Montag, 18. August 2025

BürgerbeteiligungIm Dialog zum Klimaschutz

[25.02.2020] Wie hoch ist die Bereitschaft der Bevölkerung, Einschränkungen für den Klimaschutz hinzunehmen? Diese Frage kann mit Online-Beteiligungsformaten geklärt werden. Durch die Einbindung der Bürger steigt zudem die Akzeptanz.
Beteiligungsplattform der Stadt Friedrichshafen: Der Klimawandel bewegt Bürger und Kommunen.

Beteiligungsplattform der Stadt Friedrichshafen: Der Klimawandel bewegt Bürger und Kommunen.

(Bildquelle: www.friedrichshafen.sags-doch.de)

Seitdem Konstanz im Mai 2019 als erste Stadt in Deutschland den Klimanotstand ausgerufen hat, folgen viele Kommunen diesem Beispiel. Damit wird zunächst einmal eine akute und gegenwärtige Gefahr durch den Klimawandel anerkannt; folglich müssen alle Beschlüsse der Stadt in Zukunft auf ihre Klimaneutralität hin geprüft werden. Doch das stellt die Kommunen zugleich vor eine große Herausforderung. Wer einen umfassenden und ernst gemeinten Klimaschutz betreiben will, muss mitunter auch unbeliebte Entscheidungen treffen.
Für die Kommunen ist es in dieser Situation meist schwierig, einzuschätzen, wie weit die Bereitschaft der Bevölkerung geht, Einschränkungen für den Klimaschutz hinzunehmen. Ein enger Dialog mit der Bürgerschaft und eine frühzeitige Bürgerbeteiligung sind dabei äußerst hilfreich und bringen gleichzeitig einen weiteren Vorteil für die Kommunen: Die Suche von praktikablen, effektiven Lösungen wird auf viele Schultern verteilt. Damit legt man zugleich den Grundstein dafür, dass die Maßnahmen auch von der Mehrheit mitgetragen werden.
Wie das in der Praxis gehen kann, zeigt die Stadt Konstanz. Im Rahmen des erklärten Klimanotstands werden dort auch bestehende Traditionen unter die Lupe genommen, so etwa das Konstanzer Seenachtfest. Nachdem kurzfristig die Rede von der Abschaffung dieses beliebten Stadtgartenfests war, fokussierte sich die Diskussion dann auf das zugehörige Feuerwerk. Als größtes Klangfeuerwerk auf einem europäischen Binnensee ist dieses alles andere als klimaneutral.

Klimaneutrales Feuerwerk?

Gemeinsam mit der Bürgerschaft, aber auch mit Festgästen, suchte die Stadt daher nach klimafreundlichen Ideen für die zukünftige Ausgestaltung des Seenachtfests. Dafür wurde im Sommer 2019 gemeinsam mit der Darmstädter Firma wer denkt was eine vierwöchige Online-Bürgerbefragung auf der Beteiligungsplattform der Stadt (www.konstanz-mitgestalten.de) durchgeführt. Ergänzt wurde diese durch zusätzliche Gästebefragungen während des Festwochenendes.
Dabei stellte sich heraus, dass das Feuerwerk für mehr als die Hälfte der 6.400 Befragten der entscheidende Grund für den Besuch des Seenachtfests ist und dieses auch weiterhin den Höhepunkt des Fests darstellen soll. Es wurden jedoch auch alternative Vorschläge wie Wasser-, Lichter- und Laser-Shows vorgeschlagen. Die Stadt arbeitet auf Grundlage der Ergebnisse nun an einem klimafreundlicheren Mix für die zukünftige Ausrichtung des Fests.

