Sonntag, 3. August 2025

Berchtesgadener LandVorbildlicher Energienutzungsplan

[28.01.2020] Der Kreis Berchtesgadener Land hat sich mit seinem digitalen Energienutzungsplan als Vorreiter in Bayern positioniert. Auf Basis der Erfahrungen der Kommune wurde im Frühjahr 2019 der Startschuss für die neue Generation der Energienutzungspläne im Freistaat gegeben.
Für jede der 15 kreisangehörigen Kommunen des Berchtesgadener Lands wurde ein Energienutzungsplan mit Maßnahmenkatalog zur Umsetzung konkreter Projekte erarbeitet.

Für jede der 15 kreisangehörigen Kommunen des Berchtesgadener Lands wurde ein Energienutzungsplan mit Maßnahmenkatalog zur Umsetzung konkreter Projekte erarbeitet.

(Bildquelle: MEV Verlag)

Fragen der Energieversorgung, der Umweltverträglichkeit und der Nachhaltigkeit werden mehr und mehr zum entscheidenden Standortfaktor – nicht nur für Unternehmer. Auch die Bürger erwarten von ihrer Gemeinde eine zeitgemäße und zukunftsweisende Energie- und Klimapolitik mit klimaschutzfreundlichen und regionalen Versorgungskonzepten. An dieser Stelle setzt der digitale Energienutzungsplan (ENP) als strategisches Planungsinstrument für Kommunen an. In diesem werden die momentane Energiebedarfs- und Energieversorgungssituation in einer Gemeinde oder einem Landkreis detailliert erfasst und darauf basierend konkrete Handlungsempfehlungen für eine klimaschutzfreundliche Energieversorgung vor Ort ausgearbeitet.

Energiewende vor Ort gemeinsam voranzutreiben

Der bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, Hubert Aiwanger, hat im Mai 2019 in einem Ministerschreiben alle Kommunen im Freistaat animiert, einen digitalen Energienutzungsplan aufzustellen und die Energiewende vor Ort gemeinsam voranzutreiben. Das bayerische Wirtschaftsministerium unterstützt die Gemeinden und Landkreise dabei im Rahmen des Förderprogramms Energienutzungspläne und übernimmt bis zu 70 Prozent der Kosten. Vorläufer und erstes Pilotprojekt in Bayern war der digitale Energienutzungsplan für das Berchtesgadener Land. Durch die hohe Detailschärfe und vollständige Flächendeckung konnten in der digitalen Energieplanung völlig neue Maßstäbe gesetzt werden: Das digitale 3D-Energiesystemmodell bildet jedes der 30.000 Gebäude im Landkreis detailliert ab und weist deren aktuellen Wärmebedarf und energetische Sanierungsoptionen aus.

Vollständiges Abbild der Energie-Infrastruktur

Auf Basis des gebäudescharfen Ist-Zustands können dann Potenziale zur Versorgung mit erneuerbaren Energien, wie Photovoltaik und Solarthermie oder oberflächennaher Geothermie ebenfalls gebäudescharf analysiert werden. Weiterhin beinhaltet der ENP ein vollständiges Abbild der Energie-Infrastruktur mit unter anderem Erzeugungsanlagen, Wärme- und Stromnetzen und weist Potenziale für deren Ausbau aus. Das ermöglicht eine ganzheitliche Erarbeitung optimaler Entwicklungspfade für die Energiewende vor Ort, die alle relevanten technischen, wirtschaftlichen und politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen einbezieht.
Auf Basis dieser umfassenden, digitalen Datengrundlage wurde für jede der 15 kreisangehörigen Kommunen ein Energienutzungsplan mit Maßnahmenkatalog zur Umsetzung konkreter Projekte erarbeitet und im Stadt- beziehungsweise Gemeinderat beschlossen. Besonders vielversprechende Projekte wurden technisch und wirtschaftlich detailliert betrachtet und für eine zeitnahe Umsetzung in den Kommunen aufbereitet.

