Samstag, 1. November 2025

DekarbonisierungStadtwerke in der Pflicht

[10.02.2022] Die Studie Index Net Zero von Uniper zeigt, dass viele Stadtwerke konkrete Ziele zur Reduzierung der CO2-Emissionen definiert haben und den Wandel aktiv betreiben. Allerdings fehlt oft eine entsprechend ausgearbeitete Strategie.
Ergebnisse der Studie Index Net Zero von Uniper.

Ergebnisse der Studie Index Net Zero von Uniper.

(Bildquelle: Uniper SE)

Initiativen wie das Gesetzespaket Fit for 55 der EU sollen den CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent senken und für neue Impulse auf dem europäischen Energiemarkt sorgen. Fit for 55 setzt vor allem auf lokale Autoritäten und die Menschen vor Ort. Sie sollen den Wandel mit neuen Maßnahmen, strengeren Standards und einer höheren Stromproduktion aus erneuerbaren Ressourcen EU-weit gestalten. Derzeit ist allerdings eine nie dagewesene Volatilität der Märkte zu beobachten, Gas und Strompreise erreichen ein bislang ungekanntes Preisniveau. Die Versorgungssicherheit, die über konventionelle Kraftwerke garantiert wird, ist so stark im Fokus wie lange nicht mehr. Der Effekt: Kohlekraftwerke in Europa müssen auf Volllast gefahren werden.
Vor diesem Hintergrund stehen besonders die Stadtwerke und andere Energieversorger in der Pflicht, denn sie befinden sich gewissermaßen im Zentrum einer Branche, die im radikalen Umbruch begriffen ist. Die Öffentlichkeit verlangt immer lauter nach sauberer Energie. In Deutschland betrug der Anteil grünen Stroms in den vergangenen Jahren laut der Internationalen Energieagentur (IEA) im Durchschnitt 14 Prozent. Besonders auf den Stadtwerken lastet großer Druck – nicht zuletzt, weil sie sich mehrheitlich in kommunaler Hand befinden. Sie sollen möglichst vorbildlich agieren und bei der Dekarbonisierung vorangehen. Darüber hinaus sind gerade in Deutschland mit seiner CO2-Steuer auch die finanziellen Anreize zur „grünen Aufrüstung“ bewusst attraktiv gehalten – ist der Energiesektor doch einer der emissionsintensivsten mit einem höheren Ausstoß als alle anderen Branchen in Deutschland.

Ausgearbeitete Strategie fehlt

Die Studie Index Net Zero von Uniper – eine Umfrage unter Entscheidern und Akteuren der Dekarbonisierungsbewegung aus zahlreichen Branchen der deutschen Industrie – zeigt, dass viele kommunale Energieversorger bereits konkrete Emissionsreduktionsziele definiert haben und den Wandel aktiv betreiben. Was vielerorts fehlt, ist eine entsprechend ausgearbeitete Strategie. Je höher der Veränderungsdruck wird, desto schneller müssen die Betreiber der Stadtwerke ihre strategischen Hausaufgaben machen, um den Erwartungen der Eigentümer gerecht werden zu können.
Die Stadtwerke sind eine wichtige Säule im deutschen Energiemarkt, die das Vertrauen der Verbraucher hat. Daher ist auch die Vernetzung mit den Bürgerinnen und Bürgern der jeweiligen Kommunen hoch und wichtig. Und aus diesem Grund führt knapp die Hälfte (45 Prozent) der Energieversorger die Erwartungen der Öffentlichkeit als primären Grund für eine forcierte Dekarbonisierung an, so die Index-Net-Zero-Studie. Ein weiteres Drittel (36 Prozent) verweist auf den Druck von Umweltinitiativen als hauptsächlichen Treiber der eigenen Aktivitäten – sicher kein Zufall vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse, etwa der verheerenden Waldbrände im Sommer vergangenen Jahres.

Roadmap noch in weiter Ferne

Eine elaborierte Roadmap zur Dekarbonisierung, also ein Fahrplan mit konkreten Wegmarken und Maßnahmen, ist dabei vielerorts noch in weiter Ferne. Nur 18 Prozent der Studienteilnehmer haben sowohl entsprechende Ziele als auch Strategien. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) arbeitet noch an der Strategie, über ein Viertel (27 Prozent) der Stadtwerke und anderer Versorger hat hier noch gar nichts vorzuweisen.
Auch ein Net-Zero-Status ist bei Stadtwerken und anderen Energieversorgern noch lange nicht in Sicht. Drei Viertel der Studienteilnehmer aus diesem Sektor halten eine Emissionsreduktion um 50 Prozent für realistisch. Mit 87 Prozent zeigt sich die Mehrheit optimistisch, ihre Reduktionsziele vor 2030, spätestens 2035 zu erreichen. Doch gibt es Stimmen, die mehr Engagement von den Stadtwerken fordern. Politik und Stakeholder wollen eine Minderung von 80 bis 95 Prozent bis spätestens 2050.
In jedem Fall müssen die Stadtwerke und andere Energieversorger weiter massiv in Nachhaltigkeit investieren und den öffentlichen Druck dabei als Motivator für möglichst schnelles Handeln nutzen. Dabei bietet eine Dekarbonisierung auch Chancen im Hinblick auf eine höhere künftige Effizienz. Ganze 45 Prozent der Studienteilnehmer geben langfristige Kosteneffizienz als Hauptgrund für ihre Anstrengungen an. Aber um wirklich voranzukommen, benötigen die Versorger eine klare Marschrichtung und eine entsprechende Roadmap – so sehen es ebenfalls 45 Prozent der Befragten.