Klimaanpassungskonzepte entwickeln

Das Thema Klima bewegt aber nicht nur die Kommunen, die den Klimanotstand erklärt haben. In einigen Städten werden darüber hinaus so genannte Klimaanpassungskonzepte entwickelt. Auch hier lohnt es sich, schon frühzeitig auf die aktive Mitwirkung der Bevölkerung zu setzen. Das zeigt sich am Beispiel der Stadt Friedrichshafen. Dort wurde Anfang 2019 ein Klimaanpassungskonzept entwickelt und neben einem Bürger-Workshop auch eine Online-Befragung auf der Beteiligungsplattform mach-mit.friedrichshafen.de durchgeführt. Darin äußerten sich die Bürger zu den subjektiv wahrgenommenen Auswirkungen und besonders betroffenen Orten in der Stadt. Parallel dazu wurden online in zwei offenen Themendiskussionen gute Beispiele aus anderen Städten und Ideen zu der Frage gesammelt, was jeder selbst tun kann. Alexandra Eberhard, Leiterin der Stabsstelle Bürgerbeteiligung, erläutert: „Wir konnten ein großes Interesse für die Auswirkungen des Klimawandels feststellen. Jeder Einzelne konnte seine Vorschläge einbringen und die Stadtverwaltung auf betroffene Orte hinweisen. Die Vorschläge und Ergebnisse fließen in die Konzeptentwicklung ein und stellen sie auf eine breitere Basis.“

Zukunft Stadtgrün

Während die vorgestellten Projekte vor allem dazu dienen, den Status quo zu verändern und somit in gewisser Hinsicht klimafreundlich nachzubessern, spielt der Klimaschutz natürlich auch bei Um- und Neugestaltungsprozessen eine wichtige Rolle. Seit 2017 bietet etwa das neue Bund-Länder-Programm „Zukunft Stadtgrün“ des Bundesumweltministeriums eine Förderung für Kommunen an. Ziel ist es, Stadtgrün auszubauen und gerecht zu verteilen sowie die biologische Vielfalt zu erhalten. Teil des Förderprogramms ist auch die Einbeziehung der Bürgerschaft in den städtebaulichen Planungsprozess, denn auch hier soll nicht an den Bürgern vorbeigeplant werden.
Wie das auch für kleinere Kommunen funktionieren kann, zeigt das hessische Kelsterbach. Die Stadt hat sich mit einem Fördergebiet für das Programm qualifiziert und trägt dem Informations- und Beteiligungsbedürfnis der Bürgerschaft durch eine eigene Online-Plattform Rechnung. Unter klimainsel.kelsterbach.de können sich Interessierte über das Förderprogramm „Zukunft Stadtgrün“ und das Fördergebiet informieren.
Auch in Kelsterbach wurden Vor-Ort-Maßnahmen mit Online-Beteiligungsmöglichkeiten gekoppelt: Neben einer Postkarten-Aktion und einem Picknick im Südpark, einem Teil des Fördergebiets, stand online eine interaktive Ideenkarte bereit, auf der sich alle Interessierten einbringen konnten. Dabei wurden Orte markiert, die von der Bürgerschaft als vorbildlich wahrgenommen werden (Das gefällt mir bereits gut), die noch Verbesserungspotenzial aufweisen (Das können wir besser machen) oder an deren Stelle jemand eine konkrete, neue Idee für den Ort hat (Das fällt mir dazu ein). Die Beiträge und Vorschläge wurden ausgewertet und dokumentiert und gehen in die Konzeptentwicklung ein.

Bürger ins Boot holen

Die Beispiele zeigen: Gerade, wenn es ums Klima geht, ist eine frühzeitige Einbindung der Bürgerschaft sinnvoll und wichtig. Klimaschutzmaßnahmen sind nur dann effektiv, wenn sie von der breiten Bevölkerung mitgetragen werden. Theresa Lotichius, Abteilungsleiterin Digitale Bürgerbeteiligung bei wer denkt was, sagt: „Mit Online-Beteiligungsformaten können Kommunen ihre Bürger zeit- und ortsunabhängig bei diesem wichtigen Thema einbinden. Indem man die Bürgerschaft mit ins Boot holt, kann man deren Alltagsexpertise nutzen.“ Sie sieht daher in der Bürgerbeteiligung auch eine große Chance für die Kommunen, eine höhere Akzeptanz für Maßnahmen zu schaffen.

Christin Pfeffer ist Referentin Presse- & Öffentlichkeitsarbeit bei der wer denkt was GmbH, Darmstadt.




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