Bereits zahlreiche Projekte umgesetzt

Die damalige bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner hob bei der Abschlusspräsentation im November 2017 die zukunftsweisende Bedeutung des Projekts für die Energiewende in den bayerischen Kommunen hervor: „Der Energienutzungsplan Berchtesgadener Land hat Vorbildcharakter und setzt Maßstäbe für alle weiteren Pläne.“
Knapp zwei Jahre nach Vorstellung des Energienutzungsplans sind im Berchtesgadener Land bereits zahlreiche Projekte mit einem Gesamtvolumen von mehr als zehn Millionen Euro in Planung oder erfolgreich umgesetzt. Ein Beispiel ist der Energieverbund in der Stadt Freilassing: Mehrere über das Stadtgebiet verteilte kommunale Liegenschaften werden strom- und wärmeseitig zu einem Areal vernetzt, das sich vollständig selbst mit Wärme und zum großen Teil auch mit Strom versorgt.

Städtische Grüngutabfälle verwerten

Das Rückgrat der Energieversorgung bilden zwei hochflexibel einsetzbare Klärgas-BHKW-Module, die ausgehend von der Kläranlage die Grundversorgung mit Strom und Wärme sicherstellen. Die BHKW können unterbrechungsfrei sowohl mit Klärgas als auch mit Erdgas in beliebigen Mischungen betrieben werden. Stromseitig speisen zusätzlich Photovoltaikanlagen auf den städtischen Liegenschaften in den Verbund ein. Auf der Wärmeseite ergänzt die Versorgung ein Biomassekessel, der für feuchte Einsatzstoffe geeignet ist, sodass auch städtische Grüngutabfälle verwertet werden können. Der Verbund wird so ausgeregelt, dass die Versorgung mit Strom und Wärme vorrangig aus den vor Ort vorhandenen Energieressourcen gedeckt wird und keine unnötige Rückspeisung ins öffentliche Netz erfolgt. Durch den Energieverbund können jährlich rund 320 Tonnen CO2 eingespart werden, gleichzeitig sinken durch die optimale Ausnutzung erneuerbarer Energien die Energiegestehungskosten.

Gebäudescharfen Informationen nutzen

Der Energienutzungsplan richtet sich jedoch nicht nur an Kommunen, sondern bietet auch einen direkten Mehrwert für alle privaten Hauseigentümer und Wirtschaftsbetriebe im Landkreis. Mit den gebäudescharfen Informationen aus dem Energienutzungsplan können alle Bürger unterstützt werden, die eine energetische Sanierung planen oder erneuerbare Energien für das eigene Gebäude nutzen möchten. So wird beispielsweise die kostenlose Energie-Erstberatung der Energieagentur Südostbayern im Landkreis durch die Analysen aus dem Energienutzungsplan deutlich gestärkt.
„Rückblickend kann ich sagen: Der Einsatz hat sich gelohnt. Denn dadurch ist ein wirklich umsatzorientiertes Konzept entstanden, das allen einen großen Nutzen bringt“, resümiert Georg Grabner, Landrat des Kreises Berchtesgadener Land.

Bayerischer Energiepreis 2018

Für ihren Energienutzungsplan erhielt die Kommune den Bayerischen Energiepreis 2018. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger betonte: „Die Energiewende gelingt nur durch eine effiziente Energieverwendung. Wir brauchen neue Ideen, wie wir die Energienutzung intelligent steuern“. Die Auszeichnung des Landkreises mit dem begehrten Preis in der Kategorie Kommunale Energiekonzepte begründet Ministerialdirigent Rudolf Escheu in seiner Laudatio folgendermaßen: „Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage: Das Gelingen der Energiewende steht und fällt mit dem Engagement unserer Kommunen. Deshalb ist uns diese Kategorie ein besonderes Anliegen, um damit kommunales Engagement zu würdigen. Der Landkreis Berchtesgadener Land ist mit dem Projekt Energienutzungsplan ein Gestalter der Energiewende par excellence. Er setzt mit allen kreisangehörigen Kommunen auf nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und arbeitet seit Jahren konsequent an der Umsetzung ehrgeiziger Klimaschutzziele.“