Klare Priorität bei Erneuerbare-Energie-Projekten

Mehr als ein Drittel (36 Prozent) der Index-Net-Zero-Studienteilnehmer sieht eine klare Priorität bei Projekten mit erneuerbarer Energie. Es existieren einige ambitionierte Projekte, wie zum Beispiel der Plan der Stadtwerke München für eine ausreichende Energieproduktion aus erneuerbaren Quellen für die bayerische Landeshauptstadt. Anders als in der Vergangenheit wird aber entscheidend sein, dass ein starker Fokus auf die geeignete Einbettung dieser Projekte in das lokale energiewirtschaftliche Gesamtkonzept gesetzt wird. Ein Einzelprojekt oder einzelne Assets sind in der zunehmend komplexen Energiewelt weitaus weniger relevant. Integrierte Dekarbonisierungslösungen liegen hier klar im Trend. Vergleichbare Initiativen werden schon bald existenzkritisch für alle Akteure in diesem Bereich sein. Diese Priorität wird ebenfalls von 36 Prozent der Teilnehmer angeführt.
Sämtliche Lösungen, mit denen die Versorgungsunternehmen ihre Dekarbonisierung vorantreiben können, benötigen Investitionen in neue Technologien. Das aber bedeutet neue Herausforderungen: Immerhin 36 Prozent der Studienteilnehmer aus diesem Bereich werten die Verfügbarkeit solcher Technologien als größte Hürde.

Schlüssel zu Net Zero

Externe Partner können hier für Abhilfe sorgen, indem sie technische Lösungen und Beratungsleistungen anbieten. Gerade angesichts der Tatsache, dass sich die Versorger überwiegend in öffentlicher Hand befinden, können solche vertrauensbildenden Maßnahmen den entscheidenden Unterschied machen. Da 45 Prozent der Studienteilnehmer die Kosten ebenfalls als erhebliche Herausforderung sehen, ist auch hier verstärkt strategischer Rat gefragt.
Städtische Versorger gehören zu jenen, die sich an der Spitze der Dekarbonsierungsbewegung eta­blieren werden: 55 Prozent der Befragten – der höchste Anteil aller im Rahmen von Index Net Zero beleuchteten Branchen – geben an, die Geschäftsleitung sehe in der Emissionsreduzierung eine unbedingte Priorität.
Die Ausarbeitung einer Dekarbonisierungsstrategie ist aber nur der Anfang. Neue Technologien und ihr zielgenauer Einsatz sind die wahren Schlüssel zu Net Zero. Dass die Technik den zentralen Ausgangspunkt für die Energiewirtschaft setzt, wie etwa in den Hochzeiten des zentralen Großkraftwerksbaus, darf jedoch zumindest bezweifelt werden. Der zielgenaue Einsatz einer Technologie als nur eine von mehreren Komponenten bei der Sektorkopplung oder einer inte­grierten Kundenlösung wird vermutlich deutlich mehr Priorität und Raum einnehmen.

Gundolf Schweppe ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Uniper Energy Sales GmbH. Er verfügt über langjährige, umfassende Erfahrungen in der Energiewirtschaft, unter anderem im Bereich des Privatkunden- und Großhandelsvertriebs. Der Volljurist hat an den Universitäten Würzburg und Freiburg sowie im französischen Marseille studiert.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Klimaschutz

Berlin: Führerschein für heiße Öfen

[31.10.2025] Die Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt bietet auch in dieser Heizsaison wieder den kostenlosen „Berliner Ofenführerschein“ an. Der Onlinekurs soll Kaminofenbesitzern helfen, Holz effizienter und umweltfreundlicher zu nutzen und so Feinstaubbelastung und Emissionen zu senken. mehr...

Stuttgart: Schwerpunktsitzung zur Wärmewende

[30.10.2025] In einer Schwerpunktsitzung des Ausschusses für Klima und Umwelt hat Stuttgart den Stand der Wärmewende und die nächsten Schritte zur Klimaneutralität 2035 beraten. Stadt, Stadtwerke, EnBW und Energieberatungszentrum setzen dabei auf Wärmenetze, Wärmepumpen und aktive Bürgerbeteiligung. mehr...

