Dienstag, 22. Juli 2025

Künstliche IntelligenzEinsatz mit Bedacht

[21.07.2025] Die Hamburger Energienetze wollen die Chancen der Künstlichen Intelligenz nutzbar machen, behalten aber auch mögliche Risiken im Blick. Als wichtige Erfolgsfaktoren erweisen sich die Beteiligung des Betriebsrats und der enge Schulterschluss mit Rechts- und Ethikfachleuten.

Die Hamburger Energienetze wollen die Chancen der Künstlichen Intelligenz nutzbar machen, behalten aber auch mögliche Risiken im Blick.

(Bildquelle: tadamichi/stock.adobe.com)

Künstliche Intelligenz (KI) kann dabei helfen, Aufgaben schneller, umfassender und einfacher abzuwickeln. Ihr Einsatz birgt aber auch Risiken. Zudem gibt es Vorbehalte bei den potenziellen Nutzern: Während junge Menschen in der Regel schnell und gerne neue Technologien aufgreifen und sich für deren Möglichkeiten begeistern, sind erfahrene Semester zurückhaltender. Das können die Hamburger Energienetze bei ihren Fachkräften beobachten. Geht es um KI, sind es eher die langjährigen Mitarbeiter, die mit gemischten Gefühlen in die USA blicken, wo Präsidentenerlasse sozusagen die Schleusen geöffnet haben. Alles, was geht, scheint dort zum Motto der IT-Unternehmen bei der KI-Entwicklung zu werden. Die Bewertung künftiger Konsequenzen tritt in den Hintergrund.

Den Bürgerinnen verpflichtet

Als Unternehmen der Freien und Hansestadt sind die Hamburger Energienetze hingegen den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. Entsprechend setzt der Netzbetreiber Künstliche Intelligenz ein. Er will deren Chancen zwar nutzen, behält aber stets die Folgen und Risiken im Blick. Damit Belegschaft und Kunden den Weg in die KI-Welt mitgehen, spielt außerdem die Transparenz eine wichtige Rolle.

Ende 2024 ist der Netzbetreiber Mitglied der Responsible AI Alliance (RAI) geworden, einer Initiative der Hamburger Wirtschaftsbehörde zum verantwortungsvollen Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Die RAI ist ein guter Sparringspartner in allen KI-Fragen. Beispielsweise entwickelt sich der European AI Act seit seinem Inkrafttreten im August 2024 kontinuierlich weiter und enthält neben Compliance-Regeln mittlerweile auch Anforderungen an die KI-Kompetenz in den Unternehmen. Deren Anwendung ist in vielen Details interpretationsbedürftig. Nichtsdestotrotz sollen die Fachteams in Hamburg stets auf einem aktuellen Wissensstand sein. Die RAI-Mitgliedschaft ermöglicht hierzu den engen Austausch mit anderen Hamburger Unternehmen, wo Datenschutz- und Ethikfachleute dabei helfen, mögliche Risiken des KI-Einsatzes zu erkennen und im Vorfeld zu bewerten. Als Betreiber Kritischer Infrastrukturen schauen die Energienetze umso genauer hin: Für das städtische Unternehmen zählen die Diskriminierungsfreiheit, der Schutz persönlicher oder sensibler Unternehmensdaten sowie die sozialen Folgen des KI-Einsatzes zu den besonders relevanten Themen.

KI fokussiert einsetzen

Aktuell setzt die KI-Strategie der Hamburger Energienetze auf drei Anwendungsfelder. Zum einen wird die Back-End-KI viele Rechenprozesse ablösen, in denen jetzt noch einfache Algorithmen im Einsatz sind. Dazu zählen unter anderem Ersatzwertbildungen, wenn beispielsweise keine Zähler­ablesedaten zu beschaffen sind. Zum anderen wird datengetriebenes maschinelles Lernen an vielen Stellen helfen, aus großen Datenmengen zuverlässige Prognosen zu erstellen. Letztere brauchen die Hamburger, um die Transformation ihrer Netze und Anlagen gezielt an den künftigen Anforderungen der Energiewende auszurichten.

