H2DirektHeizen mit H2
Die Energie- und Wärmewende geschieht vor Ort – dafür braucht es mutige Umsetzungsprojekte als Basis für den Wasserstoff-Hochlauf in Deutschland. In der bayerischen Gemeinde Hohenwart wird es konkret: Hier stellen der Stadtwerke-Verbund Thüga und Energie Südbayern (ESB) einen Netzabschnitt der Energienetze Bayern (ENB) mit zehn Haushalten und einem Gewerbekunden auf 100 Prozent Wasserstoff um. Vergleichbares gibt es bislang nicht in Deutschland. H2Direkt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und ist als Cluster im TransHyDE-Projekt „Sichere Infrastruktur“ Teil der Wasserstoff-Leitprojekte des BMBF.
Mit dem Pilotprojekt zeigen Thüga und seine Partner, wie die 511.000 Kilometer an Gasleitungen in Deutschland zukünftig genutzt werden können und müssen. Denn die Umstellung der Netze auf erneuerbare Gase drängt: Die Klimaziele 2045 und – in Anbetracht der geopolitischen Lage – die Versorgungssicherheit zwingen zum raschen Abschied von fossilen Energieträgern. Grüner Wasserstoff bietet hier eine klare Perspektive. Als Ergebnis des Forschungsvorhabens entsteht ein Leitfaden für die Umstellung von Bestandsnetzen. Was H2Direkt in kleinem Maßstab demonstriert, kann als Blaupause für eine dekarbonisierte Wärmeversorgung in ganz Deutschland dienen.
Netz im Inselbetrieb
Die Umsetzung und technische Betreuung des Feldtests vor Ort liegt bei Energie Südbayern (ESB). Als direkter Ansprechpartner der Testhaushalte übernimmt ESB zudem Vertragliches und die Abrechnung. Energienetze Bayern ist die Netzgesellschaft im Unternehmensverbund der ESB und der größte regionale Gasverteilnetzbetreiber in Südbayern. Thüga, eine Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft mit kommunaler Verankerung, unterstützt mit konzeptioneller und operativer Fachexpertise und Erfahrungen aus vorherigen Forschungsprojekten zur Umstellung von Verteilnetzen auf Wasserstoff. Dazu kommen als Kooperationspartner Vaillant sowie als wissenschaftliche Dienstleister das Forschungsinstitut DVGW-EBI und die keep it green GmbH.
Für den Feldtest wählte die ENB das Siedlungsgebiet Am Kerschberg II in Hohenwart aus, da dieser Netzabschnitt relativ jung ist und sich gut im Inselbetrieb managen lässt. Hierfür wird ein Teil des bestehenden Erdgasnetzes vom Rest abgetrennt und separat mit Wasserstoff versorgt – ohne vorhandene Rohre auszutauschen. Ziel ist die Einspeisung von regionalem grünen Wasserstoff, den Lkw mit Tubetrailern anliefern. Vor Ort werden zwei redundante Trailerstationen mit Druckreduzierung sowie eine Odorieranlage installiert.
Die zehn Testhaushalte und ein Gewerbebetrieb sollen ab Herbst 2023 für 18 Monate mit reinem Wasserstoff heizen. Dazu hat ENB zunächst den Bestand an Inneninstallationen sowie die technischen Gegebenheiten bei den Haushalten vor Ort aufgenommen. Für eine Umstellung auf 100 Prozent H2 müssen die vorhandenen Gasthermen ausgetauscht werden, da handelsübliche Brennwertthermen und -kessel nur mit bis zu 20 Prozent Wasserstoffbeimischung umgehen können. Die neuen, hochmodernen H2-Brennwertgeräte liefert und verbaut der Kooperationspartner Vaillant. Auch Komponenten wie Zähler, Gasdruckregelgeräte, Gasströmungswächter und Hauseinführungskombinationen werden – falls nötig – ausgetauscht.
