Smart MeteringBereit zum Schalten?

IT-Systeme der Messstellenbetreiber werden immer wichtiger.
(Bildquelle: Pairat/stock.adobe.com)
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre machen sich inzwischen bemerkbar: Der massive Zubau von Photovoltaikanlagen sowie die zunehmenden Investitionen in Wärmepumpen und Elektromobilität bringen die Netze an ihre Grenzen und die Marktpreise werden immer weniger vorhersagbar. Aktuelle und zukünftige Gesetze und Novellen spiegeln dies wider. Sie nehmen die Versorger stärker in die Pflicht, erstens für Netzstabilität trotz hoher Volatilität von Einspeisung und Verbrauch zu sorgen (§14a EnWG „Steuern in der Niederspannung“) und zweitens die Verbraucher mehr einzubinden (§41a EnWG „Dynamische Tarife“).
In diesem Kontext werden insbesondere die IT-Systeme der Messstellenbetreiber (MSB) immer wichtiger. MSB sind die technischen Dienstleister, die über sichere Kanäle die Schnittstelle zu den technischen Einheiten auf Kundenseite herstellen. Verteilnetzbetreiber (VNB) und Lieferanten sind auf die Leistungen der MSB angewiesen, deren Verantwortung somit stetig steigt.
Zukünftig müssen auch größere Verbraucher, wie Wallboxen und Wärmepumpen, sowie Anlagen nach dem EEG und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ab einer Leistung von sieben Kilowatt (kW) netzdienlich geschaltet werden. Es liegt auf der Hand, dass MSB und VNB zur Steuerung und Schaltung von perspektivisch Millionen flexibler Erzeuger und Lasten in der Niederspannungsebene massendatenfähige, gut skalierbare und BSI-konforme IT-Systeme zum Messen, Überwachen und Regeln benötigen, die ohne manuelle Eingriffe rund um die Uhr zuverlässig arbeiten.
Viele Herausforderungen
Ab dem 1. Januar 2026 müssen Netzbetreiber die Steuerbarkeit der oben genannten Anlagen nachweisen können (§12 EnWG). Sie benötigen ein Niederspannungscockpit und ein Flexibilitätsmanagementsystem, aus dem heraus bei Engpässen Schalthandlungen initiiert werden, die der MSB durchführen muss.
Da Netzbetreiber (und Lieferanten) diese Controllable Local Systems (CLS) nicht direkt schalten können, sind sie auf einen funktionierenden Messstellenbetrieb angewiesen. Sie beantragen deshalb über einen Universalbestellprozess die Schaltprodukte des MSB – dies kann der eigene, grundzuständige MSB sein, gerade bei PV-Anlagen ist es aber oft auch ein wettbewerblicher MSB.
Im Universalbestellprozess kommunizieren Netz- und Messstellenbetreiber mithilfe von Objekten wie Netzlokationen, Steuerbare Ressourcen und Technische Ressourcen. Voraussetzung für die Durchführung der angefragten Schalthandlungen ist offensichtlich, dass der MSB die betreffenden intelligenten Messsystene (iMSys) und die technischen Komponenten zum Schalten/Dimmen eingebaut (derzeit sind es vor allem FNN-konforme Steuerboxen) und in sein CLS-Managementsystem eingepflegt hat. Die Fristen zum Nachrüsten sind teilweise sehr kurz.
Die Schalthandlung selbst wird dann vom VNB über die neue BDEW-AP ausgelöst, man spricht hier auch von der schnellen Mako. Damit der Kommunikationsprozess abgesichert erfolgt, müssen alle Marktpartner in einem Hardware-Sicherheitsmodul Schlüssel erzeugen und sich für diesen neuen Prozess in der Smart-Meter-PKI registrieren – erst dann ist die Kette vom Niederspannungs-Cockpit des VNB über das CLS-Managementsystem des MSB und das Smart Meter Gateway sicher geschlossen und der Test möglich. Die Abschaltung im Auftrag der Lieferanten oder Direktvermarkter wird zukünftig analog erfolgen.
