Donnerstag, 31. Juli 2025

Stadtwerke RatingenVom Pilotviertel zur smarten Stadt

[15.10.2013] Nach erfolgreicher Pilotphase erschließen die Stadtwerke Ratingen jetzt die gesamte Stadt für Smart Metering und Smart Grid. 45.000 Haushalte werden Teilhaber an dem intelligenten Netz.
Daniel Becker: „Eine sichere Energieversorgung kann künftig nur durch Vernetzung und durch intelligente Lösungen aufrechterhalten werden.“

Daniel Becker: „Eine sichere Energieversorgung kann künftig nur durch Vernetzung und durch intelligente Lösungen aufrechterhalten werden.“

(Bildquelle: privat)

Die Energiewende ist eines der zentralen Ziele der deutschen Politik und beruht auf gesellschaftlichem Konsens. Energieeffizienz, wie jüngst von der EU in der entsprechenden Richtlinie konkretisiert, und der Ausbau erneuerbarer Energiequellen sind jedoch nur eine Seite der Medaille. Die Energienetze müssen vorbereitet werden: Volatile Einspeisung aus erneuerbaren Energiequellen erfordert eine intelligente Netzsteuerung, die über das reine Smart Metering hinausgeht. Die Kundenbeziehungen entwickeln sich weiter, indem die Kunden in ihrer Rolle als Verbraucher und Erzeuger immer stärker eingebunden werden. Zudem werden die Energiesysteme komplexer. Eine sichere Energieversorgung kann künftig nur durch Vernetzung der Bausteine und durch intelligente Lösungen aufrechterhalten werden. Die Stromnetze werden intelligenter und entwickeln sich zu Smart Grids. Basis dafür sind Kommunikationsnetze und -lösungen, die zur Schlüsseltechnologie der Energiewende werden.
Die Stadtwerke Ratingen haben diese Entwicklung und insbesondere die Schlüsselrolle der Kommunikationsnetze frühzeitig erkannt. Als eines der ersten Stadtwerke in Deutschland stellt Ratingen systematisch die Weichen für die Zukunft und hat den Aufbau eines flächendeckenden Smart Grid gestartet. In Zusammenarbeit mit der Firma Power Plus Communications (PPC) haben die Stadtwerke in einem ersten Schritt das Stadtviertel Breitscheid-Nord mit Breitband-Powerline-Technologie (BPL) erschlossen. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Pilotprojektphase wird nun ein stadtweites BPL-Netz aufgebaut. 45.000 Haushalte werden Teilhaber am Smart Grid.
Die Energiewende muss noch um so manches Hindernis navigieren. Vollkommen klar ist jedoch, dass sie vollzogen wird und auf welcher Anforderungsbasis dies geschieht. Die rechtliche Grundlage stellt Paragraph 21c des Energiewirtschaftsgesetzes EnWG dar, der Energieversorger schon heute dazu verpflichtet, bei bestimmten Anschlussnehmern ein intelligentes Zählersystem (Smart Meter) einzubauen: wenn der Gesamtverbrauch über 6.000 Kilowattstunden liegt, eine dezentrale Erzeugungsanlage über sieben Kilowatt im Einsatz ist oder wenn eine Generalsanierung beziehungsweise ein Neubau durchgeführt wird. Weitere Smart Meter werden sukzessive in den kommenden Jahren bis hin zu flächendeckenden Angeboten ausgebaut.

