Mittwoch, 5. November 2025

EnergiewendeLandkreise sind Zukunftstreiber

[01.08.2022] Die Landkreise treiben die Energiewende mit großem Engagement voran. Das ist mit erheblichen organisatorischen und finanziellen Herausforderungen verbunden. Neben einer besseren Finanzausstattung braucht es daher auch einfachere Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Die Landkreise unterstützen den Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort.

Die Landkreise unterstützen den Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort.

(Bildquelle: online-pixel.com/stock.adobe.com)

Die 294 deutschen Landkreise gehen bei Klimaschutz und Energiewende aktiv voran. So haben sie in den vergangenen Jahren beispielsweise überörtliche Klimaschutzkonzepte erarbeitet, den Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort unterstützt, ihre Kreisliegenschaften energetisch saniert und verstärkt auf eine nachhaltige Beschaffung gesetzt. Darüber hinaus nehmen die Kreisverwaltungen oftmals eine unterstützende Rolle hinsichtlich der Klimaschutzbemühungen von kleineren kreisangehörigen Städten und Gemeinden ein.
Dass es sich beim Klimaschutz nicht um einen beliebigen von zahlreichen kommunalen Aufgabenbereichen, sondern um das zentrale Zukunftsthema der kommenden Jahre und Jahrzehnte handelt, hat in verfassungsrechtlicher Hinsicht der wegweisende Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 zum Bundes-Klimaschutzgesetz deutlich gemacht. Welche verheerenden Auswirkungen ein ungebremster Klimawandel auf die Landkreise und ihre Bevölkerung haben kann, hat auf besonders tragische Weise die Flutkata­strophe im Ahrtal im Sommer 2021 gezeigt. Und darüber, dass der Umbau der Energieversorgung hin zur Nutzung der erneuerbaren Energien eine Notwendigkeit ist, gibt es spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der daraus folgenden Unsicherheit der Versorgung mit fossilen Energieträgern einen breiten (kommunal-)politischen Konsens.

Koordinierende Rolle der Kreisverwaltungen

Verschwiegen werden darf dabei allerdings nicht, dass der Weg zur Klimaneutralität bis 2045 mit erheblichen organisatorischen und finanziellen Herausforderungen für die kommunale Ebene verbunden ist. Eine Finanzierung in den Kommunen allein über projektgebundene Fördermittel ist keinesfalls ausreichend, sondern es bedarf einer grundständigen personellen und finanziellen Ausstattung, um Verwaltungen und Betriebe, Liegenschaften und Fuhrparke zukunftsfähig zu machen.
Bislang werden noch zu viele Maßnahmen über befristete Projektmittel umgesetzt, was nicht nachhaltig ist. Im Kern geht es um eine grundlegende Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung durch die verantwortlichen Länder. Zudem müssen in den Landkreisen die erforderlichen Ressourcen für strategische Planung, Koordination, Vernetzung und Beratung sichergestellt sein. So können die Kreisverwaltungen insbesondere in den ländlichen Räumen eine koordinierende Rolle bei der kommunalen Wärme­planung übernehmen, wofür sie allerdings über die Mittel und das nötige Know-how verfügen müssen.
Eine Verringerung des Treibhausgasausstoßes allein genügt für eine langfristige Zukunftsfestigkeit aber nicht. Angesichts der bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels bedarf es umfangreicher Anpassungsmaßnahmen. Die Landkreise sind aufgrund ihrer Zuständigkeiten etwa in den Bereichen Wasserwirtschaft, Bauaufsicht, Naturschutz und Gesundheitsvorsorge die geeignete Ebene, um hier regional angepasste Strategien zu entwickeln und umzusetzen.

Bevölkerung mitnehmen

Über der Frage, was die Landkreise als Verwaltungsebene zu leisten imstande sind, dürfen jedoch keinesfalls die rund 56 Millionen Menschen vergessen werden, die dort leben. Sie müssen auf dem Weg zur Klimaneutralität mitgenommen werden, damit ambitionierte Vorhaben wie die Energiewende oder der Umbau des Verkehrs- und des Gebäudesektors nicht an fehlender Akzeptanz in der Bevölkerung scheitern. Daher muss bei allen Maßnahmen stets darauf geachtet werden, dass sie mit wirtschaftlichem und sozialem Augenmaß sowie unter Berücksichtigung des Ziels der gleichwertigen Lebensverhältnisse in ländlichen und verdichteten Räumen erfolgen.
Den Lasten, die insbesondere für die ländlichen Räume mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der erforderlichen Übertragungsleitungen verbunden sind, müssen spürbare Vorteile gegenüberstehen. Die Wertschöpfung aus der Energiewende muss daher vor Ort realisiert werden und es müssen bundesweit wirksame Vorschriften zur finanziellen Teilhabe von Kommunen und Bürgern vorgesehen werden.
Unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz in der Bevölkerung insbesondere in den ländlichen Räumen muss aus Sicht der Landkreise der kürzlich veröffentlichte Entwurf der Bundesregierung für ein Wind-an-Land-Gesetz noch einmal kritisch hinterfragt werden. Er sieht vor, dass bis zum Jahr 2032 mindestens zwei Prozent des Bundesgebiets für den Ausbau der Windenergie zur Verfügung stehen müssen. Hierzu sollen den Ländern jeweils am Potenzial orientierte Flächenziele für das Landesgebiet vorgegeben werden. Durch Änderungen im Baugesetzbuch sollen die planerischen Grundlagen für die Umsetzung dieser Flächenvorgaben geschaffen werden. Derzeit sind laut der Bundesregierung bundesweit nur 0,8 Prozent der Fläche für Windkraft ausgewiesen.