Frankfurt am Main: Pilotprojekt für begrünte Trafostationen

[20.10.2025] In Frankfurt am Main startet ein Pilotprojekt für begrünte Trafostationen. Die Initiative von Mainova, dem Stadtplanungsamt und der Firma Gritec soll technische Infrastruktur umweltfreundlicher gestalten und das Stadtklima verbessern. mehr...

Kreis Borken: Mehr Erzeugung als Verbrauch

[17.10.2025] Der Kreis Borken produziert rechnerisch mehr Strom aus erneuerbaren Energien, als er selbst verbraucht. Laut dem Energieatlas NRW deckt der Kreis bereits 110 Prozent seines Strombedarfs aus regenerativen Quellen – ein Spitzenwert im Land. mehr...

Nürnberg: Klimaneutral bis 2035

[16.10.2025] Nürnberg setzt auf Sonne, Biomasse und klimafreundliche Mobilität. Für ihr Engagement wurde die Kommune von der AEE als Energie-Kommune gewürdigt. Nürnberg will bis 2035 klimaneutral werden und arbeitet bereits mit zahlreichen Projekten daran. mehr...

AEE: Unterstützung für Kommunen bei der Energiewende

[16.10.2025] Kommunen stehen bei der Energiewende zwischen knappen Kassen und großen Aufgaben. Ein neues Nachschlagewerk der Agentur für Erneuerbare Energien zeigt, wie Städte und Gemeinden Klimaschutz in ihre Pflichtaufgaben integrieren können. mehr...

Rheinland-Pfalz: Investitionsprogramm für Klimaschutz verlängert

[13.10.2025] Das Land Rheinland-Pfalz verlängert die Fristen für das Kommunale Investitionsprogramm Klimaschutz und Innovation (KIPKI). Damit sollen Kommunen mehr Zeit erhalten, ihre Klimaschutzprojekte trotz Fachkräftemangel und Lieferproblemen umzusetzen. mehr...

Hochschule Hamm-Lippstadt: Nachhaltige Wirtschaftsflächen in Südwestfalen

[08.10.2025] Wie lassen sich Industrie- und Gewerbeflächen so gestalten, dass sie wirtschaftlich und nachhaltig sind? Das Projekt „Nachhaltige Wirtschaftsflächen in Südwestfalen“ entwickelt dafür integrierte Konzepte und Werkzeuge. mehr...

regio iT: Neue Lösung für kommunalen Klimaschutz

[08.10.2025] regio iT hat gemeinsam mit ClimateView, Gertec und Drees & Sommer eine Komplettlösung für den kommunalen Klimaschutz vorgestellt. Die neue Plattform soll Städten und Gemeinden helfen, Klimadaten zu bündeln, Maßnahmen zu planen und Fortschritte messbar zu machen. mehr...

Potsdam: Klima-Monitor vorgestellt

[26.09.2025] Potsdam hat ein neues Online-Werkzeug für den Klimaschutz vorgestellt. Der Klima-Monitor zeigt aktuelle Daten zu Energie, Verkehr und Emissionen und macht Fortschritte wie Defizite sichtbar. mehr...

Niedersachsen: Task Force schließt Arbeit ab

[26.09.2025] Die niedersächsische Task Force Energiewende hat ihre Arbeit nach rund zweieinhalb Jahren beendet. Laut Umweltministerium konnten Genehmigungen für Windräder beschleunigt und Photovoltaik-Zubau auf Rekordniveau gesteigert werden. mehr...

Osnabrück: Stadtwerke legen CO₂-Bilanz vor

[19.09.2025] Die Stadtwerke Osnabrück haben ihre erste CO₂-Bilanz erstellt. Grundlage hierfür ist ein neues digitales Berichtssystem, das nach eigenen Angaben Branchenstandards setzen soll. Der erste Nachhaltigkeitsbericht soll 2026 erscheinen. mehr...

Stockholm: Meilenstein für CO2-Abscheidung

[12.09.2025] Der schwedische Energieversorger Stockholm Exergi realisiert ein Großprojekt zur CO2-Abscheidung aus Biomasse. Bis zu 800.000 Tonnen CO2 sollen künftig unter der Nordsee eingelagert werden. Die dafür verwendete Technologie stammt vom Unternehmen Everllence. mehr...

Hannover: Klimaschutzmonitor ist online

[08.09.2025] Hannover hat den Klimaschutzmonitor online gestellt. Die Stadt will damit transparent machen, wie weit sie auf dem Weg zur angestrebten Klimaneutralität bis 2035 ist. mehr...

AEE: Hoyerswerda ist Energie-Kommune des Monats

[21.08.2025] Die Stadt Hoyerswerda ist jetzt von der Agentur für Erneuerbare Energien als Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet worden. Mit wissenschaftlicher Begleitung bereitet sich die Lausitzstadt auf das Ende der Kohlewärme vor. mehr...