Donnerstag, 1. Mai 2025

Agora EnergiewendeDas Energiesystem wird dezentraler

[03.03.2017] Unser Energiesystem wird zunehmend dezentraler, eine Entwicklung, die nicht mehr unbedingt zu der Forderung nach mehr Netzausbau passt. Agora Energiewende hat jetzt einen Sammelband zum Thema Dezentralität erstellt, der vor allem eine Grundlage für die weitere politische Debatte bieten soll.
Mit dem Band Energiewende und Dezentralität will Agora Energiewende laut eigenen Angaben eine Grundlage für die politische Debatte liefern.

Mit dem Band Energiewende und Dezentralität will Agora Energiewende laut eigenen Angaben eine Grundlage für die politische Debatte liefern.

(Bildquelle: Agora Energiewende)

Die Denkfabrik Agora Energiewende hat jetzt den Sammelband Energiewende und Dezentralität veröffentlicht, an dem sowohl eigene Experten als auch hinzugezogene Fachleute gearbeitet haben. Ein Ergebnis der Analyse ist, dass sich die Dezentralität mit der Energiewende zu einem dauerhaft prägenden Strukturmerkmal des Energiesystems entwickelt, diese Entwicklung aber nicht mehr zu dem bisherigen Konzept einer ausschließlich zentralen Steuerung mit immer mehr Netzausbau kompatibel ist. Dabei treiben die Schlüsseltechnologien der Energiewende wie Wind, Solar, Batteriespeicher und Digitalisierung einerseits sowie in der Gesellschaft verankerte politische, ökonomische und soziale Präferenzen für Eigenversorgung und Regionalität andererseits die Entstehung dezentraler Strukturen voran, folgert Agora. Deshalb benötigt das neue Strom- und Energiesystem laut dem Think Tank einen eigenen Ordnungsrahmen für Dezentralität. Dieser müsse Ordnung in das Chaos im Bereich der dezentralitätsbedingten Ausnahmen bei Entgelten, Steuern, Abgaben und Umlagen bringen.
Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, sagt: „Dezentralität ist kein Wert an sich. Aber angesichts von dauerhaft erwartbaren Netzengpässen und aufgrund von sozialen oder politischen Präferenzen für Regionalität können dezentrale Strukturen Mehrwert generieren.“ Allerdings fehle ein entsprechender Rahmen, in dem dezentrale Lösungen den zentralen Strommarkt sinnvoll ergänzen können. Vorteile sieht Agora Energiewende im vermiedenen Netzausbau – hierfür fehle jedoch bisher ein monetäres Maß – oder in der Befriedigung des Bedürfnisses nach Regionalität, für das es ebenfalls keinen Marktrahmen gebe.

Stromregionen gefordert

In dem Sammelband werden die nach Auffassung der Autoren sechs prägenden Aspekte des Themenfeldes beleuchtet. Diese seien die Rolle der Eigenversorgung, die regionale Verteilung von Stromerzeugung und -verbrauch, die regionale Vermarktung von Ökostrom, regionale Smart Grids und Smart Markets, die Rolle kleiner Akteure mit dem Fokus auf der Bürgerenergie und schließlich die Rolle kommunaler Energieversorgung.
Diese Aspekte werden wiederum in Bezug auf das Stromnetz sowie in ihrer ökonomischen, sozialen und politischen Dimension analysiert. Es werden Chancen und Risiken abgeleitet und hieraus erste Handlungsvorschläge unterbreitet. Als Konsequenz fordert Graichen, das Stromsystem perspektivisch in eine klare Struktur aus drei Ebenen zu überführen, für die Abgaben und Umlagen gesondert geregelt sind. Dies wären eine untere Ebene, in der Strom vor Ort und ohne Rückgriff auf das öffentliche Netz erzeugt und verbraucht wird – so genannter Eigenverbrauch/Mieterstrom –, eine mittlere Ebene innerhalb einer Stromregion und schließlich eine überregionale, auch transnationale Ebene für den überregionalen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch. Neu an dem Konzept sei vor allem die Einrichtung von Stromregionen, in denen bei Netzengpässen ein regionaler Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch stattfindet und neue regionale Märkte entstehen können.
Jetzt sei die Politik gefordert, so Graichen: „Eine zukunftsfähige Energiewendepolitik muss die Dezentralitätskomponente als wichtiges neues Strukturelement der Energiewirtschaft aktiv gestalten und sie zügig in den energiewirtschaftlichen Regulierungsrahmen integrieren.“



Stichwörter: Politik, Agora Energiewende


Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

Strommarktdesign: Regionale Differenzierung senkt Kosten

[30.04.2025] Eine neue Studie von Agora Energiewende und Fraunhofer IEE zeigt: Lokale Strompreise könnten Netzengpässe reduzieren und die Stromkosten für Unternehmen und Haushalte senken. mehr...

