Sonntag, 10. August 2025

AmpaCityDer Strom fließt stadtwärts

[27.03.2015] Ein Großteil der Erneuerbare-Energien-Anlagen befindet sich auf dem Land. Der Verbrauchsschwerpunkt liegt jedoch in Städten wie Essen. Dort kommt jetzt dank des weltweit längsten Hochtemperatur-Supraleitkabels mehr Strom an als mit konventionellen Kabeln.
In Essen kommt das weltweit längste Hochtemperatur-Supraleitkabel zum Einsatz.

In Essen kommt das weltweit längste Hochtemperatur-Supraleitkabel zum Einsatz.

(Bildquelle: RWE Deutschland)

Die Energiewende ist ein Mammutprojekt, das viele technologische und wirtschaftliche Herausforderungen mit sich bringt. Um diese zu stemmen, müssen auf drei Feldern entsprechende Maßnahmen ergriffen werden: dem intelligenten Ausbau erneuerbarer Energien, dem Umbau der Stromnetze und der Energieeffizienzsteigerung. Lange Zeit stand der Ausbau erneuerbarer Energien im Fokus. Egal, ob Windkraft, Photovoltaik oder Biomasse, es wurden Alternativen zur konventionellen Energieerzeugung geschaffen. Dabei vollzieht sich der Ausbau erneuerbarer Energien vor allem im Stromverteilnetz. Dort sind etwa 97 Prozent aller Anlagen für erneuerbare Energien angeschlossen. Ende 2012 entsprach das der Anzahl von mehr als 1,3 Millionen Anlagen, vornehmlich in der Photovoltaik und der Windkraft. Mit einer installierten Leistung über 70.000 Megawatt stellen die Anlagen das Stromnetz vor große Herausforderungen.Früher wurde Energie nur in eine Richtung transportiert – von den Großkraftwerken zum Endverbraucher. Lastszenarien konnten nahezu für mehrere Jahre vorausgesagt werden. Heute ändern sich die Szenarien stündlich oder sogar minütlich. Wetterabhängig speisen Millionen Photovoltaikanlagen und Windräder dezentral Energie in die Verteilnetze ein. Die Folge: Der Strom fließt bidirektional durch die Kabel. Aus der traditionell als Einbahnstraße funktionierenden Stromversorgung hat sich eine Straße mit Gegenverkehr entwickelt. Insbesondere auf dem Land, wo ein Großteil der Erneuerbare-Energien-Anlagen installiert und angeschlossen wird, sind leistungsstärkere Netze unverzichtbar. Die Verbrauchsschwerpunkte liegen aber in den Städten. Ist der Strom in den Ballungsräumen angekommen, muss er auch dort sicher und verlustfrei verteilt werden.

Supraleitende Kabel

Das Projekt AmpaCity bietet eine innovative Lösung und könnte zum Vorbild für die innerstädtische Stromversorgung werden: Auf einem Kilometer Länge hat RWE zusammen mit dem Kabelhersteller Nexans in Essen das weltweit längste Hochtemperatur-Supraleiterkabel (HTS) gelegt. Insgesamt 13,5 Millionen Euro werden für das Projekt AmpaCity aufgewendet. Davon trägt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) 5,9 Millionen Euro. Um Bürger, Gewerbetreibende und Industrie in Essen sicher mit Energie zu versorgen, sind im gesamten städtischen Bereich mehrere Spannungsebenen nötig. Die Energie gelangt über klassische 110-Kilovolt-Kupfer- oder Aluminiumkabel in die Stadt, wodurch Übertragungsverluste so gering wie möglich gehalten werden können. #bild2Das führt dazu, dass Hochspannungsleitungen in einer Großstadt wie Essen bis ins Zentrum geführt werden. Erst dort reduzieren raumgreifende Umspannanlagen die Spannung auf 10.000 Volt (10 kV). Supraleitende Mittelspannungskabel haben das Potenzial, die gewohnten Strukturen zu ändern. Dank ihrer hohen Stromtragfähigkeit bei sehr kompakten Abmessungen können neue und flexible Netzstrukturen realisiert werden. Die neue Leitungstechnologie transportiert bei gleichem Durchmesser auf der 10 kV-Ebene etwa fünf Mal mehr Strom als ein konventionelles Kabel. Je mehr konventionelle Hochspannungskabel durch supraleitende Kabel ersetzt werden, desto häufiger können die dazugehörigen Umspannanlagen an den Stadtrand verschoben werden. In Essen wären bei einem weiteren Ausbau der HTS-Technologie vier von zehn Umspannanlagen hinfällig. Im Stadtkern könnten somit hochattraktive Immobilienflächen entstehen.

Besser gekühlt

Das System eines Hochtemperatur-Supraleiters setzt sich im Wesentlichen aus drei Komponenten zusammen: einem supraleitenden konzentrischen Kabel samt Endverschlüssen und Verbindungsmuffe sowie einem supraleitenden Strombegrenzer und einer Kühlanlage, die über flüssigen Stickstoff das gesamte System auf bis zu minus 200 Grad Celsius herunterkühlen kann. Nur bei einer solchen Temperatur ist es möglich, Strom nahezu verlustfrei zu transportieren. Der flüssige Stickstoff zirkuliert als Kühlmittel in einem geschlossenen Kreislauf durch das gesamte Kabelsystem. Um das Supraleiterkabel in das konventionelle Mittelspannungsnetz zu integrieren, sind spezielle Endverschlüsse notwendig, die das Verbindungsstück zur jeweiligen Umspannanlage bilden. Dort baut sich der Temperaturgradient des Kühlmediums in Bezug zur Umgebungstemperatur so weit ab, dass der Übergang vom Supraleiter zum herkömmlichen Kabel realisierbar ist. Auch die Anbindung des Kabels an die Kühlanlage erfolgt über einen Endverschluss. In das HTS-Kabelsystem ist zudem ein supraleitender Strombegrenzer integriert. Er schützt Kabel und nachgelagerte Betriebsmittel vor hohen Belastungen, etwa bei Kurzschlüssen. Der Strombegrenzer wird wie das Supraleiterkabel von einer Kühlanlage mit flüssigem Stickstoff versorgt, um die erforderliche Betriebstemperatur zu halten.

Pionierprojekt mit Zukunft

Das Supraleiterkabel wird insgesamt zwei Jahre lang im realen Netzbetrieb getestet. Der Test soll zeigen, ob sich der Einsatz des Kabels aus technischer und wirtschaftlicher Sicht lohnt. Das Bundeswirtschaftsministerium und alle Projektpartner verfolgen mit großem Interesse den Fortgang dieses Feldversuchs. Die Herausforderungen bestehen darin, die Produktionskosten für supraleitende Drähte und Kabel zu senken, sowie die Robustheit der Kühltechnik zu verbessern. Das Supraleiterkabel ist seit rund zehn Monaten erfolgreich innerhalb des Essener Stromnetzes in Betrieb und hat bereits rund 40 Millionen Kilowattstunden Energie transportiert. Das Pionierprojekt AmpaCity sendet damit ein deutliches Signal: Die Industrialisierung der Supraleitertechnologie hat begonnen.

Dr. Frank Merschel

Dr. Merschel, FrankDr. Frank Merschel studierte Energietechnik und ist seit 1988 in verschiedenen Aufgabengebieten des RWE-Konzerns tätig. Als Koordinator im Bereich Verteilnetze ist er Projektleiter von AmpaCity. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und seit 2010 Lehrbeauftragter der Leibniz Universität. Im DKW-Komitee K411 ist er zudem stellvertretender Obmann.

Stichwörter: Energieeffizienz, RWE, AmpaCity


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