Erfolgreicher Start mit BPL

In der ersten Stufe des Ratinger Projekts wurden von Mai bis Oktober 2011 im Stadtteil Breitscheid-Nord 733 intelligente Stromzähler installiert und – ausgehend von zwölf Niederspannungstransformatoren – mit BPL erschlossen. Die Infrastruktur der BPL-Technik besteht aus Head Ends im Transformator, aus Repeatern in den Schaltkästen und aus Gateways, die in der Nähe der Zähler montiert werden. Nach der Installation werden die Daten der Stromzähler und künftig auch von Wasser-, Gas-, und Heizwärmezählern, über einen Wireless-M-Bus an das BPL-Gateway gesendet. Von hier aus erfolgt die Übertragung im bewährten Transmission-Control-Protokoll (TCP) oder im IP-Protokoll über das Stromnetz. Damit lassen sich die Verbrauchsdaten von 733 Haushalten direkt und sicher in das bestehende Back-End-System der Stadtwerke einbinden. „Für die hohe Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit der BPL-Technik sprechen zwei Werte“, so Sylvia Gatzlaff, Projektleiterin bei PPC. „95 Prozent der Zähler lieferten bereits in der ersten Stunde nach der Installation ihre Daten ans System und anstatt der geforderten Auslese-Intervalle von 15 Minuten haben wir in Belastungstests für alle Haushalte Intervalle von zwei Minuten realisieren können. Die Kapazität des Systems ist also entsprechend hoch.“
Aufgrund der schnellen und problemlosen Implementierung und des erfolgreichen Tests im Pilotgebiet Breitscheid-Nord haben sich die Stadtwerke Ratingen dazu entschlossen, in einem zweiten Ausbauschritt die ganze Stadt für Smart Metering und Smart Grid zu erschließen. Hierzu gründeten die Stadtwerke die Gesellschaft KomMITT-Ratingen als eigenen Messstellen- und Telekommunikationsnetzbetreiber. Die KomMITT verwaltet, vermarktet und übernimmt den Messstellenbetrieb, womit sich die Stadtwerke frei von den Services Dritter machen. Neben dem Messstellenbetrieb und den entsprechenden Dienstleistungen ist die KomMITT für den Bau und Betrieb eines Glasfasernetzes verantwortlich. Unter der Marke rapeedo bietet KomMITT Telekommunikations- und Multimediadienste für private und gewerbliche Kunden an.

Unabhängigkeit im Smart Grid

Die Auswertung der Daten aller teilnehmenden Haushalte in anonymisierten Lastprofilen dienen dazu, neue kundenorientierte Stromverträge und -tarife zu entwickeln. Zudem bietet die BPL-Technologie durch ihre IP-basierte Struktur den Stadtwerken auch die Option, künftig weitere Produkte und Services abzubilden, die mit der technischen Lösung der PPC jetzt eine BPL-Grundinfrastruktur für das Stadtgebiet aufbaut. Das Projekt wurde im August 2013 gestartet und soll Zug um Zug alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen.
Da die Kunden ihre Daten in ihrem Portal auf Abruf auch sekundengenau nachvollziehen können, ergibt sich für sie ein aktuelles und präzises Bild ihres Verbrauchs, das es ihnen ermöglicht, Stromfresser zu identifizieren und ihr Verbrauchsverhalten zu optimieren. Die Stadtwerke Ratingen schaffen sich mit Breitband-Powerline eine Smart-Grid-fähige Kommunikationsinfrastruktur, die auch die dezentrale Einspeisung etwa aus Photovoltaik- und Mikro-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen privater oder kleingewerblicher Erzeuger managen kann. Für Leistungswerte in Echtzeit ist allerdings eine wirklich performante Struktur der Informations- und Kommunikationstechnologie nötig, wie die Fachleute der Stadtwerke Ratingen wissen: „Uns war wichtig, dass wir eine Kommunikationsinfrastruktur erhalten, die den gesamten Leitungsbereich vom Privathaushalt bis zu uns abdeckt“, fasst Friedrich Schnadt, Geschäftsführer der Stadtwerke Ratingen, die Zielvorstellung zusammen. „Mit dieser Investition stellen wir die Weichen für Ratingen und seine Bürger, um frühzeitig bei der Energiewende dabei zu sein. Es eröffnen sich großartige Chancen für erfolgreiche Partnerschaften in der gesamten Region.“

Daniel Becker ist Fachjournalist und Kommunikationsexperte aus Freiberg. Er beschäftigt sich im Schwerpunkt mit technologischen Themen aus den Bereichen Energie, Industrie sowie Logistik und Transport. Darüber hinaus gilt sein Interesse neuen Entwicklungen im IKT-Markt.




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