Montag, 16. Juni 2025

WindkraftUnternehmerischer Blick lohnt sich

[02.05.2016] Windparks sind für reine Finanzinvestoren kaum noch interessant. Über den Markt für Windprojekte und Kooperationen von Projektentwicklern mit Stadtwerken sprach stadt+werk mit Jörg Zinner, Geschäftsführer der Regensburger Ostwind-Gruppe.
Jörg Zinner

Jörg Zinner, Geschäftsführer der Regensburger Ostwind-Gruppe

(Bildquelle: Ostwind)

Herr Zinner, Ihr Unternehmen ist einer der Windkraft-Pioniere und seit über 20 Jahren in der Projektentwicklung aktiv. Wie hat sich der Markt verändert?

Früher waren Windparkprojekte im Grunde genommen Finanzprodukte. Das heißt, wir haben Windparks entwickelt und an einen Investor verkauft. Diese Investitionen ließen sich gut rechnen. Bis auf Schwankungen bei den Windstärken waren die Rahmenbedingungen klar. Laufzeit, EEG-Vergütung, Pacht und Zinsen konnten gut kalkuliert werden. Seit 2014 legt der Gesetzgeber der Windkraft jedoch immer mehr Steine in den Weg.

Welche sind das?

Da wäre beispielsweise Paragraf 24 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Dieser besagt, dass der Energieversorger bei negativen Börsenpreisen über mehr als sechs Stunden keine Vergütung mehr zahlt. Zudem gibt es die Verpflichtung, den Strom direkt zu vermarkten. Diese Entgelte sind nur kurzfristig kalkulierbar. Im Jahr 2017 kommt die Ausschreibung von Windparkprojekten hinzu. Damit wird es noch unsicherer, zu welcher Vergütung der Zuschlag erteilt wird. All dies führt dazu, dass es für reine Finanzinvestoren zunehmend schwieriger wird, das Risiko eines Windparks zu kalkulieren.

Wie reagiert die Windbranche – und Ihr Unternehmen – auf diese Entwicklung?

Für Projektentwickler, aber auch Stadtwerke, die ein Windprojekt nicht rein kaufmännisch betrachten, stellt sich die Situation anders dar. Aus unternehmerischer Sicht kann sich der Betrieb eines Windparks durchaus lohnen. Wir gehen deshalb dazu über, Windparks im Bestand zu halten und selbst zu betreiben. Das tun wir gerne in Kooperation mit Stadtwerken, weil sich Risiken gemeinsam leichter tragen lassen.

Mit welchen Argumenten überzeugen Sie Stadtwerke von einer Kooperation?

Der Betrieb eines Windprojekts muss für beide Seiten lukrativ sein. Wir betrachten das Projekt deshalb ganzheitlich über eine Laufzeit von 20 Jahren. Für Kooperationen haben wir unterschiedliche Konzepte entwickelt. Diese reichen von einem Open-Book-System, das alle Preise offenlegt, über den gemeinsamen Betrieb bis hin zu einer Art Leasing-Modell. In jedem Fall werden die Projekte gemeinsam mit dem jeweiligen Partnerunternehmen individuell bewertet und auf dessen Bedürfnisse hin angepasst.

Geht es dabei um bestehende Windparks oder noch zu entwickelnde Projekte?

Beides ist möglich. Es gibt Projekte, für die wir Partner suchen, wir werden aber auch von Stadtwerken angesprochen, die bereits ein Windprojekt planen und noch einen überregional erfahrenen Projektentwickler wie die Ostwind-Gruppe brauchen. Hier stehen wir für eine partnerschaftliche, transparente Zusammenarbeit bereit.

„Für neue Windprojekte gilt der Spruch: Zeit ist Geld.“
Erkennen Sie eine größere Nachfrage nach Windprojekten von kommunalen Versorgern?

Wir verspüren generell eine große Nachfrage nach Windparkprojekten. Das gilt insbesondere für bereits im Betrieb befindliche Anlagen, die gute Ergebnisse erzielen. Für die Umsetzung neuer Windprojekte gilt der Spruch: Zeit ist Geld. Wir haben ja eine degressive EEG-Vergütung, sie fällt um 1,2 Prozent pro Quartal. Je schneller also ein Projekt entwickelt wird, desto besser rechnet es sich.

Wie sieht es bei der Beteiligung von Bürgern an Windparks aus?

