Samstag, 22. November 2025

Hochschule Hamm-LippstadtNachhaltige Wirtschaftsflächen in Südwestfalen

[08.10.2025] Wie lassen sich Industrie- und Gewerbeflächen so gestalten, dass sie wirtschaftlich und nachhaltig sind? Das Projekt „Nachhaltige Wirtschaftsflächen in Südwestfalen“ entwickelt dafür integrierte Konzepte und Werkzeuge.

Das Tool berücksichtigt unter anderem die regenerative Energieerzeugung aus Photovoltaik, Windenergie und Geothermie.

(Bildquelle: NAWISWF)

Wie können Gewerbe- und Industrieflächen zugleich wirtschaftlich leistungsfähig und nachhaltig gestaltet werden? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Projekt Nachhaltige Wirtschaftsflächen in Südwestfalen (NAWISWF) – finanziert durch den EFRE Regio-Call NRW. Die Region Südwestfalen ist eine bedeutende Industrieregion in Nordrhein-Westfalen und steht dabei vor großen Herausforderungen: Fachkräftemangel, Digitalisierung, Dekarbonisierung, demografischer Wandel, steigende Energiekosten und die Anforderungen an klimaneutrale Produktionsprozesse.

Konzepte für zukunftsfähige Wirtschaftsflächenentwicklung

Im Fokus des Projekts steht die Entwicklung integrierter Konzepte für eine zukunftsfähige Wirtschaftsflächenentwicklung. Dazu werden rund 15 neu zu entwickelnde Wirtschaftsflächen in der Region Südwestfalen analysiert. Ziel ist es, ökologische und ökonomische Anforderungen miteinander zu verbinden – von der flächeneffizienten Bebauung über eine nachhaltige Energieversorgung bis hin zur sektorübergreifenden Nutzung vorhandener Infrastrukturen. Konkret arbeitet das Projekt an den vier Themenfeldern flächensparende Konzepte, Ressourcen- und Energieeffizienz, Mobilität sowie  Pooling und Kooperation.

Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und wird unter der Federführung der IHK Arnsberg Hellweg-Sauerland in einem interdisziplinären Team mit der Technischen Universität Dortmund sowie der FH Südwestfalen und der Hochschule Hamm-Lippstadt durchgeführt. Die Hochschule Hamm-Lippstadt bringt mit dem Institut für Sektorenkopplung in der Energiewende innerhalb des Themenfelds „Ressourcen- und Energieeffizienz“ des Projekts ihre Expertise in der Analyse und in der Konzeptentwicklung der energetischen Versorgung von Wirtschaftsflächen ein.

Vorgehen und aktueller Stand

Das Projekt startete 2024 mit einer eingehenden Analyse der geplanten Wirtschaftsflächen, bei der wesentliche Standortinformationen wie rechtliche Rahmenbedingungen, topografische Besonderheiten und bereits bestehende Infrastrukturen erhoben wurden. Diese Informationen bildeten die Grundlage für die erste energetische Bewertung. Gleichzeitig erfolgte die Schätzung des zukünftigen Strom- und Wärmebedarfs basierend auf Daten lokaler Unternehmen, Branchenkennziffern und ergänzenden Gesprächen mit Unternehmen aus der Region. Ziel war es, realistische Szenarien der zukünftigen Energiebedarfe zu erstellen, selbst bei noch unbestimmten Nutzungsstrukturen in den zu entwickelnden Wirtschaftsflächen.

Ein zentrales Zwischenergebnis des Teilprojekts der Hochschule Hamm-Lippstadt ist die Entwicklung eines Prognose-Tools zur Ermittlung des zukünftigen Energiebedarfs für die gesamte Wirtschaftsfläche, das unterschiedliche Akteursgruppen in der Entwicklungsphase unterstützt. Das Energieprognose-Tool zielt darauf ab, die insbesondere zu Beginn der Planungsprozesse bestehenden Unsicherheiten abzubauen. Die Unsicherheiten resultieren oft daraus, dass in dieser Phase oftmals noch weitgehend unbekannt ist, welche Unternehmen mit den daraus resultierenden Energiebedarfen sich auf einer Wirtschaftsfläche im Zeitablauf ansiedeln werden. Das Prognose-Tool ermöglicht eine flexible Szenarienanalyse und unterstützt so eine vorausschauende Entwicklung auch unter offenen Rahmenbedingungen. Ferner ermöglicht es die Bestimmung mehrerer Nutzungsszenarien unterschiedlicher Branchen, die sich auf der Wirtschaftsfläche ansiedeln könnten.