Konfliktpotenzial entschärfen

Schon an diesen Zahlen wird deutlich, dass, wenn das Gesetz verabschiedet wird, in den Ländern und Kommunen erhebliche Anstrengungen nötig sein werden, um die geforderten Flächen auszuweisen. Wer die vielerorts heftig geführten Debatten und juristischen Ausei­nandersetzungen über den Windkraftausbau verfolgt hat, erkennt schnell, dass das geplante Wind-an-Land-Gesetz erhebliches Konfliktpotenzial in sich trägt.
Der Deutsche Landkreistag hatte sich daher im Vorfeld gegen eine einseitige Fokussierung auf die Windenergie ausgesprochen und stattdessen für eine technologieoffene Nutzung der Potenziale der verschiedenen Arten von erneuerbaren Energien – Wind, Sonne, Wasser, Biomasse und Geothermie – geworben. Statt verbindliche Flächenziele vorzugeben, sollten sich Bund und Länder besser auf verbindliche Mengenvorgaben für den Ausbau der erneuerbaren Energien insgesamt verständigen. Damit blieben den Ländern hinreichende Freiräume, um unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort und unter Einbeziehung der betroffenen Bürger technologieoffen über die Ausgestaltung des Ausbaus zu entscheiden. Auch drohen die mit einem verbindlichen Flächenziel verbundenen planungsrechtlichen Herausforderungen die angestrebte Beschleunigung der Planungsverfahren zu behindern. Bei einem Verfehlen der Flächenziele in den Ländern wäre einem ungesteuerten Ausbau der Windenergie Tür und Tor geöffnet. Das wiede­rum riskiert die notwendige Akzeptanz und gefährdet das Zusammenspiel mit dem ebenso erforderlichen Netzausbau.

Verfahren beschleunigen

Um die Planungs- und Genehmigungsverfahren weiter zu beschleunigen, braucht es eine Vereinfachung durch den Gesetzgeber. Es geht um Fristverkürzungen und die Straffung der Rechtsschutzmöglichkeiten. Klageverfahren sollten auf die tatsächlichen Betroffenen und eine Instanz beschränkt werden, deren Entscheidung dann abschließend wäre und gegen die nicht weiter monate- und jahrelang vorgegangen werden könnte. Auch sollten die Landkreise dauerhaft die Möglichkeit erhalten, im Rahmen von Planungsverfahren digitaler zu werden, vor allem mit Blick auf Beteiligungsprozesse.

Reinhard Sager

Der Autor, Reinhard SagerReinhard Sager ist seit Mai 2001 Landrat des Kreises Ostholstein und seit März 2014 Präsident des Deutschen Landkreistages (DLT). Im Jahr 2008 wurde er zum Vorsitzenden des Schleswig-Holsteinischen Landkreistages gewählt und 2013 sowie 2018 in diesem Amt bestätigt. In der Kommunalpolitik ist Sager bereits seit den 1980er-Jahren ehrenamtlich aktiv.



Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Klimaschutz

Berlin: Führerschein für heiße Öfen

[31.10.2025] Die Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt bietet auch in dieser Heizsaison wieder den kostenlosen „Berliner Ofenführerschein“ an. Der Onlinekurs soll Kaminofenbesitzern helfen, Holz effizienter und umweltfreundlicher zu nutzen und so Feinstaubbelastung und Emissionen zu senken. mehr...

Stuttgart: Schwerpunktsitzung zur Wärmewende

[30.10.2025] In einer Schwerpunktsitzung des Ausschusses für Klima und Umwelt hat Stuttgart den Stand der Wärmewende und die nächsten Schritte zur Klimaneutralität 2035 beraten. Stadt, Stadtwerke, EnBW und Energieberatungszentrum setzen dabei auf Wärmenetze, Wärmepumpen und aktive Bürgerbeteiligung. mehr...

