Freitag, 22. August 2025

Kreis Darmstadt-DieburgInformieren, Vorleben, Mitnehmen

[15.11.2012] Der Kreis Darmstadt-Dieburg hat die Notwendigkeit eines Umdenkens hinsichtlich der Energieversorgung frühzeitig erkannt und bezieht dabei auch die Bürger ein. Über das Energiekonzept der Kommune hat stadt+werk mit Landrat Klaus Peter Schellhaas gesprochen.

Herr Landrat, der Kreis Darmstadt-Dieburg erarbeitet derzeit ein Konzept für eine zukunftsfähige, lokale Energieversorgung. Auf welchen Bausteinen beruht dieses?

Einfach gesagt, auf den erforderlichen Bausteinen, um der großen gesellschaftspolitischen Herausforderung Klimawandel und Erschöpfung fossiler Brennstoffe im Rahmen unserer Möglichkeiten zu begegnen. Es geht uns hierbei darum, mittels zukunftsfähiger Energieversorgung und der Lokalisierung von Potenzialen und Verbrauch zur Energiewende beizutragen. Im Wesentlichen besteht unser Konzept aus drei Komponenten: Zum einen ist dies die flächendeckende Erzeugung erneuerbarer Energien, also dem Ausbau der Potenziale von Wind, Sonne, Biomasse und Geothermie. Weiterhin beabsichtigen wir eine schrittweise Umstellung der Mobilitätsstrukturen, indem wir eine Hinwendung zur umweltverträglicheren Fortbewegung, wie zum Beispiel der Elektromobilität, anstreben. Und schließlich geht es uns um einen Ausbau der kommunalen Wärmenutzung durch Gebäudesanierungen, Abwärmenutzung oder effiziente Heiztechniken, um nur einige Möglichkeiten zu nennen.

Welche Ziele hat sich der Kreis bei der Neuausrichtung seiner Energiepolitik und der Energieversorgung gesetzt?

Unsere Ziele sind klar: Neben dem wichtigen Beitrag zum Klimaschutz durch Energieeinsparungen und Senkung der CO2-Emissionen geht es darum, bezahlbare Energie zu erhalten und natürlich die Energieversorgung als solche sicherzustellen. Gerade letzteres ist auch im Hinblick auf die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Darmstadt-Dieburg entscheidend. Im Grunde genommen wird es zukünftig überall der bisherigen Globalisierungsstrategie entgegenlaufen müssen: Energie gilt es dort zu erzeugen, wo auch produziert wird. Natürlich sind das ehrgeizige Ziele. Aber Energieselbstverwaltung auf regionaler Ebene kann es nur durch ein Zusammenwirken von Kommunen, Bürgern und Wirtschaft geben. Und ein Landkreis kann und sollte hier als zentraler Steuerungs- und Impulsgeber agieren.

„Energiegenossenschaften benachbarter Landkreise haben Konjunktur.“
Welche Vorhaben sind in Darmstadt-Dieburg konkret geplant oder wurden bereits realisiert?

Ich glaube, im Landkreis wurde die Notwendigkeit eines Umdenkens hinsichtlich der Energieversorgung frühzeitig erkannt. Ausgangspunkt für konkrete Überlegungen ist eine Potenzialstudie aus dem Jahr 2008 für den Ausbau erneuer-barer Energien. Hierauf baut unser Klimaschutzkonzept auf, welches gegenwärtig erstellt und drei Teilkonzepte entsprechend der erwähnten Bausteine enthalten wird: Eine Potenzialanalyse Erneuerbare Energien, eine Machbarkeitsstudie Klimafreundliche Mobilität und ein Konzept zur Integrierten Wärmenutzung für Kommunen. An den Ergebnissen des Klimaschutzkonzeptes wird sich dann unser weiteres Vorgehen ausrichten. Darüber hinaus haben wir aber bereits jetzt eine Vielzahl von Unternehmungen getätigt, die unsere Ziele widerspiegeln. So werden sämtliche Baumaßnahmen des Landkreises unter den geschilderten Prämissen ausgeführt. Zu erwähnen ist hier insbesondere unser umfangreiches Schulbauprogramm. Wir sind zudem bestrebt, bauleitplanerische Vorgaben im Rahmen unserer Möglichkeiten anzuregen. Basierend auf unserem Konzept ist zudem die Gründung einer Energiegenossenschaft zur Gewinnung regenerativer Energien gemeinsam mit Kommunen und weiteren Akteuren in der Diskussion. Vor allem aber gibt es bereits eine Vielzahl von Projekten zur Gewinnung regenerativer Energie, welche die volle Unterstützung des Kreises erhalten. Hervorzuheben wäre etwa die geothermische Bohrung bis in eine Tiefe von über 800 Metern in Groß-Umstadt durch den Energiedienstleister HSE, mit welcher ein mittelständisches Industrieunternehmen autark versorgt wird – ein Projekt von sicherlich europaweiter Bedeutung.

