Montag, 16. Juni 2025

AGFWBGH-Urteil verzögert Wärmewende

[14.08.2024] Bei den Wegenutzungsrechten für Fernwärmenetze vermutet der AGFW eine Verzögerung durch ein BGH-Urteil.

Unternehmen der Fernwärmeversorgung benötigen zum Neu- und Ausbau von Verteilleitungen im öffentlichen Straßenraum Wegenutzungsrechte. Dazu schließen sie mit Kommunen Gestattungsverträge. Nach jüngstem Urteil erlaubt der Bundesgerichtshof Kommunen ein Auswahlverfahren, auf dessen Grundlage lediglich ein Unternehmen die Gestattung erhält. Das verunsichert die Versorger, die bisher Verträge freihändig, das heißt ohne Ausschreibungsverfahren, vereinbaren konnten. Ein vom Energieeffizienzverband AGFW bei dem Kartell- und Energierechtler Max Baumgart beauftragtes Rechtsgutachten analysiert das BGH-Urteil und seine Folgen.
„Bislang war es so, dass die Versorger auf die Kommunen zugegangen sind, um für bestimmte Teilgebiete oder sogleich für das gesamte Gebiet Wegenutzungsrechte einzuholen“, erläutert Norman Fricke, Bereichsleiter Recht und Europa beim AGFW. Da Gestattungsverträge aus kartellrechtlichen Gründen keine Exklusivrechte erlauben, ist es rechtlich möglich und gängige Praxis, dass mehrere Fernwärmeversorger in derselben Ortschaft tätig sind und entsprechende Wegenutzungsrechte einholen.

Für mehrere Anbieter problematisch

In vielen deutschen Kommunen bieten mehrere Fernwärmeversorger und Energiedienstleistern mit mehr oder weniger ausgedehnten Wärmenetzen ihre Wärme an. Soweit Kommunen die Gewährung von Wegenutzungsrechten verweigern, hatten Fernwärmeversorgungsunternehmen nach verbreiteter und auch vom AGFW vertretener Auffassung einen kartellrechtlichen Anspruch auf Abschluss eines Wegenutzungsvertrags zu angemessenen Konditionen.
Mit dem Urteil des BGH vom 5. Dezember 2023 wird diese Praxis jedoch infrage gestellt. Der BGH ist der Auffassung, dass Ansprüche Wegerechte nur dann bestehen, wenn die technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten den Bau paralleler Netzinfrastrukturen erlauben. Da letzteres – wie der BGH unterstellt – in der Regel nicht der Fall ist, dürfe die Kommune ein Auswahlverfahren durchführen, auf deren Grundlage ein einziges Unternehmen die Gestattung erhält. Daher sind derzeit nicht nur die Versorger, sondern auch viele Kommunen verunsichert. Sie stellen sich die Frage, ob sie künftig Wegenutzungsverträge nur noch nach vorherigem Auswahlverfahren erteilen dürfen.

Urteil wirft mehr Fragen auf

Vor diesem Hintergrund hat der AGFW bei dem Kartell- und Energierechtler Max Baumgart ein Rechtsgutachten zur Analyse der nach dem BGH-Urteil bestehenden Rechtslage beauftragt. Es kommt zu dem Ergebnis, dass das Urteil nicht die Rechtslage geklärt hat, sondern mehr Fragen aufwirft als beantwortet. „Der BGH hat offengelassen, ob Kommunen zur Durchführung eines Auswahlverfahrens verpflichtet sind. Soweit er eine solche Ausschreibungspflicht nahelegt, ist die rechtliche Grundlage fragwürdig und verkennt etablierte kartellrechtliche Grundsätze“, so Baumgart.
Vor dem Hintergrund des Gutachtens vertritt der AGFW nach wie vor die Rechtsauffassung, dass Wegenutzungsverträge mit interessierten Kommunen freihändig und ohne Ausschreibungsverfahren geschlossen werden dürfen. Eine solche Vorgehensweise ist im Zuge der Wärmewende unerlässlich. Der von der Bundespolitik gewünschte und durch das WPG flankierte Ausbau der Wärmenetze würde durch langwierige Auswahlverfahren stark verzögert werden. „Würde sich die Rechtsauffassung durchsetzen, dass Gestattungsrechte für bestehende Fernwärmesysteme via Auswahlverfahren an Dritte vergeben dürfen, lähmt das die Investitionsbereitschaft der Fernwärmebranche“, warnt Fricke.
Wenn Deutschland, wie vorgeschrieben, bis 2030 zu 50 Prozent mit klimaneutraler Wärme versorgt werden soll, müssen die Netze jetzt umgerüstet und ausgebaut werden. Den Versorgern bleibt keine Zeit zu warten, bis der BGH die Rechtslage vielleicht erst in einigen Jahren klären wird.





Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Wärmeversorgung

Lotte: Kommunalen Wärmeplan vorgelegt

[13.06.2025] Die Gemeinde Lotte gehört mit ihrem neuen kommunalen Wärmeplan zu den Vorreitern der Wärmewende in Nordrhein-Westfalen. Bereits drei Jahre vor Ablauf der gesetzlichen Frist legt sie eine Strategie für eine klimafreundliche Wärmeversorgung vor. mehr...

