BDEWH2-Hochlauf per Baukastenprinzip

Wasserstoff im Erdgasnetz ist zwar möglich, seine grüne Variante wird für den Wärmemarkt jedoch nicht ausreichen.
(Bildquelle: Frank Urbansky)
Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft und der Nutzung erneuerbarer und dekarbonisierter Energien nimmt weltweit Fahrt auf. Auch in Deutschland müssten die Weichen für einen entschlossenen Hochlauf von Wasserstoff gestellt werden. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat dazu das Diskussionspapier „Ein Marktdesign für Wasserstoff“ vorgelegt. Es zeigt wesentliche Bausteine für die Entwicklung eines Markts auf und skizziert vier Phasen des Wasserstoffhochlaufs.
„Für die Energiewende, aber auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland bietet der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft enorme Chancen“, sagt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Die kommenden Jahre würden in Deutschland und Europa darüber entscheiden, ob der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in der Breite gelingt und ein Umfeld für Innovationen und Investitionen geschaffen wird.
Doch das ist keineswegs sicher. Während nach Einschätzung des BDEW in den USA durch den Inflation Reduction Act bereits ein Wasserstoff-Hochlauf im Gange ist, gibt es hierzulande magere 100 Megawatt Elektrolyseleistung, allenfalls eine Manufakturfertigung von Elektrolyseuren (und das vor dem Hintergrund eines Leistungsziels bei Elektrolyseuren von zehn Gigawatt bis 2030) sowie streng genommen nicht einmal einen Markt, weil kein Produkt.
Siebenfacher Marktpreis
Denn Wasserstoff aus Elektrolyse ist deutlich teurer wie der aus Dampfreformierung, auch grauer Wasserstoff genannt. Daran ändert auch ein erstes Marktinstrument an der Leipziger Energiebörse EEX, der Hydrix, an der sich einige Hersteller beteiligen, nichts (derzeit 229,50 Euro pro Megawattstunde – etwa das Siebenfache des konventionell erzeugten Wasserstoffs).
Die Rettung soll deshalb in anderen grünen Gasen wie Biomethan und blauem Wasserstoff liegen. Die Potenziale von Ersterem sind ebenfalls laut BDEW auf etwa 100 Terawattstunden (TWh) pro Jahr begrenzt, die bis 2030 erreicht werden sollen (der gesamte deutsche Gasverbrauch liegt bei 1.000 TWh). Letzteres ist umstritten und in Deutschland wegen des CCS-Verbots nicht möglich.
„Derzeit steht der Markthochlauf noch am Anfang: Die Technologien rund um Wasserstofferzeugung, -transport, -speicherung und -nutzung sind weitgehend verfügbar und technisch ausgereift. Was aber noch fehlt, ist die Erprobung im Zusammenspiel der verschiedenen Wertschöpfungsstufen“, muss auch Kirsten Westphal, Mitglied der BDEW-Hauptgeschäftsführung, die Defizite einräumen. Das liege auch daran, dass die langfristigen Marktaussichten noch zu unsicher und damit die finanziellen Risiken zu groß seien – sprich: Kaum jemand traut sich zu, in etwas zu investieren, das so teuer ist oder in Zukunft wohl noch teurer bleiben wird als grauer Wasserstoff. Beim BDEW beschwört man dagegen Skalierungseffekte wie sie auch bei PV und Windkraft zu beobachten seien.
Dennoch muss Westphal konstatieren: „Privatwirtschaftliche Investitionen finden noch nicht in ausreichendem Maße statt. Für einen erfolgreichen Wasserstoff-Hochlauf brauchen wir Mut und Pragmatismus. Regulatorische Hürden sollten daher gering gehalten, Angebot und Nachfrage durch konsistente Förderinstrumente stimuliert und ein verlässlicher Ordnungsrahmen, etwa für die zukünftige Wasserstoffinfrastruktur, geschaffen werden.“ Also sollen die Fördermilliarden weiter fließen. Nur zur Erinnerung. Neun Milliarden Euro sind bereits in der Nationalen Wasserstoffstrategie vorgesehen. Sieben Milliarden Euro davon für Projekte allein in Deutschland.
Vier Phasen bis zum Ziel
Doch nun zu den BDEW-Plänen. Der Verband sieht vier Phasen für die Entwicklung des Wasserstoffmarkts:
Während der Initialphase müssten wichtige Grundvoraussetzungen bis 2023/2024 geschaffen werden, um den Markthochlauf zeitnahe zu initiieren. Dazu gehörten staatliche Unterstützung, regulatorische Flexibilität und ein glaubwürdiges Zielbild.
Die Aufbauphase dauert bis Anfang der 2030er Jahre, wenn das H2-Kernnetz und weitere Leitungen auf Fernleitungs- und Verteilnetzebene in Deutschland aufgebaut sind und die Übergangsregelungen aus dem europäischen Wasserstoff- und Gasmarkt-Dekarbonisierungspaket enden. Hier sollen erste internationale Lieferbeziehungen etabliert, Projekte ausgedehnt, die Wasserstoffnutzung in der Industrie angereizt und bedarfsgerecht Gasverteilnetze auf Wasserstoff umgestellt werden.
In der Ausprägungsphase ab 2035 soll die Entwicklung hin zu überwiegend marktlichen Mechanismen stattfinden Bis 2040 sollen dann auch langfristig angelegte staatliche Fördermechanismen nach und nach auslaufen.
In der Zielphase ab 2040 soll ein funktionierender Wasserstoffmarkt erreicht sein. Dann werden Wasserstoff und seine Derivate in Deutschland, der EU und global in ausreichenden Mengen erzeugt und gehandelt.
Voraussetzung dafür ist ein funktionierendes Wasserstoffnetz. Zwar bestätigen Studien der Branche (wir berichteten) und des DVGW die generelle Eignung der Verteil- und Energienetze für den Betrieb mit Wasserstoff. Allerdings räumt der BDEW selbst ein, dass es kaum möglich sein wird, alle Verteilnetze zu erhalten. Ein Teil der Netze, so Andreae, werde auf Wasserstoff umgestellt und ein Teil einfach stillgelegt.
Dazu passt der jüngste Bericht der IRENA. Im World Energy Transitions Outlook 2023 vom Juni wird davon ausgegangen, dass nur 0,14 Prozent der Haushalte mit Wasserstoff beheizt werden. Das macht auch in Deutschland einen Großteil der Verteilnetze überflüssig.
Wie dem auch sei: Ein Wasserstoffmarkt wird, wenn überhaupt, erst in ferner Zukunft entstehen – mit vagen Aussichten und viel Geld vom Staat, also von allen Steuerzahlern, die für die Energiewende ohnehin schon viel tiefer in die Tasche greifen müssen.
Der World Energy Transitions Outlook 2023 der IRENA kann hier heruntergeladen werden.
Der aktuelle Börsenpreis für Elektrolysewasserstoff, der EEX-Hydrix, kann hier eingesehen werden.
https://www.bdew.de
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