Ein wichtiges Stichwort bei der Umsetzung der Energiewende lautet Akzeptanz. Was können Kommunen tun, um diese zu erreichen?

Informieren, Vorleben, Mitnehmen. Diese drei Aspekte sind für mich die Schlüsselbegriffe, um Bürger und Wirtschaft für die Notwendigkeit der Energiewende zu sensibilisieren. Eine Grundakzeptanz ist bereits vorhanden – das ist wichtig. Das Was und das Wie hingegen müssen im Detail kommuniziert werden. Hierzu gehören eine breite Öffentlichkeitsarbeit ebenso wie Energieberatungen vor Ort in den Kommunen, im Optimalfall in Kooperation mit den Energieversorgern, wie es zum Bespiel bei uns im Kreis durch die Entega geschieht. Auch habe ich mit dem Energieforum eine turnusmäßige Gesprächsreihe für die Bürger initiiert. Das Vorleben besteht darin, eigene Liegenschaften energetisch zu sanieren, regenerative Energien zu nutzen und mit gutem Beispiel voranzugehen, indem man die Mobilität der eigenen Mitarbeiter im Sinne eines zukunftsfähigen Energiekonzeptes positiv verändert. Auch hieran arbeiten wir.

Der Kreis Darmstadt-Dieburg will bei der Realisierung seines Energiekonzeptes die Bürger einbeziehen. Welche Möglichkeiten der Beteiligung haben diese?

Aktuell steht für uns die Gründung einer Genossenschaft für die Nutzung von Windenergie im Vordergrund. Bürger können sich aktiv beteiligen, indem sie Anteile der Genossenschaft erwerben. Erfahrungen zeigen, dass derartige Organisationsformen auch als Akzeptanzmotor dienen. Wir wissen, dass die Energiegenossenschaften benachbarter Landkreise oder unserer kreisangehörigen Stadt Pfungstadt Konjunktur haben. Die weiteren konkreten Beteiligungsmöglichkeiten werden sich aus den Ergebnissen des Klimaschutzkonzeptes ableiten lassen.

Welche Anregungen haben Sie von den Bürgern erhalten und inwiefern werden diese in die Erstellung des Konzeptes einfließen?

Ich persönlich, aber auch andere Akteure, werden immer wieder auf Energieerzeugung und Energievorsorge angesprochen. Dabei werden uns viele gute Anregungen und Ideen geliefert, die auch in die Entstehung unseres Konzeptes einfließen. Das Ganze ist ein stetiger Prozess. Was wir aber feststellen ist, dass die Bürger nach einer zukunftsfähigen lokalen und flächendeckenden Energieversorgung fragen. Und wer sonst als ein Landkreis kann hierauf strukturierte Antworten geben?

Interview: Bettina Schömig

Schellhaas, Klaus PeterKlaus Peter Schellhaas (SPD) ist seit 2009 Landrat des Kreises Darmstadt-Dieburg. Von 2000 bis 2006 war der Diplom-Sozialpädagoge Bürgermeister der Gemeinde Modautal im Landkreis Darmstadt-Dieburg und ab dem Jahr 2007 als Erster Kreisbeigeordneter Sozialdezernent des Landkreises und Vertreter des Landrats.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Klimaschutz

AEE: Hoyerswerda ist Energie-Kommune des Monats

[21.08.2025] Die Stadt Hoyerswerda ist jetzt von der Agentur für Erneuerbare Energien als Energie-Kommune des Monats ausgezeichnet worden. Mit wissenschaftlicher Begleitung bereitet sich die Lausitzstadt auf das Ende der Kohlewärme vor. mehr...

Mannheim: Spitzenreiter im Klimaschutz

[14.08.2025] Mannheim gehört erneut zu den internationalen Spitzenreitern im Klimaschutz. Die Stadt erhielt zum dritten Mal in Folge die Bestnote A der Umweltorganisation CDP für ihre transparente Klimabilanz und wirksame Strategien. mehr...