Gründung eines Energieeffizienz-Netzwerks

Die gemeinsame und abgestimmte Vorgehensweise der Kommunen im Berchtesgadener Land zeigt sich auch in der Gründung des Energieeffizienz-Netzwerks im Oktober 2018, das vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gefördert wird. In einer dreijährigen Zusammenarbeit erfolgt ein intensiver Erfahrungsaustausch mit gezielter Umsetzung der im Energienutzungsplan aufgezeigten Projektideen.
Der digitale Energienutzungsplan wurde vom Institut für Energietechnik IfE an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen ENIANO erarbeitet. Das Klimaschutz-Management des Landkreises Berchtesgadener Land hat die Erstellung maßgeblich unterstützt.

Interaktive Ausschreibungshilfe

Am 2. Mai 2019 gab Wirtschaftsminister Aiwanger gemeinsam mit Landrat Grabner den Startschuss für die neue Generation der Energienutzungspläne in Bayern: ENPonline ist ein Online-Leitfaden zur Ausschreibung und Erstellung von Energienutzungsplänen, das den Ausschreibungsprozess für Kommunen deutlich vereinfacht und standardisiert. Die neuen Standards der kommunalen Energieplanung für Bayern in Form von ENPonline basieren insbesondere auf den Erfahrungen des Energienutzungsplans Berchtesgadener Land. Nach diesem Vorbild soll künftig die Daten- und Planungsgrundlage für die Erstellung von Energienutzungsplänen im gesamten Freistaat nach einheitlichen Qualitätsstandards erarbeitet werden.

Maximilian Conrad ist Projektleiter Energienutzungsplan Berchtesgadener Land am Institut für Energietechnik IfE GmbH an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden; Manuel Münch ist Klimaschutz-Manager des Landkreises Berchtesgadener Land.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

Haushaltsentwurf 2026: Wenig Geld für klimaneutrale Energien

[31.07.2025] Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für das Jahr 2026 sieht zwar Rekordausgaben vor, doch nach Ansicht des Branchenverbands BDEW bleiben die Investitionen in ein klimaneutrales Energiesystem zu gering. BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae mahnt, den Klimatransformationsfonds ausschließlich für Zukunftsinvestitionen zu nutzen. mehr...

Bundesregierung: NIS2-Richtlinie beschlossen

[31.07.2025] Das Kabinett hat den Gesetzentwurf zur Umsetzung der NIS2-Richtlinie beschlossen. Damit gelten künftig für deutlich mehr Unternehmen als bisher gesetzliche Pflichten zur Stärkung der Cybersicherheit, zudem erhält das BSI neue Befugnisse für Aufsicht und Unterstützung. mehr...

bericht

NIS2-Richtlinie: Pflichtaufgabe für Stadtwerke

[31.07.2025] Die nationale Umsetzung der NIS2-Richtlinie kommt – und betrifft auch kleinere Stadtwerke. Sie müssen rechtzeitig prüfen, ob sie betroffen sind. Ansonsten drohen Zeitdruck, hohe Kosten und sogar Bußgelder. mehr...

Biogasrat+: Kritik an Referentenentwurf

[22.07.2025] Der Biogasrat+ kritisiert den Referentenentwurf zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote als klimapolitisch und wirtschaftlich unzureichend. Besonders die geplante Abschaffung der Doppelanrechnung fortschrittlicher Biokraftstoffe ab 2026 gefährde Investitionen und Erzeugungskapazitäten im Mittelstand. mehr...

Kommunen sollten bei der Wärmeplanung nicht mit Wasserstoff rechnen.

BDEW: Klare Finanzierung für Wasserstoffhochlauf

[14.07.2025] Das Bundeswirtschaftsministerium möchte den Ausbau von Wasserstoff schneller vorantreiben. Der Branchenverband BDEW begrüßt zwar den Gesetzentwurf, warnt aber zugleich vor Kürzungen der Mittel im Bundeshaushalt. Für Investitionen seien verlässliche Zusagen nötig. mehr...