Das Bild ist ein Porträtfoto des schleswig-holsteinischen Energieministers Tobias Goldschmidt

Schleswig-Holstein: Kommunalfonds für die Wärmewende

[22.04.2025] Schleswig-Holstein fördert ab Mai erste Schritte von Wärme- und Effizienzprojekten in Kommunen mit bis zu 300.000 Euro. Eine neue Richtlinie schafft die Grundlage für Zuschüsse in der Frühphase, wenn noch keine Finanzierung durch Banken möglich ist. mehr...

Baden-Württemberg: Rückschritt beim Windkraftausbau?

[15.04.2025] In Baden-Württemberg sorgt eine Formulierung im neuen Koalitionsvertrag zum Thema Windkraft für Irritationen. Verbände warnen vor einem Rückschlag für die Energiewende im Süden. mehr...

Koalitionsvertrag: Zustimmung und Kritik

[10.04.2025] Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD stößt in der Energiewirtschaft auf überwiegend positive Reaktionen. Die Verbände BDEW und VKU sowie die Stadtwerke-Kooperation Trianel sehen wichtige Signale für die Energiewende – fordern aber rasches Handeln und warnen vor kritischen Markteingriffen. mehr...

Rheinland-Pfalz: Weg frei für kommunale Wärmeplanung

[09.04.2025] Rheinland-Pfalz hat ein Ausführungsgesetz zur kommunalen Wärmeplanung verabschiedet. Es soll den Kommunen mehr Klarheit und Handlungsspielraum geben. Insbesondere kleinere Gemeinden können auf ein vereinfachtes Verfahren setzen. mehr...

BEE-Präsidentin Simone Peter bewertet den Referentenentwurf zum EnWG und EEG überwiegend positiv.

BEE: Strombedarf bleibt hoch

[08.04.2025] Der BEE warnt vor einer Unterschätzung des Strombedarfs und übt Kritik an einer Aurora-Studie. mehr...

BDEW: Mehr Effizienz für Energiewende

[04.04.2025] Der BDEW fordert eine Kurskorrektur bei der Energiewende. Sie müsse effizienter, praxistauglicher und unbürokratischer werden. mehr...

Thüga: Kritik an Plänen der BNetzA

[02.04.2025] Die Pläne der Bundesnetzagentur zur Regulierung der Stromnetzbetreiber stoßen auf scharfe Kritik: Laut Thüga würden sie die Renditen drastisch senken und Investitionen in den Netzausbau erschweren. mehr...

interview

Interview: Weiterbildung als Renditebringer

[31.03.2025] Die kommunale Versorgungswirtschaft ist vom Fachkräftemangel stark betroffen. Warum Weiterbildungsmaßnahmen gerade in dieser Situation eine strategische Notwendigkeit sind, erklärt Christina Zenke, Leiterin der VKU Akademie, im Interview mit stadt+werk. mehr...

Lausitz: Bewerbung als Net Zero Valley in Brüssel

[24.03.2025] Die Lausitz strebt an, Europas erstes Net Zero Valley zu werden. In Brüssel präsentierten Vertreter der Region gemeinsam mit den Staatssekretären Sachsens und Brandenburgs ihre Bewerbung für das EU-Programm, das saubere Technologien und nachhaltige Industrien fördert. mehr...

Metropolregion Nordwest: Förderung von Projekten zur Energietransformation

[12.03.2025] Die Metropolregion Nordwest fördert mit insgesamt 500.000 Euro sechs innovative Projekte zur Energietransformation. Dabei stehen der Einsatz Künstlicher Intelligenz, die Fachkräftegewinnung, der Netzausbau sowie die Akzeptanzsteigerung der Energiewende im Fokus. mehr...

VKU: Neustart der Energiewende gefordert

[11.03.2025] Der VKU fordert einen Neustart der Energiewende mit einem klaren Fokus auf Kosteneffizienz. In einem aktuellen Positionspapier schlägt der Verband konkrete Maßnahmen vor, um steigende Netzentgelte zu begrenzen, die Finanzierung der Wärmewende zu sichern und den Ausbau erneuerbarer Energien systemdienlicher zu gestalten. mehr...

Wärmewende: Verbände appellieren an neue Bundesregierung

[05.03.2025] Ein breites Bündnis von Verbänden fordert die Politik auf, die Wärmewende mit klaren und verlässlichen Rahmenbedingungen voranzutreiben. In einem gemeinsamen Appell drängen sie auf eine sozialverträgliche und praxistaugliche Strategie, um die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung zu beschleunigen. mehr...

Nordrhein-Westfalen: Förderung für Projekt zur Bioökonomie

[28.02.2025] Mit dem Transformationscluster BioökonomieREVIER erhält das Rheinische Revier eine zentrale Plattform für die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft im Bereich der Bioökonomie. mehr...

EU: Stellungnahmen zum Clean Industrial Deal

[28.02.2025] Der von der EU-Kommission vorgestellte Clean Industrial Deal soll Europas Wettbewerbsfähigkeit stärken und die Industrie klimaneutral umgestalten. Unterschiedliche Stellungnahmen hierzu haben jetzt Thüga, Bitkom und BEE abgegeben. mehr...