Samstag, 13. Dezember 2025

EWI-StudieKohleaus wirkt auf Netzfrequenz

[03.03.2020] Weil die konventionelle Stromerzeugung, etwa durch den Kohleausstieg, zurückgeht, ist die Stabilität der Stromnetze ohne Gegenmaßnahmen künftig nicht mehr uneingeschränkt gesichert. Das zeigt eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI).
Die Frequenzstabilität könnte durch zu wenig konventionelle Erzeugungskapazitäten gefährdet werden.

Die Frequenzstabilität könnte durch zu wenig konventionelle Erzeugungskapazitäten gefährdet werden.

(Bildquelle: Frank Urbansky)

Der Kohleausstieg hat viele Wirkungen, unter anderem auf die Strompreise, den CO2-Ausstoß und den Strommix in Deutschland. Und es gibt weitere Folgen, die sich erst auf den zweiten Blick erschließen. Der Kohleausstieg beeinflusst auch die Stabilität der Stromnetze. Denn die Trägheit der konventionellen Kraftwerksgeneratoren sorgt mit dafür, dass die Frequenz von 50 Hertz gehalten wird. Wenn ein Kraftwerk ausfällt, dämpft diese Momentanreserve die Frequenzabweichung aufgrund des Leistungsungleichgewichts zwischen Erzeugung und Last, das wegen des Ausfalls entsteht. Dies verschafft der Primärregelleistung Zeit zur Aktivierung, um das Leistungsungleichgewicht wieder ausgleichen zu können. Damit werden kritische Netzzustände vermieden, die im schlimmsten Fall zu Stromausfällen führen können.

Aktive Maßnahmen

Ein Team des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) hat nun gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen ef.Ruhr untersucht, wie sich der Kohleausstieg in Deutschland auf die Momentanreserve im Energieversorgungssystem auswirkt. Die im Auftrag von Siemens erstellte Studie zeigt: Um die Frequenzstabilität des Energieversorgungssystems auch im Jahr 2040 zu gewährleisten, sind die dann noch aktiven konventionellen Kraftwerke nicht ausreichend. Es müssen aktiv Maßnahmen zur Steigerung der Momentanreserve und der Frequenzstabilisierung getroffen werden.
Mithilfe des EWI-eigenen Modells DIMENSION für den europäischen Strommarkt haben die Autoren Eglantine Künle, Philipp Theile und Christian Wagner die Kraftwerksparks für das Jahr 2040 in zwei Szenarien optimiert. Beide Szenarien bilden den von der Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung – der Kohlekommission – beschlossenen deutschen Kohleausstieg ab. Im zweiten Szenario nutzen außerdem die europäischen Länder mit einem derzeit hohen Anteil konventioneller Stromerzeugung künftig mehr erneuerbare Energien. Die Autoren betrachteten zwei Fälle: einen normativen Ausfall, also einen Ausfall von drei Gigawatt Kraftwerksleistung, und einen System-Split-Fall, also einen Zerfall des Europäischen Verbundsystems in mehrere Netzinseln.

Momentanreserve sinkt

Ein solcher System-Split-Fall war im Jahr 2006 schon einmal eingetreten. Das Ergebnis der Analyse: Mehr Strom aus erneuerbaren Energien und weniger Strom aus konventionellen (Kohle-)Kraftwerken senkt die Momentanreserve. Im Szenariojahr 2040 würde laut Berechnungen von EWI und ef.Ruhr im Fall eines normativen Ausfalls das zulässige Frequenzminimum im europäischen Verbundbetrieb unterschritten. Im System-Split-Fall würde der Frequenzgradient kritisch ansteigen. Beides verursacht kritische Systemzustände, die es für eine sichere und unterbrechungsfreie Stromversorgung unbedingt zu vermeiden gilt.

Schnellere Frequenzregelung

Zur Lösung schlagen die Autoren vor, die Frequenzstabilität durch konkrete Maßnahmen zu sichern: Die Erhöhung der Momentanreserve etwa durch entsprechende Umrichter von Erneuerbare-Energie-Anlagen wäre eine Möglichkeit. Eine weitere Möglichkeit ist eine schnellere Frequenzregelung. Die Primärregelleistung könnte hierzu beschleunigt werden, oder es könnte eine zusätzliche schnellere Form der Primärregelung, die so genannte Fast Frequency Response, etabliert werden. Diese könnten sowohl konventionelle Kraftwerke, aber beispielsweise auch Windkraftanlagen, Batteriespeicher, Schwungräder oder leistungselektronische Bauteile wie HGÜ-Verbindungen erbringen.





Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Netze | Smart Grid

Hamburger Energienetze: eRound bündelt drei digitale Lösungen

[05.12.2025] Die Hamburger Energienetze bündeln unter der Marke eRound drei digitale Lösungen für Lade-Infrastruktur, Verteilnetze und Smart-City-Anwendungen. Ziel ist eine effizientere Steuerung der Energiewende und ein transparenter Blick auf den Zustand kritischer Infrastruktur. mehr...

TransnetBW: Gesetz zur Strompreis-Senkung verabschiedet

[04.12.2025] Ein staatlicher Zuschuss von 6,5 Milliarden Euro soll 2026 die Netzentgelte und damit die Strompreise für Verbraucherinnen und Verbraucher spürbar dämpfen. Bundestag und Bundesrat haben das entsprechende Gesetz verabschiedet. mehr...