Nutzung von erneuerbaren Energiequellen

Darüber hinaus kann das Tools abschätzen, in welcher Form und in welchem Maße örtlich vorhandene erneuerbare Energiequellen zur lokalen Deckung des Energiebedarfs der Wirtschaftsfläche sowie des unmittelbaren Umfelds beitragen können. Berücksichtigt wurden unter anderem die regenerative Energieerzeugung aus Photovoltaik, Windenergie und Geothermie. Aktuell werden auch angrenzende Infrastrukturen wie beispielsweise Kläranlagen in die Analysen einbezogen, da sie häufig bislang ungenutzte energetische Potenziale bieten – etwa durch Abwärme oder die Nutzung von Faulgas zur Strom- und Wärmeerzeugung. Zudem zeigt das Tool auf, in welchem Umfang eine externe Energieversorgung durch die Anbindung an die öffentliche Energieinfrastruktur benötigt wird. Das Tool berücksichtigt zudem Großbatteriespeicher und Stromspeicher, um stärker die Aspekte der dezentralen Versorgungssicherheit und Flexibilität zu erfassen. Die Speicher werden auch grafisch dargestellt, wodurch die Auswirkungen auf Lastverläufe und Energieflüsse unmittelbar sichtbar werden. Dabei lässt sich die Batteriegröße individuell anpassen, um verschiedene Szenarien zu vergleichen und den Nutzen unterschiedlicher Speicherlösungen zu bewerten.

Durch individuell einstellbare Filter – etwa nach Wochentagen, Kalenderwochen oder Jahreszeiten – lassen sich saisonale Schwankungen im Energiebedarf sowie in der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien gezielt analysieren und nachvollziehbar darstellen. Auf Basis der laufenden Analysen sollen die untersuchten Wirtschaftsflächen künftig in Typologien überführt werden – eine Systematik, die Vergleichbarkeit schafft und als Planungsgrundlage für übertragbare energetische Versorgungskonzepte dient. Darauf aufbauend werden erste technische Konzepte entwickelt, beispielsweise für den Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen und Niedertemperatur-Wärmenetzen.

Unterschiedliche Akteursgruppen

Ein Tool, das im Planungsprozess einer neu zu entwickelnden Wirtschaftsfläche die zu erwartenden Energiebedarfe sowie dezentralen Erzeugungsmöglichkeiten erneuerbarer Energien unter Einbezug verschiedener Szenarien ermittelt, adressiert unterschiedliche Akteursgruppen. Dazu zählen Kommunen, Planungsbüros, Investoren sowie sowohl Energieversorgungsunternehmen als auch an einer Ansiedlung interessierte Unternehmen. Eine zentrale Ermittlung der Energiebedarfe für Wirtschaftsflächen in einer frühen Planungs- und Entwicklungsphase fördert eine präzisere und gegenüber unterschiedlichen Szenarien robuste Planung der Energieversorgung. Es unterstützt außerdem die Nutzung dezentral erzeugter erneuerbarer Energien, da mögliche Über- und Unterversorgungen an einzelnen Stellen bei Unternehmen abhängig von der Branchenstruktur auf der Wirtschaftsfläche sichtbar werden. Dadurch kann es auch zur Senkung der Energiekosten insgesamt beitragen.

Durch die Optimierung der Infrastrukturplanung können die Netzkapazitäten effizient genutzt werden. Darüber hinaus ermöglicht das Tool die Entwicklung gemeinschaftlicher Anlagen für die Energieversorgung auf einer Wirtschaftsfläche. Für den weiteren Projektablauf ist geplant, das Tool durch Gespräche mit Unternehmen und Kommunen auf diese Weise zu verfeinern. Außerdem ist beabsichtigt, es für die Entwicklung konkreter Lösungskonzepte für ausgewählte Wirtschaftsflächen des Projekts NAWISWF einzusetzen. Auch ist auf Basis des Tools geplant, mögliche gemeinschaftliche Geschäftsmodelle der energetischen Versorgung für Wirtschaftsflächen abzuleiten.

Antonio Ierardi ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt NAWISWF im Fachbereich Energiewende und Transformationsgestaltung am Institut für Sektorenkopplung in der Energiewende (IfSK) an der Hochschule Hamm-Lippstadt.




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