Projekteigenes Kommunikations- und Partizipationskonzept
H2Direkt bewertet die Zuverlässigkeit und Lebensdauer von Verteilnetzen im Betrieb mit 100 Prozent Wasserstoff. Außerdem wird eine Gas-Sensorik erprobt und es entstehen ein geprüftes Sicherheitskonzept sowie ein Mess- und Abrechnungssystem für Wasserstoff. Thüga, ESB und ENB bündeln alle technischen und organisatorischen Prozesse und Erfahrungen in einem Leitfaden, der einen allgemeingültigen Umstellungspfad der Gasinfrastruktur auf Wasserstoff darstellt. Davon profitieren nicht nur die 100 kommunalen Unternehmen aus der Thüga-Gruppe, sondern alle Energieversorger, die ihre Gasinfrastruktur zukunftssicher aufstellen.
Jenseits der technischen Ebene ist ein derart innovatives Vorhaben wie H2Direkt nur realisierbar, wenn die Gemeinde sowie die Bürgerinnen und Bürger offen für neue Ansätze sind und das Projekt unterstützen. Deshalb wurde für H2Direkt ein eigenes Kommunikations- und Partizipationskonzept für die Ansprache der Endkunden entwickelt. In Hohenwart zeigen sich die Anwohnenden sehr aufgeschlossen dafür, selbst als Wasserstoff-Pioniere zur Energiewende beizutragen. Auch der Bürgermeister der Gemeinde steht als erklärter Verfechter der Energiewende hinter dem zukunftweisenden Projekt. Neben Klimaschutz geht es ihm dabei auch um eine dezentrale, sichere Energieversorgung.
Nun ist die Politik am Zug
Neben konkreten Umsetzungsprojekten wie H2Direkt braucht es auf Bundesebene die richtigen politischen Weichenstellungen für den raschen Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft. Im Fokus der Verteilnetzbetreiber steht vor allem die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen durch das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur.
Die erste Etappe hin zu klimaneutralen Gasnetzen hat die Branche dabei bereits zurückgelegt: Mit dem Konzept des Hydrogen Backbone und – ganz aktuell – den Gasnetzgebietstransformationsplänen der Gasverteilnetzbetreiber hat die Branche die nächsten Planungsschritte für die Transformation skizziert. Für die Umsetzung braucht es nun die Unterstützung der Politik: eine gemeinsame Regulierung von Methan- und H2-Netzen und die Anerkennung der vergleichsweise überschaubaren Investitionskosten in die Transformation der Netzinfrastruktur. Gleichzeitig gilt es jetzt, die Genehmigungsverfahren für den Ausbau erneuerbarer Energien zu straffen und den Ausbau zentraler und dezentraler Power-to-Gas-Anlagen finanziell zu fördern.
https://www.esb.de
https://www.markt-hohenwart.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe November/Dezember 2022 von stadt+werk im Schwerpunkt Wasserstoff erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Thüringen: Konferenz zur Umstellung auf Wasserstoff
[13.11.2025] Thüringen soll ein zentraler Baustein im entstehenden deutschen Wasserstoffnetz werden. Bei der zweiten gemeinsamen Konferenz in Erfurt zeigten die Netzbetreiber Ferngas, Gascade und TEN, wie sie ihre Gasleitungen Schritt für Schritt auf Wasserstoff umstellen und die Versorgung im Freistaat sichern wollen. mehr...
Bundesrechnungshof: Wasserstoffstrategie gefährdet
[05.11.2025] Der Bundesrechnungshof sieht die Umsetzung der deutschen Wasserstoffstrategie weit hinter den Zielen zurück und warnt vor massiven Risiken für Energiewende, Industriestandort und Bundesfinanzen. Trotz Milliardenförderung drohen Preisprobleme, Infrastrukturfehler und zusätzliche Emissionen. mehr...
Voerde: RWE plant wasserstofffähiges Gaskraftwerk
[29.10.2025] RWE will am ehemaligen Kraftwerksstandort in Voerde ein wasserstofffähiges Gaskraftwerk mit 850 Megawatt Leistung errichten. Das Projekt soll zur Versorgungssicherheit beitragen und Voerde als Energieerzeugungsstandort erhalten. mehr...
Hamburger Energienetze: Südlicher Abschnitt von HH-WIN genehmigt
[29.10.2025] Die Hamburger Energienetze haben die Genehmigung für den südlichen Abschnitt des Wasserstoff-Industrie-Netzes HH-WIN erhalten. Damit kann Hamburg künftig direkt an das deutsche Wasserstoff-Kernnetz angeschlossen werden. mehr...