Niederviehbach: Zweite Einspeisesteckdose gestartet

[02.12.2025] In Niederviehbach ist das zweite bayerische Pilotprojekt zur sogenannten Einspeisesteckdose gestartet. Damit soll laut Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger der Netzausbau schneller, effizienter und planbarer werden. mehr...

Schleswig-Holstein: Strategiepapier für mehr Netz-Flexibilität

[28.11.2025] Ein neues Strategiepapier soll mehr Flexibilität beim Netzanschluss schaffen und Engpässe bei der Energiewende vermeiden. Nach Angaben des schleswig-holsteinischen Energiewendeministeriums sollen dafür Vergaberegeln, Anschlussverfahren und die Nutzung bestehender Netzpunkte grundlegend überarbeitet werden. mehr...

Hamburg: Projekt zur Netzsteuerung gestartet

[24.11.2025] In Hamburg startet das Leitprojekt FARFALLE, das eine präzisere und fairere Netzsteuerung nach §14a EnWG ermöglichen soll. Die Partner entwickeln dafür ein Verfahren, das steuerbare Verbrauchseinrichtungen gezielt statt pauschal drosselt und so Engpässe effizienter beseitigt. mehr...

interview

Langmatz: Plastik schlägt Beton

[17.11.2025] Warum Kabelschächte aus Kunststoff langfristig die bessere Wahl sind und welche Vorteile sich daraus für Tiefbauunternehmen, Netzbetreiber und Kommunen ergeben, erklärt Dieter Mitterer, einer der beiden Geschäftsführer von Langmatz, im Interview. mehr...

TransnetBW: Forschungsprojekt zur digitalen Vernetzung gestartet

[13.11.2025] Mit DataFleX startet unter der Leitung von Tennet Germany ein neues Forschungsprojekt zur digitalen Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr. Ziel ist es, dezentrale Energieflexibilitäten erstmals sektorenübergreifend nutzbar zu machen und damit Netzstabilität, Klimaschutz und Bezahlbarkeit zu sichern. mehr...

50Hertz: Neue Netzanschlüsse geplant

[12.11.2025] Der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz hat Netzanschlüsse für Projekte mit einer Gesamtleistung von fast 30 Gigawatt zugesagt – ein Rekord in der Unternehmensgeschichte. Neben Wind- und Solarparks sollen auch Großbatterien, Elektrolyseure und Rechenzentren ans Netz gehen. mehr...

Bundesnetzagentur: Letzter Abschnitt von Ultranet genehmigt

[06.11.2025] Die Bundesnetzagentur hat die Stromleitung Ultranet in ihrem letzten Abschnitt genehmigt. Damit ist der Verlauf der rund 342 Kilometer langen Gleichstromtrasse zwischen Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg vollständig festgelegt und der Weg zur geplanten Inbetriebnahme Ende 2026 frei. mehr...

BDEW: Kritik an Anreizregulierung NEST

[31.10.2025] Die Bundesnetzagentur hat den Länderausschuss über Anpassungen bei der neuen Anreizregulierung NEST informiert. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßt einzelne Änderungen, hält sie insgesamt aber für unzureichend, um dringend nötige Investitionen in die Energienetze zu sichern. mehr...

Balzhausen: Erste Einspeisesteckdose Deutschlands in Betrieb gegangen

[23.10.2025] In Balzhausen im bayerisch-schwäbischen Landkreis Günzburg ist Deutschlands erste Einspeisesteckdose in Betrieb gegangen. Das von LEW Verteilnetz und Bayernwerk Netz entwickelte Konzept soll Erneuerbare-Energien-Anlagen schneller, günstiger und planbarer ans Netz bringen. mehr...

bericht

Datenplattform: Analoger Strom in digitalen Netzen

[13.10.2025] Mit seiner Smart Energy Platform unterstützt der Hersteller GISA Stadtwerke bei der Digitalisierung der Niederspannung. Das Unternehmen setzt dabei auf die Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern und auf offene, skalierbare Lösungen. mehr...

Stadtwerke Völklingen: Neue Trafostation in Betrieb genommen

[13.10.2025] In Völklingen-Ludweiler ist eine neue Trafostation in Betrieb gegangen. Die Anlage „Zum Heidenhübel“ stärkt laut Stadtwerke Völklingen Netz die lokale Stromversorgung und verbessert die Einspeisung von Energie aus Photovoltaikanlagen. mehr...

Mitnetz Strom: Investitionen in Westsachsen

[30.09.2025] Mitnetz Strom investiert 2025 in Westsachsen 565 Millionen Euro in Ausbau, Modernisierung und Digitalisierung des Stromnetzes. Ziel ist eine sichere Energieversorgung und die Integration wachsender Einspeisungen aus erneuerbaren Energien. mehr...

SuedOstLink: Richtfest für Station in der Hohen Börde

[30.09.2025] In der Hohen Börde bei Magdeburg wurde jetzt das Richtfest für eine zentrale Station des SuedOstLinks gefeiert. Die Anlage soll künftig Leitungen bündeln, Kabelübergänge sichern und den Betrieb überwachen. mehr...