Stuttgart: Neuer digitaler Klimaatlas

[08.08.2025] Ein neuer digitaler Klimaatlas unterstützt Planerinnen und Planer in der Region Stuttgart bei der klimaresilienten Stadtentwicklung. Das vom Forschungsprojekt ISAP entwickelte Online-Tool liefert aktuelle Klimadaten, Szenarien und Bewertungen möglicher Anpassungsmaßnahmen. mehr...

bericht

Emissionshandel: CO₂-Ausstoß im Energiesektor sinkt stark

[18.07.2025] Der Europäische Emissionshandel besteht seit 20 Jahren. In Deutschland sind die Emissionen der beteiligten Anlagen seitdem um fast die Hälfte gesunken. Besonders stark wirkt der Handel im Energiesektor. mehr...

bericht

Stuttgart: Klimaschutz zahlt sich aus

[17.07.2025] Die Landeshauptstadt Stuttgart hat ihren Energieverbrauch im Jahr 2023 weiter gesenkt und auch die Emissionen konnten reduziert werden. Dennoch wurde der CO₂-Zielwert knapp überschritten. Die Einsparungen summieren sich allerdings auf über 80 Millionen Euro. Dies geht aus dem aktuellen Energie- und Klimaschutzbericht hervor. mehr...

ASEW: Erweiterung des Netzwerks

[17.07.2025] Die ASEW baut ihr Netzwerk weiter aus. Nach Dreieich und Blomberg lässt nun auch Oberursel sein Stromportfolio durch die ASEW prüfen, dort sogar mit dem höheren ok‑power‑plus‑Siegel. mehr...

Stuttgart: Klimazwischenziel erreicht

[16.07.2025] Stuttgart hat sein Klimazwischenziel erreicht: Der neue Energie‑ und Klimaschutzbericht weist für 2023 einen Rückgang der CO₂‑Emissionen um 54 Prozent und des Endenergieverbrauchs um 23 Prozent gegenüber 1990 aus. mehr...

bericht

Klimawandel: Klimaresiliente Infrastruktur

[04.07.2025] Hitzeperioden, Trockenzeiten, Starkregen und Überflutungen nehmen zu – der Klimawandel stellt Städte und Gemeinden vor Herausforderungen. Klimaschutz und gezielte Maßnahmen zur Klimaanpassung werden wichtiger. Kommunale Unternehmen nehmen dabei eine zentrale Rolle ein. mehr...

Baden-Württemberg: Energie bei landeseigenen Gebäuden eingespart

[24.06.2025] Mit über 500 Einzelmaßnahmen hat das Land Baden-Württemberg im vergangenen Jahr gezielt in den Klimaschutz seiner Liegenschaften investiert. Der Energieverbrauch wurde deutlich gesenkt, die Nutzung erneuerbarer Energien ausgebaut – bei Kosten von mehr als 90 Millionen Euro. mehr...

Baden-Württemberg: Unterstützung für Energieagenturen aufgestockt

[20.06.2025] Baden-Württemberg hat jetzt die finanzielle Unterstützung für regionale Energieagenturen verdoppelt. Ziel ist der flächendeckende Ausbau kostenloser Beratungsangebote zu Klimaschutz, Energieeffizienz und Wärmewende. mehr...

Stuttgart: Klima-Innovationsfonds erhält Auszeichnung

[11.06.2025] Der Stuttgarter Klima-Innovationsfonds wurde auf dem Deutschen Kommunalkongress in Berlin doppelt mit dem „Bewährt vor Ort“-Siegel ausgezeichnet. Die Jury würdigte das Projekt als bundesweites Vorbild für Klima- und Ressourcenschutz sowie zukunftsweisende Verwaltungsarbeit. mehr...

Burbach: Auszeichnung als Energie-Kommune des Monats

[19.05.2025] Die Gemeinde Burbach im Siegerland wird von der Agentur für Erneuerbare Energien als Energie-Kommune des Monats Mai ausgezeichnet. Die Kommune überzeugt mit einem ganzheitlichen Ansatz zur Energiewende – von Gebäudesanierungen über Mobilitätskonzepte bis hin zur Bürgerbeteiligung. mehr...

Climate Star Award: Vier deutsche Städte ausgezeichnet

[13.05.2025] Vier deutsche Städte haben jetzt den Climate Star Award 2025 für vorbildlichen kommunalen Klimaschutz erhalten. Das Klima-Bündnis würdigt ihre innovativen Projekte bei einer Gala in Österreich. mehr...

Wiesbaden: Klimaplan verabschiedet

[08.05.2025] Wiesbaden will bis 2045 klimaneutral werden – der Magistrat hat dafür einen umfassenden Klimaplan verabschiedet. 73 konkrete Maßnahmen sollen die Emissionen der Stadt deutlich senken und den Weg zur nachhaltigen Transformation ebnen. mehr...

Würzburg: Kurs auf Klimaneutralität

[28.04.2025] In Würzburg sinken Energieverbrauch und CO2-Ausstoß. Das zeigt der aktuelle Klimabericht der Stadt. Doch das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, bleibt ehrgeizig, sagt Bürgermeister Martin Heilig. Er fordert, das Tempo hoch zu halten. mehr...