Frankfurt am Main: Pilotprojekt für begrünte Trafostationen

[20.10.2025] In Frankfurt am Main startet ein Pilotprojekt für begrünte Trafostationen. Die Initiative von Mainova, dem Stadtplanungsamt und der Firma Gritec soll technische Infrastruktur umweltfreundlicher gestalten und das Stadtklima verbessern. mehr...

Kreis Borken: Mehr Erzeugung als Verbrauch

[17.10.2025] Der Kreis Borken produziert rechnerisch mehr Strom aus erneuerbaren Energien, als er selbst verbraucht. Laut dem Energieatlas NRW deckt der Kreis bereits 110 Prozent seines Strombedarfs aus regenerativen Quellen – ein Spitzenwert im Land. mehr...

Nürnberg: Klimaneutral bis 2035

[16.10.2025] Nürnberg setzt auf Sonne, Biomasse und klimafreundliche Mobilität. Für ihr Engagement wurde die Kommune von der AEE als Energie-Kommune gewürdigt. Nürnberg will bis 2035 klimaneutral werden und arbeitet bereits mit zahlreichen Projekten daran. mehr...

AEE: Unterstützung für Kommunen bei der Energiewende

[16.10.2025] Kommunen stehen bei der Energiewende zwischen knappen Kassen und großen Aufgaben. Ein neues Nachschlagewerk der Agentur für Erneuerbare Energien zeigt, wie Städte und Gemeinden Klimaschutz in ihre Pflichtaufgaben integrieren können. mehr...

Rheinland-Pfalz: Investitionsprogramm für Klimaschutz verlängert

[13.10.2025] Das Land Rheinland-Pfalz verlängert die Fristen für das Kommunale Investitionsprogramm Klimaschutz und Innovation (KIPKI). Damit sollen Kommunen mehr Zeit erhalten, ihre Klimaschutzprojekte trotz Fachkräftemangel und Lieferproblemen umzusetzen. mehr...

Hochschule Hamm-Lippstadt: Nachhaltige Wirtschaftsflächen in Südwestfalen

[08.10.2025] Wie lassen sich Industrie- und Gewerbeflächen so gestalten, dass sie wirtschaftlich und nachhaltig sind? Das Projekt „Nachhaltige Wirtschaftsflächen in Südwestfalen“ entwickelt dafür integrierte Konzepte und Werkzeuge. mehr...

regio iT: Neue Lösung für kommunalen Klimaschutz

[08.10.2025] regio iT hat gemeinsam mit ClimateView, Gertec und Drees & Sommer eine Komplettlösung für den kommunalen Klimaschutz vorgestellt. Die neue Plattform soll Städten und Gemeinden helfen, Klimadaten zu bündeln, Maßnahmen zu planen und Fortschritte messbar zu machen. mehr...

Potsdam: Klima-Monitor vorgestellt

[26.09.2025] Potsdam hat ein neues Online-Werkzeug für den Klimaschutz vorgestellt. Der Klima-Monitor zeigt aktuelle Daten zu Energie, Verkehr und Emissionen und macht Fortschritte wie Defizite sichtbar. mehr...

Niedersachsen: Task Force schließt Arbeit ab

[26.09.2025] Die niedersächsische Task Force Energiewende hat ihre Arbeit nach rund zweieinhalb Jahren beendet. Laut Umweltministerium konnten Genehmigungen für Windräder beschleunigt und Photovoltaik-Zubau auf Rekordniveau gesteigert werden. mehr...

Osnabrück: Stadtwerke legen CO₂-Bilanz vor

[19.09.2025] Die Stadtwerke Osnabrück haben ihre erste CO₂-Bilanz erstellt. Grundlage hierfür ist ein neues digitales Berichtssystem, das nach eigenen Angaben Branchenstandards setzen soll. Der erste Nachhaltigkeitsbericht soll 2026 erscheinen. mehr...

Stockholm: Meilenstein für CO2-Abscheidung

[12.09.2025] Der schwedische Energieversorger Stockholm Exergi realisiert ein Großprojekt zur CO2-Abscheidung aus Biomasse. Bis zu 800.000 Tonnen CO2 sollen künftig unter der Nordsee eingelagert werden. Die dafür verwendete Technologie stammt vom Unternehmen Everllence. mehr...

Hannover: Klimaschutzmonitor ist online

[08.09.2025] Hannover hat den Klimaschutzmonitor online gestellt. Die Stadt will damit transparent machen, wie weit sie auf dem Weg zur angestrebten Klimaneutralität bis 2035 ist. mehr...

AEE: Hoyerswerda ist Energie-Kommune des Monats

[21.08.2025] Die Stadt Hoyerswerda ist jetzt von der Agentur für Erneuerbare Energien als Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet worden. Mit wissenschaftlicher Begleitung bereitet sich die Lausitzstadt auf das Ende der Kohlewärme vor. mehr...