Gesetzgebung: Beschleunigung für Wasserstoffprojekte

[14.07.2025] Der Entwurf des Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes liegt vor. Stellungnahmen dazu können bis zum 28. Juli 2025 eingereicht werden. mehr...

BWE: Bundestag verabschiedet Richtlinie

[14.07.2025] Der Bundestag hat am 10. Juli 2025 die vollständige nationale Umsetzung der EU‑Richtlinie RED III für die Windenergie an Land verabschiedet. Der Bundesverband WindEnergie (BWE) begrüßt die Schließung einer wichtigen Regelungslücke, kritisiert jedoch, dass das neue Gesetz hinter den europarechtlichen Möglichkeiten zur Genehmigungsbeschleunigung zurückbleibt. mehr...

Thüga: Studie warnt vor Kosten der Kraftwerksreserve

[11.07.2025] Ein staatlicher Eingriff in den Strommarkt könnte die Preise in die Höhe treiben. Eine neue Studie rechnet mit bis zu neun Prozent höheren Kosten und kritisiert die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung. mehr...

Prognos-Studie: Die Fernwärmeversorger müssen bis 2030 insgesamt 43

Kommunale Wärmeplanung: Verbände fordern klare Regeln

[10.07.2025] Große Städte in Deutschland müssen bis Mitte 2026 ihre Wärmeplanung abschließen. Das fordert das Gesetz. Doch für die Umsetzung braucht es laut Branchenverbänden mehr Geld, weniger Bürokratie und faire Regeln. Sonst bleiben die Pläne ohne Wirkung. mehr...

Bremen: Vertiefte Energiepartnerschaft mit EWE

[03.07.2025] Die Stadt Bremen und der Energieversorger EWE haben eine engere Zusammenarbeit bei der Energie- und Wärmewende vereinbart. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde jetzt unterzeichnet. Ziel ist eine sichere, klimaneutrale und bezahlbare Energieversorgung für die Region. mehr...

LENA: Veranstaltung zu Bürgerenergieprojekten

[23.06.2025] Bei einer Informationsveranstaltung in Rochau diskutierten über 50 Kommunalvertreter aus Sachsen-Anhalt die Chancen und Herausforderungen von Bürgerenergieprojekten. Besonders im Fokus stand die Frage, wie durch lokale Beteiligung und neue Leitlinien mehr Wertschöpfung vor Ort entstehen kann. mehr...

VSHEW: Kieler Wärmegipfel

[18.06.2025] Stadtwerke aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen treiben die Wärmewende voran. Beim Kieler Wärmegipfel des Verbands der Schleswig-Holsteinischen Energie- und Wasserwirtschaft zeigten sie, wie unterschiedlich lokale Lösungen aussehen können – und wo die Politik nachbessern soll. Schleswig-Holsteins Energieminister Tobias Goldschmidt sicherte Unterstützung zu. mehr...

LichtBlick: Millerntor-Stadion erhält PV-Anlage in Regenbogenfarben

[04.06.2025] FC St. Pauli und LichtBlick errichten auf dem Millerntor-Stadion die weltweit erste Solaranlage in Regenbogenfarben. Das Projekt verbindet erneuerbare Energie mit einer klaren Botschaft für Vielfalt und gesellschaftliche Offenheit. mehr...

interview

Interview: Die Politik muss schnell handeln

[02.06.2025] Kerstin Andreae spricht im stadt+werk-Interview über die Erwartungen der Branche an die neue Bundesregierung. Resilienz und Nachhaltigkeit seien wichtige Gründe, die Energiewende weiter voranzutreiben, sagt die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. mehr...

Wärmewende: Verbände fordern klare Regeln

[22.05.2025] Dreizehn Branchenverbände wenden sich mit einem Appell an die Bundesregierung. Sie verlangen Planungssicherheit, verlässliche Förderung und ein verständliches Gebäudeenergiegesetz. mehr...