EnergiepolitikAls Einheit zum Erfolg

BDEW-Präsident Ewald Woste ist davon überzeugt, dass weitere wettbewerbliche Elemente wie Ausschreibungen das EEG effizienter machen werden.
(Bildquelle: BDEW)
Herr Woste, im Sommer soll das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vom Bundestag verabschiedet werden. Das wird für Diskussionsstoff auf dem BDEW Kongress sorgen. Wie bewerten Sie die von der Bundesregierung inzwischen beschlossenen Regelungen?
Die Novelle ist eine gute Basis, um die erneuerbaren Energien schrittweise in den Markt zu führen und ihnen damit mehr Verantwortung zu übertragen. Der BDEW hatte die verpflichtende Direktvermarktung und die wettbewerbliche Ermittlung der Förderhöhe schon lange gefordert. Diese beiden Punkte sind nun im Gesetzentwurf die Grundlage für einen systemverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Direktvermarktung ist längst ein Erfolgsmodell: Der Anteil der EEG-Strom-Menge, die am Markt verkauft wurde, lag im Jahr 2013 insgesamt bereits bei über 50 Prozent. Auf diese Weise wird das System effizienter und bringt Strom-Angebot und Strom-Nachfrage stärker in Einklang.
Auf dem Kongress wird der Bundeswirtschaftsminister sprechen. Welche kritischen Punkte der EEG-Reform werden Sie gegenüber Sigmar Gabriel ansprechen?
Es gibt nach jetzigem Stand in der Tat einige Punkte im aktuellen Gesetzentwurf, die aus unserer Sicht kritisch sind und bei denen nachgearbeitet werden sollte: So etwa die stark reduzierte Förderung der Biomasse, die einen Ausbau von Bioerdgasanlagen kaum mehr zulässt. Zudem genügen einige im Gesetzentwurf enthaltene Übergangsregelungen für bereits projektierte Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung nicht den Anforderungen an den Vertrauens- und Bestandsschutz. Da ist zum Beispiel die so genannte Stichtagsregelung zu nennen. Diese sorgt unter Umständen dafür, dass Windenergieanlagen, die im Vertrauen auf die Gültigkeit des bestehenden EEG bis Ende 2014 geplant wurden, bereits unter die Regelungen des neuen Gesetzes und damit unter andere Förderbedingungen fallen. Dennoch bleibt festzuhalten: Der Gesetzentwurf zur EEG-Reform geht grundsätzlich in die richtige Richtung.
Das Motto des Kongresses lautet „Unternehmen Zukunft: Neue Geschäftsmodelle für die Energie- und Wasserwirtschaft“. Welche neuen Geschäftsfelder sollten insbesondere die Stadtwerke erschließen?
Der bewusste Umgang mit Energie und mehr Energieeffizienz werden den Energiemarkt der Zukunft prägen. Für die Stadtwerke aber auch für alle anderen Unternehmen der Branche gilt es, ihr Geschäftsmodell auf die Zukunft auszurichten – das umfasst nicht nur die Suche nach neuen Geschäftsfeldern, sondern auch nach passenden Kooperationspartnern. Contracting in den Bereichen Wärmelieferung, Anlagetechnik sowie deren Betriebsführung wird immer interessanter, hier können sich zum Beispiel regional agierende Energieversorger gut etablieren. Zudem sollten Stadtwerke das bereits heute bestehende breite Spektrum an Dienstleistungen weiter ausbauen: Audits, wie beispielsweise die Ausstellung von Energieausweisen und die Durchführung von Energieanalysen, gehören genauso dazu wie Energie-Controllings bis hin zu kompletten Energie-Management-Systemen. Verständliche Verbraucherinformationen und praktische Energiespartipps sind für die Kunden ebenso von Interesse wie Fachberatung bei Neubau oder Modernisierung, Förderprogramme für energieeffiziente Strom- und Wärmeanlagen, Energie- und Stromsparchecks oder auch Energiespar-Darlehen für effiziente Haushaltsgeräte, um nur einige Angebote zu nennen. In ihrer Funktion als Verteilnetzbetreiber haben die Stadtwerke es zudem in der Hand, eine zentrale Rolle in der angestrebten smarten Energiewelt zu spielen.
Immer mehr Betriebe und Bürger erzeugen ihre Energie selbst. Wie müssen die kommunalen Versorger darauf reagieren?