Am weitesten vorangeschritten ist in Hamburg die Entwicklung von Bots im Wissensmanagement. Davon sollen zum einen die Kundinnen und Kunden profitieren, indem sie bei wiederkehrenden Fragen zu Anschlüssen, Zählern oder Aufträgen sofort Auskunft erhalten. Zu diesem Zweck soll im Herbst 2025 auf der Website des Netzbetreibers ein KI-gestütztes Tool eingeführt werden. Um einen herkömmlichen Chatbot handelt es sich dabei nicht. Vielmehr erhalten die Bürgerinnen und Bürger einen virtuellen Assistenten, der komplexere Fragen beantworten, Dokumente bereitstellen und Routineaufgaben wie Zählerstandseingaben direkt im Dialog abwickeln kann.

Der Bot wird auf einen begrenzten und abgeschotteten Datenpool zugreifen. Bei Fragen, zu denen das Unternehmen keine Antworten geben kann – etwa zu politischen Aussagen oder zur Bewertung von anderen Unternehmen –, soll der Bot schweigen. Seine generative Funktionalität wird entsprechend programmiert. Vor missbräuchlichen Eingaben etwa bei den Gas- und Stromzählerständen soll die Abfrage von Zähler- und Kundennummern schützen.

Interne Lösungen

Ähnliche Bots entwickeln die Hamburger für interne Bereiche, in denen der schnelle Zugriff auf große Informationspools nötig ist. Die Bots können beispielsweise technische Regelwerke für Strom und Gas schnell und zuverlässig zusammenfassen. Gleiches gilt für Betriebsvereinbarungen oder tarifliche Regelungen, die in der Personalabteilung für die Beantwortung von Bewerberfragen benötigt werden. Die KI darf dabei keinesfalls auf personenbezogene Daten zugreifen. Entsprechende Fragen diskutiert das Unternehmen stets umfassend in seinen Beiräten zu IT-Anwendungen, in denen die Mitarbeitendenvertretung mit am Tisch sitzt. Das soll nicht zuletzt dem Vertrauen in die KI-Systeme zugutekommen.

Anfang 2024 hat der städtische Netzbetreiber mit ChatAI außerdem eine unternehmensinterne Variante von ChatGPT eingeführt. Die Mitarbeitenden können hier ihr Problem prompten und erhalten daraufhin einen Text mit Anregungen und Ideen. Teilweise wird auch eine konkrete Lösung beschrieben. Solche Ersterfahrungen mit KI können einen wichtigen Beitrag leisten, Vorbehalte abzubauen und den persönlichen Nutzen der Technologie zu erkennen.

Fachkräftebedarf runterfahren

In Summe soll es die KI in Hamburg ermöglichen, aufwendige Routineaufgaben schneller und mit geringerem Ressourcenverbrauch zu erledigen. Die Mitarbeiter könnten sich in der Folge auf komplexere Aufgaben konzentrieren. Dies würde den zusätzlichen Bedarf an Fachkräften dämpfen, der durch die steigenden Anforderungen und Arbeitsmengen rund um die Transformation der Energie-Infrastruktur entsteht. Hoher Kostendruck und der Fachkräftemangel erschweren es zunehmend, diesen Mehraufwand zu bewältigen.

Nicht vergessen werden darf bei all dem die digitale Souveränität. Um Unabhängigkeit, Sicherheit und Privatsphäre aufrechterhalten zu können, muss das Unternehmen immer die Kontrolle über die eigenen digitalen Daten, Technologien und Infrastrukturen behalten.


Der Autor, Dr. Peter WolfframGeschäftsführer Dr. Peter Wolffram leitet seit Dezember 2024 das Ressort Unternehmen und Kunde bei den Hamburger Energienetzen. Zu seinen zentralen Aufgaben zählen die Transformation und Digitalisierung des Netzgeschäfts.



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