Ende des Jahres 2015 gab es aufgrund neuer gesetzlicher Auflagen einen regelrechten Einbruch bei Bürgerwindparks, weil es jetzt nicht mehr so einfach ist, eine Bürgerbeteiligung etwa über Nachrangdarlehen zu gestalten. Wir arbeiten jedoch an neuen Konzepten, um die Bevölkerung weiterhin ohne bürokratischen Aufwand an einem Windpark beteiligen zu können.

Wie sehen die Kooperationen von Ostwind mit Stadtwerken in der Praxis aus?

Die Zusammenarbeit kann in einer frühen Phase starten. Stadtwerke übernehmen dann zum Beispiel die Flächensicherung und Ostwind die Projektentwicklung. Bei der Umsetzung schafft der kommunale Energieversorger die Netzanschlüsse, wir bieten Leistungen bei der Beschaffung der Komponenten. Für den Betrieb des Windparks haben wir ein Stadtwerke-Konzept entwickelt, das auf Synergien setzt. Personal des Versorgungsunternehmens kann in die Betriebsführung übernommen werden, dadurch wird im Unternehmen Know-how aufgebaut. Mit den Stadtwerken Wunsiedel beispielsweise haben wir bereits verschiedene Formen der Kooperation umgesetzt, auch unser Betriebsführungskonzept. Wir nutzen gemeinsame Ressourcen und schaffen so neue Synergien.

Bei der Realisierung von Windprojekten müssen zahlreiche Hindernisse überwunden werden. Wo liegen die Stolperfallen und wie können sie überwunden werden?

Die Stolperfallen liegen meist individuell im Projekt. Manchmal gilt es für den Schutz einer bedrohten Vogelart zu sorgen oder es gibt seismologische Einwände oder Einschränkungen durch die Luftfahrt. Mit unserer langjährigen Erfahrung können wir beurteilen, ob es sich eventuell nur um eine Überreaktion einer Fachbehörde handelt, denn meist sind ähnliche Probleme schon bei anderen Projekten aufgetreten und konnten dort gelöst werden. Jedes Projekt hat seine Eigenarten, auf die wir schnell und flexibel reagieren müssen.

In welchen Bundesländern hat die Onshore-Windkraft noch Rückenwind?

In Thüringen und Hessen sind die meisten Projekte verteilt, dynamische Entwicklungen sehen wir in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Im Freistaat Bayern ist der Markt aufgrund der 10H-Abstandsregelung zusammengebrochen. Es gibt fast nur noch Projekte, die vor der Regelung, dass neue Windräder 2.000 Meter Abstand zu Wohnhäusern einhalten müssen, genehmigt wurden. Auch in Baden-Württemberg, wo die grün-rote Landesregierung den Windkraft-Ausbau voranbringen will, kommt der Ausbau der Windkraft nur sehr langsam in Schwung.

Wie schätzen Sie die politische Situation bei der Umsetzung der Energiewende ein?

Für uns ist wichtig, dass die Energiewende konsequent weitergeht. Oftmals wird der Ausbau erneuerbarer Energien an den Netzausbau gekoppelt. Es kann aber nicht zielführend sein, die Energiewende auszubremsen, nur weil der Netzausbau nicht zügig genug vorankommt. Wenn hier der limitierende Faktor liegt, müssen alternative Möglichkeiten gesucht werden. Speichertechnologien wie Power to Gas oder Power to Heat sollten gefördert werden. Unser Wunsch an die Politik ist es, dass die hohe Dynamik, die bereits im Markt vorhanden ist, aufrechterhalten wird. Die Position Deutschlands bei den Erneuerbaren muss weiter ausgebaut werden, schließlich entwickeln wir Lösungen für die Exportindustrie.

Wie bewerten Sie die Rolle der Offshore-Windkraft?

Ob Windkraft an Land oder auf See, beide Varianten haben Vorteile. Die Offshore-Windkraft ist aber ein Spielfeld für große Konzerne, während die Onshore-Branche eher mittelständisch geprägt ist. Sie sollte nicht beschädigt werden, weil man zu sehr auf Offshore setzt. Ein Oligopol bei der Energieerzeugung wünschen wir uns nicht zurück. Für uns ist deshalb klar: Die Onshore-Windkraft ist und bleibt die tragende Säule der Energiewende.

Interview: Alexander Schaeff

Zinner, JörgJörg Zinner ist seit vier Jahren Geschäftsführer der Ostwind-Gruppe und dort für Projekt-Management, Technik und Betriebsführung zuständig. Das mittelständische Unternehmen mit Sitz in Deutschland, Frankreich und Tschechien plant, errichtet und betreibt Windparks. Seit 1994 hat es über 500 Anlagen mit mehr als 800 Megawatt Leistung realisiert.



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