswärme und Warmwasser im Jahresverlauf überwiegend gleichmäßig anfällt, ist die Raumwärmebereitstellung mit hohem Gleichzeitigkeitsfaktor insbesondere im Zeitraum von Oktober bis April eines jeden Jahres erforderlich. Die größten Leistungsspitzen der Wärmenachfrage fallen hierbei in der Regel in den Zeitraum zwischen Dezember und Anfang März. Gelingt es, die Kraft-Wärme-Kopplung in der Wärmeversorgung auszubauen, kann zur Deckung der Leistungsspitzen im Wärmemarkt auf die Leistungsfähigkeit der Gastransport- und -verteilnetze zugegriffen werden, die mit einer maximalen zeitgleichen Gaslast von über 250 Gigawatt zur Verfügung stehen. Um im Zuge der Transformation hin zur Klimaneutralität einen Beitrag zur sicheren Wärmeversorgung leisten zu können, muss das Gasnetzsystem auf klimafreundliche Energieträger wie Biomethan und dekarbonisierten Wasserstoff umgestellt werden.

Rahmenbedingungen anpassen

Die Studie KWK 2045 zeigt die mannigfaltigen Vorteile auf, wenn KWK-Systeme erhalten und ausgebaut, die Flexibilisierung des KWK-Betriebs vorangetrieben und eine zügige Defossilisierung der eingesetzten Brennstoffe konsequent angegangen werden. Um die Kraft-Wärme-Kopplung zu erhalten und auszubauen, ist insbesondere die Gewährleistung stabiler Rahmenbedingungen von entscheidender Bedeutung.
Darüber hinaus sollte eine sachgerechte Reflexion darüber erfolgen, welchen Nutzen die Kraft-­Wärme-Kopplung für ein resilientes Gesamtenergiesystem liefern kann. Hierbei sind insbesondere die netzentlastenden Vorteile der Technologie im Zusammenspiel der Infrastrukturen im Strom- und Gassystem als auch Nutzenaspekte im Hinblick auf die gesellschaftliche Akzeptanz für den Prozess der Transformation zur Klimaneutralität zu beachten – die wiederum den Kosten des Erhalts und des Ausbaus der Kraft-Wärme-Kopplung gegenübergestellt werden müssen.
Darüber hinaus müssen zeitnah die Anreize verstärkt werden, KWK-Anlagen stromsystemdienlich auszulegen und zu betreiben. Es gilt, Förderinstrumente fortzuführen und zugleich den KWK-Anlagenbetrieb stärker zu flexibilisieren, Ausschreibungen für innovative Anlagen (iKWK) zu vereinfachen und auszuweiten, und bei der anstehenden Reform des Systems aus Entgelten, Abgaben, Umlagen und Steuern der Stromnetzentlastung von KWK-Anlagen Rechnung zu tragen. Zudem sollte geprüft werden, wie eine Umstellung der KWK-Förderung auf eine Kapazitätszahlung, die sich an der Höhe der installierten Stromerzeugungsleistung bemisst, oder auf eine kombinierte Kapazitäts- und Betriebszahlung erfolgen kann.
Nicht zuletzt sind die Rahmenbedingungen für eine zügige Defossilisierung des Betriebs von KWK-Systemen einschließlich eines schnellen Ersatzes von Kohle- durch eine H2-ready Gas-KWK zu schaffen. Um den Umstieg auf klimaneutrale Brennstoffe zu ermöglichen, muss nicht zuletzt deren Verfügbarkeit sichergestellt werden. Hierzu bedarf es neben der Zulassung von mit Biomethan betriebenen Anlagen im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) sowie in der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) vor allem geeigneter Instrumente zur Anschubfinanzierung für den weiteren Markthochlauf für Biomethan und Wasserstoff sowie Rahmenbedingungen für die Wasserstoff-Ertüchtigung der bestehenden Gasinfrastruktur.

Zügig Standards schaffen

Darüber hinaus forciert die KWK-Branche ihre Anstrengungen, zügig Standardlösungen für die Wasserstoff-Readiness ihrer KWK-Systeme in den Markt zu bringen, um einen klimaneutralen Betrieb der Anlagen mit der Ressource Wasserstoff zu ermöglichen. Die aktuelle Energiekrise zeigt die hohe Dringlichkeit auf, die Transformation zur Klimaneutralität beschleunigt voranzutreiben und hierbei die Potenziale der Kraft-Wärme-Kopplung für eine resiliente Wärme- und Stromversorgung zu nutzen.

Dipl.-Ing. Annegret-Claudine Agricola arbeitete unter anderem als Bereichsleiterin Energiesysteme und Energiedienstleistungen für die Deutsche Energie-Agentur (dena) und als Bereichsleiterin Contracting bei der Berliner Energieagentur sowie in der Unternehmensberatung. Seit 2020 ist sie als Leiterin Public Affairs für Zukunft Gas e. V. tätig.

https://www.gas.info
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar/Februar 2023 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Kraft-Wärme-Kopplung, Zukunft Gas e.v.

Bildquelle: Andrei Merkulov/stock.adobe.com

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