Sonntag, 19. Oktober 2025

Bündnis 90 / Die GrünenÖkologische Bremser bei der Partei?

[10.11.2015] Eine Gruppe führender Parteimitglieder von Bündnis 90/Die Grünen haben einen Änderungsantrag für den nächsten Bundesparteitag vorbereitet. Darin wollen Sie das 100 Prozent Erneuerbare-Energien-Ziel von 2030 auf 2050 verschieben.

Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group und Autor des EEG 2000, teilt auf seiner Homepage mit, dass sich auf der kommenden Bundesdelegierten-Konferenz von Bündnis 90/Die Grünen ein Machtkampf zwischen den ökologischen Bremsern und den Befürwortern einer schnellen Transformation des Energiesystems auf 100% Erneuerbare Energien anbahne. Auf dem Parteitag der Grünen im Jahr 2007 konnte sich laut Fell die kommunale Basis gegen die Berliner Grünen-Spitze durchsetzen und einen Antrag durchbringen, worin sich die Grünen klar zu einem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien bekennen. Seitdem streben die Grünen bis zum Jahr 2030 im Stromsektor und bis 2040 in allen anderen Energiesektoren eine hundertprozentige Vollversorgung mit erneuerbaren Energien an. Fell weist darauf hin, dass der Anteil des Ökostroms in Deutschland dank des EEG von 12 Prozent im Jahr 2006 auf 32 Prozent Mitte 2015 gesteigert werden konnte. Schriebe man diese exponentielle Wachstumskurve fort, ergäbe sich tatsächlich circa 100 Prozent Ökostrom bis 2030.

Grüne Politiker haben Kurs von Merkel mitgetragen

Doch in den letzten Jahren habe es auch in der Grünen Partei nicht nur Freunde des schnellen Ausbaus der erneuerbaren Energien gegeben. Insbesondere die bürgerliche Energiewende sei von den Bundesregierungen Merkel/Rösler und Merkel/Gabriel massiv unter Druck gesetzt worden, grüne Entscheidungsträger hätten eine Verschlechterung der Förderbedingungen gegen den Protest eigener Parteimitglieder zum Teil mitgetragen. So sei etwa die Erhebung der EEG-Umlage auf die Ökostromerzeugung ein Vorschlag des Wissenschaftsinstituts Agora Energiewende gewesen. Agora habe unter dem damaligen Chef und grünem Parteimitglied Rainer Baake, ehemals Staatssekretär bei Jürgen Trittin, von Anfang an das Ausbremsen der starken Ausbaudynamik erneuerbarer Energien zum Ziel gehabt. Als Prämisse für die Energiewendearbeit habe Agora angegeben: „Wir arbeiten auf der Basis der gesetzlich formulierten Energiewende-Ziele: Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2022 und Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung auf mindestens 80 Prozent bis spätestens zum Jahr 2050.“ Damit sei von Anfang an klar gewesen, dass Agora offensichtlich die Ziele der Bundesregierung zum Ausbremsen der Erneuerbaren wissenschaftlich begleitet, folgert Fell. Und ergänzt, dass die Auswirkungen schon jetzt gravierend sind: Die Dynamik der Neugründungen von Bürgerenergiegenossenschaften sei längst eingebrochen, der Ausbau der Solarenergie dümpele auf niedrigem Niveau dahin, der Zubau von Bioenergie, Wasserkraft und Erdwärme sei fast völlig zum Erliegen gekommen. Mit den angekündigten Ausschreibungen bei Windkraft drohe nun das Gleiche der Windbranche. Fell macht deutlich, dass die Bundesregierung ausgerechnet mit einem grünen Staatssekretär die weiteren Verschlechterungen der politischen Rahmenbedingungen für Erneuerbare erbarmungslos durchsetze.