Klar ist: In erster Linie bedeutet diese Entwicklung für den Energieversorger einen rückläufigen Absatz. Wer hier nicht reagiert und versucht, diese Entwicklung zu kompensieren, wird mit ansehen müssen, wie sich dies auch negativ auf das Unternehmensergebnis niederschlagen wird. Neben Eigenerzeugung oder Erzeugungskooperationen mit anderen Unternehmen können beispielsweise Energieeffizienz und Energiedienstleistungen ein interessantes Geschäftsfeld sein. Energiewirtschaftliche Kompetenz ist vielleicht wichtiger denn je und die Unternehmen der Energiebranche beherrschen diese Komplexität. Warum sollten wir also nicht für die Eigenerzeuger die Anlagen betreiben und gleichzeitig Speicher- und Demand-Sides-Management-Lösungen anbieten und vermarkten?
„Die Direktvermarktung ist längst ein Erfolgsmodell.“
Viele kommunale Versorger investieren in den Ausbau erneuerbarer Energien und müssen die Verteilnetze ausbauen. Wie kann all dies finanziert werden?
Verteilnetzbetreiber haben in den vergangenen Jahren erheblich in den Ausbau ihrer Netze investiert, um den Strom der rasant wachsenden Erneuerbare-Energien-Einspeiser aufzunehmen. Unabhängig von der Eigentümerstruktur sehen sich die Verteilnetzbetreiber damit konfrontiert, dass die Anreizregulierung diese Investitionen in den Ausbau der Netze aber nicht honoriert. Das hat vor allem mit dem so genannten Zeitverzug zu tun. Die Verteilnetzbetreiber müssen lange warten, bis sie ihr eingesetztes Kapital zurückverdienen dürfen. Der BDEW hat deshalb einen Vorschlag entwickelt, um die Verzögerungen beim Netzausbau schnell und unkompliziert zu beseitigen: Es handelt sich um ein neues Antragsverfahren für Unternehmen, das im Rahmen der Anreizregulierung eingesetzt werden kann. In den nächsten zehn Jahren sind aufgrund des massiven Zubaus von dezentralen Photovoltaik- und Windenergieanlagen Investitionen von rund 25 Milliarden Euro allein in die Verteilnetze notwendig. Jede Milliarde Euro, die hier nicht investiert wird, führt zu unnötigen Verzögerungen beim Ausbau der erneuerbaren Energien vor Ort und gefährdet die Systemstabilität.
Auf dem BDEW Kongress wird auch über ein neues Marktdesign für die Energiewirtschaft diskutiert. Wie kann Versorgungssicherheit durch neue Regeln gewährleistet werden?
Die Lage auf dem konventionellen Stromerzeugungsmarkt spitzt sich insgesamt immer weiter zu. Inzwischen wurde laut Bundesnetzagentur für 47 Kraftwerke die Stilllegung beantragt, beim Kraftwerksneubau droht gleichzeitig eine neue Eiszeit. Wir brauchen aber noch für viele Jahre konventionelle Kraftwerke – in Ergänzung zu den erneuerbaren Energien. Die Vorschläge des BDEW hierzu liegen auf dem Tisch: Es muss eine finanzielle Lösung für die Kraftwerke geben, die immer dann bereitstehen, wenn in den Stunden der dunklen Flaute die Erneuerbaren keinen Strom produzieren. Der BDEW-Vorschlag sieht vor, dass konventionelle Kraftwerke künftig auch ihre Kapazitäten als eigenes Angebot vermarkten können. Auf diesem ‚dezentralen Leistungsmarkt‘ würden gesicherte Kapazitäten von Kraftwerken in Form so genannter Versorgungssicherheitsnachweise gehandelt.
Ist die Energiewende mit dem neuen EEG nun auf dem richtigen Gleis oder müssen noch weitere Weichen gestellt werden?
Entscheidend wird sein, ob es uns gelingt, die bestehenden Aufgaben in einem intelligenten Gesamtsystem neu zusammenzuführen. Die konsequente Reform des EEG ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir sind davon überzeugt, dass weitere wettbewerbliche Elemente wie Ausschreibungen das EEG effizienter machen werden. Genauso wichtig sind die Einführung eines Kapazitätsmarktes für konventionelle Kraftwerke und der Netzausbau. Mein Appell an die Politik ist, diese Themen nicht länger isoliert zu betrachten. Sie stehen in starker Wechselwirkung zueinander und können nur als Einheit zum Erfolg führen.
Dieses Interview ist in der Juni-Ausgabe von stadt+werk im Spezial BDEW-Kongress erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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