RegensburgBrauerei und Wohngebiet mit Energie versorgt

REWAG-Energiezentrale mit Hauptabnehmer Brauerei Bischofshof und Dörnberg-Areal
(Bildquelle: REWAG / T. Lex)
Eine gemeinsame Energiezentrale für eine Brauerei und ein neues Wohn- und Gewerbeareal, ebenso das zugehörige Wärmenetz betrieben von dem örtlichen Energieversorger: Genau das wurde in Regensburg vor fünf Jahren Wirklichkeit und hat sich seither bewährt. Maßgeblich beteiligt: Das Unternehmen Gammel Engineering.
Gammel hatte anfangs nur den Auftrag, zwischen 2015 und 2016 für die Regensburger Brauerei Bischofshof das Energiekonzept zu erstellen. Doch aus diesen Plänen entstand eine Energiepartnerschaft, der inzwischen neben dem Regensburger Energieversorger REWAG und der Brauerei auch der Investor des Dörnberg-Wohnareals am früheren Güterbahnhof der Bischofsstadt angehört. „Die Verhandlungen zwischen allen Beteiligten dauerten zwar einige Zeit. Doch dafür konnte die Energiepartnerschaft am Ende auch langfristig fixiert werden“, erläutert Geschäftsführer Michael Gammel. Und die Partnerschaft sieht heute folgendermaßen aus: Die REWAG hat die Investitionen in Energiezentrale, Dampfnetz und Fernwärme-Anbindung des Wohngebiets gestemmt und versorgt nun beide Objekte als Contractor. Zuvor hatte die Brau-GmbH, an der auch das Bistum Regensburg beteiligt ist, von Gammel einen Kosten-Nutzen-Vergleich zwischen der Contracting-Lösung und der ansonsten notwendigen Variante Eigeninvestition anstellen lassen. Am Ende sprach sich Bischofshof für das Contracting-Modell aus.
Die Ausgangslage für die Planungen
Am Anfang der Berechnungen standen nur die Energieverbrauchswerte der Brauerei fest. Der Jahreswärmebedarf von Bischofshof betrug 4.375 Megawattstunden (MWh); über den Jahreslastgang wurde der maximale oder Spitzen-Wärmeleistungsbedarf simuliert. Die Leistungsspitze beim Strombedarf und der jährliche elektrische Energiebedarf waren ebenfalls gemessen und damit gesicherte Werte als Basis für das Energiekonzept. Der Blick der zuständigen Projektleiterin bei Gammel Engineering, Gaelle Cadiou, ging im Zuge der Projektentwicklung schnell über die Brauerei hinaus. Denn parallel hatten die Planungen für das in der Nähe gelegene „Das Dörnberg“ auf dem früheren Güterbahnhof-Gelände begonnen. Die Hedwigsklinik und die Kreuzschule waren so nah, dass sie ebenfalls aus der neu entstehenden Energiezentrale Dörnberg mit Wärme versorgt werden könnten, so Gaelle Cadious Überlegung. Und so entstanden Strategiepläne, die wesentlich umfassender waren, als sie der Ursprungsauftrag an Gammel Engineering vorgesehen hatte. „Der Blick über den Tellerrand ist bei unserer professionellen Projektentwicklung ein wesentlicher Erfolgsfaktor und damit selbstverständlich“, bekräftigt Cadiou.
Das auf die Zukunft ausgerichtete Konzept sah eine Energiezentrale mit zwei Funktionen vor: Zum einen die Wärmeversorgung für das Fernwärmenetz Dörnberg, zum anderen die Versorgung der Brauerei Bischofshof mit Prozesswärme. Weil die Überschusswärme aus der Dampferzeugung in das Fernwärmenetz eingespeist wird, zeigen die Pläne zwei Netzstränge mit unterschiedlichen Temperaturniveaus. Dabei ist die Energiezentrale auf die im Endausbau von „Das Dörnberg“ und der anderen Wärmeabnehmer notwendigen, prognostizierten Heizwärme- und Warmwasserbedarfe ausgelegt: Auf eine Spitzenleistung von 9.700 kW und eine Energiemenge übers Jahr von 17.920 MWh. Berücksichtigt sind in diesen Zahlen der jährliche Dampf- und Wärmebedarf der Brauerei Bischofshof sowie deren maximaler Anschlusswert.
Um diesen Gesamtbedarf aus einer Energiezentrale zu decken, hat Gammel Engineering unterschiedliche Szenarien verglichen und schließlich eine kombinierte Doppellösung empfohlen: Einerseits decken ein Vier-Zug-Kessel für fünf Tonnen Dampf pro Stunde (t/h) mit zwei vorgelagerten Gasturbinen die Grund- und Spitzenlast der Brauerei Bischofshof. Die Abgase der Gasturbinen werden in den vierten Zug des Kessels eingeleitet, um möglichst viel Grundlast abzudecken, während der konventionelle Teil den Restdampfbedarf deckt. Dazu wurde der Brenner für 3.300 kW Feuerungsleistung ausgelegt, die beiden Mikrogasturbinen leisten je 100 kW elektrisch und 333 kW thermisch. Ein konventioneller Dampfkessel mit 5 t/h-Dampfleistung gewährleistet Redundanz und Reserve, zum Beispiel während der Wartungszeiten des Kraft-Wärme-gekoppelten Grundsystems.