EWE Netz: Nicht von der Stange

[12.06.2025] Der Energienetzbetreiber EWE Netz hat bereits zahlreiche Kommunen auf dem Weg der Wärmeplanung begleitet. Dabei konnte er wichtige Erkenntnisse zu den Herausforderungen und Fallstricken bei der kommunalen Wärmeplanung sammeln. mehr...

Bremen: Öffentliche Liegenschaften an Wärmenetz angeschlossen

[12.06.2025] Immobilien Bremen bringt drei Schulen in Blumenthal ans neue enercity-Wärmenetz und leistet damit einen Beitrag zur Wärmewende in Bremen-Nord. Die klimafreundliche Versorgung soll ab dem zweiten Halbjahr 2026 starten – weitere öffentliche Gebäude könnten folgen. mehr...

bericht

Osnabrück: Im Dialog zum Ziel

[10.06.2025] In Osnabrück wurde im Februar 2024 mit der Erstellung der Wärmeplanung begonnen. Neben der datenbasierten technischen Erarbeitung legt die niedersächsische Stadt dabei viel Wert auf eine transparente kommunikative Begleitung, da diese für die Akzeptanz entscheidend ist. mehr...

Norderstedt: Stadtwerke nutzen Abwärme von Rechenzentrum

[03.06.2025] Die Stadtwerke Norderstedt nutzen die Abwärme ihres eigenen Rechenzentrums zur Einspeisung ins kommunale Fernwärmenetz. Zwei Hochtemperatur-Wärmepumpen ermöglichen damit jährlich Einsparungen von rund 3.800 Tonnen CO₂. mehr...

Nordrhein-Westfalen: Leitfaden für die Wärmeplanung

[02.06.2025] Mit einem neuen Praxisleitfaden unterstützt Nordrhein-Westfalen Städte und Gemeinden bei der Wärmeplanung. Das Online-Tool „Wärmeplan.Check“ soll Kommunen dabei helfen, die Qualität ihrer Planung laufend zu prüfen. mehr...

Köln: Erste Ergebnisse der Wärmeplanung

[02.06.2025] Die Stadt Köln hat Daten zur aktuellen Wärmeversorgung veröffentlicht. Sie zeigen Einsparpotenziale und mögliche künftige Energiequellen. mehr...

Konstanz: Regionaler Wärmeverbund nimmt nächste Etappe

[28.05.2025] Der erste kommunale Wärmeverbund in Konstanz nimmt konkrete Formen an: Der Gemeinderat hat der Gründung einer Projektgesellschaft durch die Stadtwerke Konstanz und Iqony Energies zugestimmt. mehr...

Magdeburg: Beteiligung an kommunaler Wärmeplanung

[27.05.2025] Magdeburg öffnet den nächsten Beteiligungsschritt zur kommunalen Wärmeplanung: Bis zum 18. Juni können Bürgerinnen und Bürger online Stellung zum aktuellen Planungsentwurf nehmen. Die Stadt will ihre Wärmeversorgung bis spätestens 2045 klimaneutral und bezahlbar gestalten. mehr...

Unna: Ergebnisse der Wärmeplanung vorgestellt

[23.05.2025] Die Stadt Unna hat die Ergebnisse ihrer kommunalen Wärmeplanung vorgestellt. Ziel ist eine klimaneutrale und bezahlbare Wärmeversorgung – mit einem Mix aus Wärmenetzen und Wärmepumpen je nach Gebiet. mehr...

Green Planet Energy: Studie zu Wärmepumpen und E-Autos

[19.05.2025] Eine neue Studie zeigt: Wärmepumpen und Elektroautos können gezielt dann Strom verbrauchen, wenn er besonders günstig und klimafreundlich ist. Dadurch sinken nicht nur Kosten und CO₂-Emissionen, sondern auch der Bedarf an fossiler Reservekraft. mehr...

Stadtwerke Flensburg: Plan zur Wärmeversorgung vorgestellt

[07.05.2025] Die Stadtwerke Flensburg haben dem schleswig-holsteinischen Energieminister Tobias Goldschmidt ihren Plan zur klimaneutralen Fernwärme bis 2035 vorgestellt. Das zentrale Heizkraftwerk der Stadt soll durch Großwärmepumpen, Wasserstoff und Biomasse dekarbonisiert werden. mehr...

SAENA: Webinar zur Bürgerbeteiligung bei der kommunalen Wärmeplanung

[07.05.2025] Ein Online-Workshop der Sächsischen Energieagentur thematisiert am 21. Mai 2025 die Rolle der Bürgerbeteiligung in der kommunalen Wärmeplanung. Kommunale Vertreter erhalten praxisnahe Impulse, wie Transparenz und frühe Einbindung die Akzeptanz geplanter Maßnahmen erhöhen können. mehr...

Thüringen: Wärmekataster für Kommunen

[29.04.2025] Thüringer Kommunen können ihre Wärmeplanung künftig einfacher gestalten. Ein neues Wärmekataster liefert digitale Daten über Gebäude und Wärmebedarf. Energieminister Tilo Kummer verspricht weniger Aufwand und geringere Kosten. mehr...

Bürgerbeteiligungsreport: Wärmewende als Belastung

[22.04.2025] Die Wärmewende sorgt bei vielen Menschen für Unsicherheit. Das zeigt eine neue Studie des Steinbeis-Instituts. Viele Bürger fürchten hohe Kosten und mangelnde Beteiligung. mehr...