Hamburger Energienetze: HH-WIN Kapazitäten reservieren
[22.10.2025] Ab Anfang 2026 können Industrieunternehmen in Hamburg erstmals Wasserstoff-Kapazitäten im künftigen Netz HH-WIN reservieren. Damit schafft der Betreiber Hamburger Energienetze Planungssicherheit für den Wasserstoff-Hochlauf ab 2027. mehr...
Energy Sharing: H2 selbst erzeugen
[20.10.2025] Der stockende Wasserstoffhochlauf eröffnet Kommunen Chancen: Mit Photovoltaikstrom von eigenen Dachflächen und Energy Sharing lassen sich Elektrolyseure wirtschaftlich betreiben, Wasserstoff für Busse und Betriebe erzeugen und die regionale Wertschöpfung sichern. mehr...
BMWE: Entwurf für Wasserstoff-Beschleunigungsgesetz verabschiedet
[06.10.2025] Die Bundesregierung will den Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur beschleunigen. Das Kabinett hat dazu einen Gesetzentwurf beschlossen, der Verfahren vereinfacht, digitalisiert und rechtlich absichert. mehr...
Stadtwerke Bayreuth: Elektro statt Wasserstoff
[02.10.2025] Die Stadtwerke Bayreuth beenden ihr geplantes Wasserstoffprojekt für den Stadtbusverkehr. Stattdessen setzen sie künftig auf batterieelektrische Busse, deren Reichweiten inzwischen deutlich gestiegen sind. mehr...
BMWE: Förderaufruf für Wasserstoffprojekte gestartet
[30.09.2025] Das Bundeswirtschaftsministerium hat den zweiten Förderaufruf für internationale Wasserstoffprojekte gestartet. Unternehmen können bis 18. Dezember 2025 Projektskizzen einreichen, um bis zu 30 Millionen Euro Förderung zu erhalten. mehr...
Wasserstoff: Vom Hochlauf keine Spur
[29.09.2025] Der viel beschworene Wasserstoffhochlauf ist in Deutschland bislang nicht in Sicht, viele Projekte liegen derzeit auf Eis. Die Gründe: fehlende wirtschaftliche Perspektiven, unsichere regulatorische Rahmenbedingungen und eine geringe Nachfrage aus der Industrie. mehr...
Wasserstoffkernnetz: Bremen soll Anschluss erhalten
[29.09.2025] Ab 2027 ist Bremen direkt ans deutsche Wasserstoffkernnetz angeschlossen. Mit der Pipeline Hyperlink entsteht eine zentrale Verbindung, die den Nordwesten mit den großen Industrie- und Verbrauchszentren verbindet. mehr...
Lingen (Ems): Studie empfiehlt Wasserstoffstrategie
[24.09.2025] Die Stadt Lingen (Ems) möchte sich stärker als Wasserstoffregion positionieren. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) enthält dazu konkrete Vorschläge. mehr...
Fraunhofer IEG: Elektrolyse mit Wärmepumpe in Zittau
[12.09.2025] In Zittau wurde eine neue Versuchsanlage zur Wasserstoffproduktion eingeweiht. Diese kombiniert erstmals einen Elektrolyseur mit einer Wärmepumpe, welche die Abwärme ins Fernwärmenetz einspeist. mehr...
Zeppelin Power Systems: Brennstoffzellen-Stromaggregat versorgt Festival
[10.09.2025] Auf dem Festival „Sandstedter Sommer“ kam erstmals ein Brennstoffzellen-Stromaggregat von Zeppelin Power Systems zum Einsatz. Mit grünem Wasserstoff aus Bremerhaven wurde das Festival drei Tage lang zuverlässig, emissionsfrei und nahezu geräuschlos versorgt. mehr...
ABO Energy: Strategische Partnerschaft mit Hydropulse
[29.08.2025] ABO Energy und die ITM-Power-Tochter Hydropulse haben eine Partnerschaft geschlossen, um gemeinsam dezentrale Wasserstoffproduktionsanlagen zu entwickeln. Ziel ist es, Industriekunden eine verlässliche Versorgung mit grünem Wasserstoff zu bieten, ohne dass diese selbst investieren müssen. mehr...
