Nach dem Kessel ist ein Abgaswärmetauscher angeschlossen, der mit 85 Grad Celsius Vorlauftemperatur im Heizkreislauf der Wohnsiedlung „Das Dörnberg“ sorgt. Für dieses ausgedehnte Fernwärmenetz wiederum sind vor allem vier Biomethan-BHKW mit je 265 kWel verantwortlich. Zwei Gaskessel mit je vier MW Wärmeleistung sowie ein 52 Kubikmeter großer Wärmespeicher sorgen für eine 24/7-Wärmeversorgung.
Untergebracht werden sollte die Energiezentrale in einem zweigeschossigen, unterkellerten Gebäude mit gut 400 Quadratmetern Grundfläche und 10 Grad geneigtem Satteldach. Der 52.000-Liter-Pufferspeicher sowie Kühlanlagen und weitere Aggregate würden direkt daneben aufgestellt. So sah es der Planungsstand vom November 2016 vor.
Vorschlag akzeptiert
Der Vorschlag fand schließlich das grundsätzliche Gefallen des Versorgers REWAG und der Brauerei Bischofshof. In deren Bierblog war im April 2018 dann auch vorausschauend zu lesen: „Bis zum Jahr 2019 will die Regensburger Stiftungsbrauerei Bischofshof zur ersten völlig klimaneutralen Brauerei in Bayern werden. Wichtigster Meilenstein auf dem Weg zu diesem Ziel soll eine rund 8,5 Millionen Euro teure neue Energiezentrale werden, die bis zum Herbst desselben Jahres ans Netz gehen soll. Die neue Energiezentrale, die der Regensburger Energieversorger REWAG auf dem Brauereigelände errichtet, wird die Brauerei sowie ein derzeit entstehendes neues Viertel mit 1.200 Wohnungen und die Kinderklinik St. Hedwig CO2-neutral mit Strom und Wärme versorgen.“ Der frühere Bischofshof-Brauereidirektor Hermann Goß sagte damals voraus, dass die Brauerei „2019 als Pionier in Bayern komplett klimaneutral produzieren wird. Bereits in den vergangenen Jahren hat die Brauerei mit Millioneninvestitionen an diesem Ziel gearbeitet und neue umweltschonende und energiesparende Technologien eingeführt.“ Dieses Ziel habe aber nur gefasst werden können, weil seit 2006 „das modernste Sudhaus der Welt hilft, rund 40 Prozent an Primärenergie einzusparen“. Der Stadt Regensburg war dieses Engagement im gleichen Jahr eines Umweltpreises würdig gewesen.
Wie das Konzept umgesetzt wurde
Bei der Umsetzung des Energiekonzepts gab es im Hinblick auf die strategische Entwicklung der Energiepartner vier Modifizierungen gegenüber dem ursprünglichen Gammel-Konzept, abgestimmt zwischen den drei Beteiligten Planer, Brauerei und Versorger. Mit einem Volumen von 75.000 Liter fiel der Wärmepuffer um die Hälfte größer aus. Das Hauptgebäude wurde mit einem Flachdach versehen, um die effektivere Anbringung einer Photovoltaikanlage zu ermöglichen. Und schließlich sind die drei BHKW in einem Anbau untergebracht, der die Erweiterung des Systems um ein viertes BHKW erlaubt.
Im „Das Dörnberg“ wiederum wurde nicht nur auf Fernwärme aus der Energiezentrale gesetzt, sondern zukunftsweisend auch auf Elektromobilität: An jedem Tiefgaragenstellplatz des Wohngebiets ist es möglich, eine E-Ladesäule zu installieren. Schon im ersten Bauabschnitt hatte jeder vierte Käufer die Chance genutzt, gleich von Beginn an eine solche Wallbox zu erwerben. Im weiteren Verlauf stieg die Wallbox-Quote immer weiter.
Bilanz nach fünf Jahren Betrieb der Energiezentrale
Was sagen die Beteiligten heute zur Energiezentrale, zur Fernwärmeversorgung und zum Ökoenergiedampf? Hermann Goß, ehemaliger Geschäftsführer der Brauerei Bischofshof, zeigt sich begeistert von der Zusammenarbeit und vom Projektergebnis: „das Team von Gammel Engineering hat in enger Abstimmung mit uns das Projekt entwickelt, das Geschäftsmodell Energie-Contracting initiiert und die Planungsleistungen für das Heizkraftwerk erarbeitet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Brauerei Bischofshof ist damit als eine der wenigen auf dem besten Weg zum klimaneutral gebrauten Bier. Und die Brauerei konnte sich den Großteil der notwendigen Investitionen in die Energieversorgung sparen. Es ist eine Energiepartnerschaft auf Augenhöhe zum Nutzen aller Projektbeteiligten entstanden.“
Die REWAG nennt das Ergebnis und die Zusammenarbeit mit dem Hauptabnehmer Bischofshof und dem Planer Gammel Engineering für alle Seiten einen vollen Erfolg. Michael Schmid, der sich als Handlungsbevollmächtigter der Facit GmbH, einer Tochter des Mit-Bauherren Haupt-Immobilien-Gruppe, um „Das Dörnberg“ gekümmert hat, nahm vor allem die gemeinsame Arbeit von REWAG und dem Energietechnikplaner Gammel positiv wahr. Für Michael Gammel „war es ein großer Erfolg, dieses Projekt mit meinem Team gemeinsam umsetzen zu können. Wir arbeiten seit mehr als 35 Jahren an der Zukunft der Energie und beweisen auch mit diesem Leuchtturmprojekt unsere Expertise bei der Energiewende“.
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