Zukunftsfähige IT-Systeme
Ein CLS-Managementsystem muss die Identifikation der an einer Steueraktion beteiligten Gateways und Steuerboxen sowie eine Schnittstelle zur Gateway-Administration zum Aufbau des CLS-Kanals enthalten. Darüber hinaus muss hier die Koordination von widersprüchlichen Schaltbefehlen erfolgen, die von Netzbetreibern und Lieferanten angefordert werden könnten. Befehle des Netzbetreibers müssen dabei offensichtlich immer Vorrang gegenüber Befehlen der Lieferanten haben, damit die Netze stabil bleiben. Und nicht zuletzt gehören das Monitoring der Prozesse sowie die Dokumentation der durchgeführten (und abgelehnten) Schalthandlungen zu den Aufgaben des MSB.
Diese Prozesse müssen in kurzen Zeitfenstern von wenigen Sekunden ablaufen. Und das auch massenweise: Möglicherweise erfolgen Tausende an individuellen Ad-hoc-Steuerbefehlen anstatt weniger Broadcast-Rundsteuersignale und müssen innerhalb von Minuten BDEW- und BSI-konform durchgeführt werden können. Das bedeutet, dass die Systeme des grundzuständigen MSB von denen des VNB vollständig getrennt sein müssen.
Hohe Datenintegrität
Am zukunftssichersten und schnellsten sind deshalb dedizierte MSB-Lösungen, die neben einer eigenen Stammdatenhaltung auch ein CLS-Management und eine Gateway-Administration umfassen. Ein MSB-Cockpit deckt nicht nur eine hohe Automatisierung und die Massenverarbeitung rund um die Uhr an allen Tagen der Woche ab, sondern liefert auch die geforderte hohe Datenintegrität. Es unterstützt dabei, Fehler und Inkonsistenzen bei Schalthandlungen mit potenziell gravierenden Folgen für Netz und Markt zu vermeiden.
Die vom BSI geforderte IT-Sicherheit über die gesamte Prozessstrecke erfordert unter anderem spezielle – und teure – Hardware-Sicherheitsmodule, stets aktuelle Zertifikate der Marktpartner und bestimmte Sicherheitsvorkehrungen in den Prozessabläufen. Für EVU, die keine eigenen zertifizierten Rechenzentren mit Hardware-Sicherheitsmodulen haben, empfiehlt sich die Nutzung eines Software-as-a-Service-Betriebs bei einem Cloudanbieter mit zertifiziertem Rechenzentrum und Informationssicherheits-Managementsystem. So können EVU nicht nur Kosten sparen, sondern auch die Verantwortung in puncto Sicherheit weitgehend abgeben. Die IT-Experten des Lösungsanbieters kümmern sich um die Wartung und Pflege der Systeme sowie Updates (Software und Hardware), sodass die Lösungen immer aktuell und sicher sind.
Messstellenbetreiber können so die Vorgaben zeitnah und mit geringer Einstiegshürde umsetzen und die Lösung einhergehend mit dem Smart Meter Roll-out sukzessive ausbauen. Auch Mehrwertdienstleistungen und Submetering lassen sich über solche Lösungen durchführen.
So geht es weiter
Für Messstellenbetreiber empfiehlt es sich, so früh wie möglich auf dedizierte, leistungsstarke und vollautomatisierte IT-Lösungen zu setzen, um die geforderten schnellen Reaktionszeiten zu erfüllen, die sehr bald mit dem Steuer-Roll-out erforderlich werden. Ein solches MSB-Cockpit bildet das Herzstück der neuen Steuerprozesse, die es zukunftsfähig und unternehmensindividuell umzusetzen gilt.
Die dadurch entstehende Mess-, Steuer- und IT-Infrastruktur ist die Basis für weitere zukünftige netz- und marktdienliche Anwendungen, von denen viele Akteure profitieren können, darunter die Energieversorger, die Bürgerinnen und Bürger sowie die Industrie. Mögliche Anwendungen sind die Flexibilisierung von Erzeugern, virtuelle Kraftwerke der nächsten Generation, Demand Side Management zur Eigenverbrauchsoptimierung, Netzentgeltreduktion, Energiebezugskostenoptimierung sowie die Integration eigener Flexibilitäten in das Lastmanagement, zum Beispiel in der Industrie.
Der Beitrag ist in der Ausgabe Juli/August 2025 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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