Antragssteller halten es mit Bundeskanzlerin Angela Merkel

Dennoch strebe der Bundesvorstand der Grünen auch auf dem kommenden Parteitag das Ziel der hundertprozentigen Vollversorgung mit Ökostrom bis 2030 an. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume in Schleswig-Holstein, habe jedoch zusammen mit einer Gruppe führender Parteimitglieder nun einen Änderungsantrag eingereicht. Demzufolge solle das Ziel 100 Prozent Erneuerbare Energien auf 2050 verschoben werden. So heißt es in dem Antrag GW-KS-02-210: „Nur so schaffen wir es, bis Mitte dieses Jahrhunderts Deutschland weitgehend CO2-neutral zu entwickeln und binnen zwei Jahrzehnten aus der Kohle auszusteigen.“ Laut Fell will diese Gruppe Kohle- und Erdgaskraftwerke länger als nötig am Netz halten und die Umstellung auf Bürgerenergie verlangsamen. Begründet werde dies vor allem mit der Behauptung, die Umstellung scheine nicht mehr bis 2030 zu schaffen. Fell wirft den Antragstellern vor, es mit der Kanzlerin Angela Merkel zu halten, die auf dem Jahrestag 2015 des Bundesverbands Erneuerbarer Energien (BEE) sinngemäß gesagt haben soll, sie habe sich auch gewundert, wie schnell der Ausbau der Erneuerbaren Energien möglich war – aber in Zukunft könne das nicht mehr so gehen. Sollte dieser Änderungsantrag eine Mehrheit bekommen, dann verabschiedet sich Bündnis 90/Die Grünen vom Selbstverständnis einer offensiven fortschrittlichen ökologischen Partei, sagt Fell. Man würde zurückfallen in das ökologische Mittelmaß und an Glaubwürdigkeit verlieren. Die Parteiführung brauche nun alle Unterstützung von der Basis, um den Frontalangriff dieses Antrags auf die Ökopartei abzuwehren. Die hunderttausende Akteure der Bürgerenergiewende würden nie verstehen, warum ausgerechnet Bündnis 90/Die Grünen eine Verlangsamung des Umbaus der Energieversorgung befürwortet.





Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

EnWG-Novelle: Verbände fordern Nachbesserungen

[16.10.2025] Die Branchenverbände BDEW und BEE begrüßen die Reform des Energiewirtschaftsgesetzes, mahnen aber einfachere Verfahren und weniger Bürokratie an. Beide sehen beim Energy Sharing und beim Netzanschluss dringenden Änderungsbedarf. mehr...

BMWE: Entwurf für Wasserstoff-Beschleunigungsgesetz verabschiedet

[06.10.2025] Die Bundesregierung will den Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur beschleunigen. Das Kabinett hat dazu einen Gesetzentwurf beschlossen, der Verfahren vereinfacht, digitalisiert und rechtlich absichert. mehr...

BMWE: Förderaufruf für Wasserstoffprojekte gestartet

[30.09.2025] Das Bundeswirtschaftsministerium hat den zweiten Förderaufruf für internationale Wasserstoffprojekte gestartet. Unternehmen können bis 18. Dezember 2025 Projektskizzen einreichen, um bis zu 30 Millionen Euro Förderung zu erhalten. mehr...

bericht

Wasserstoff: Vom Hochlauf keine Spur

[29.09.2025] Der viel beschworene Wasserstoffhochlauf ist in Deutschland bislang nicht in Sicht, viele Projekte liegen derzeit auf Eis. Die Gründe: fehlende wirtschaftliche Perspektiven, unsichere regulatorische Rahmenbedingungen und eine geringe Nachfrage aus der Industrie. mehr...

BDEW: Wärmepolitik bleibt hinter Bedarf zurück

[25.09.2025] Der BDEW begrüßt die im Bundeshaushalt 2026 vorgesehenen zusätzlichen Mittel für den Ausbau und die Dekarbonisierung der Wärmenetze. Die vorgesehene Summe reiche aber nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen. mehr...

bericht

Energiepolitik: Grüne Flexibilität

[25.09.2025] Die Bundesregierung muss im Energiesektor dringend Prioritäten setzen. Insbesondere sollten flexible Erzeugungskapazitäten konsequent aufgebaut und nutzbar gemacht werden. Dadurch eröffnet sich für Stadtwerke ein wirtschaftliches Zukunftsfeld. mehr...

bericht

Monitoringbericht: Positives Echo und Kritik

[17.09.2025] Die Reaktionen auf den Monitoringbericht zur Energiewende zeigen: Der eingeschlagene Kurs wird überwiegend bestätigt, doch die Bewertungen der Akteure fallen unterschiedlich aus. Während Verbände die Klimaziele bekräftigen und den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien einfordern, kritisieren andere eine Verlangsamung und fehlende Planungssicherheit. mehr...

bericht

Monitoringbericht: Energiewende am Scheideweg

[16.09.2025] Die Bundesregierung hat den aktuellen Monitoringbericht zur Energiewende vorgelegt. Er zeigt Erfolge beim Ausbau erneuerbarer Energien, macht aber auch erhebliche Probleme sichtbar. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche schlägt deshalb zehn wirtschafts- und wettbewerbsfreundliche Maßnahmen vor. mehr...

KRITIS-Dachgesetz: Kabinett beschließt Entwurf

[11.09.2025] Die Bundesregierung will Deutschland widerstandsfähiger gegen Krisen und Angriffe machen. Jetzt hat das Kabinett den Entwurf für ein neues KRITIS-Dachgesetz beschlossen. mehr...

GAIA: Kritik an geplanter Änderung des Referenzertrags

[11.09.2025] GAIA warnt vor einem Aus der Windenergie in Süddeutschland. Der Projektentwickler sieht durch die geplante Änderung des Referenzertrags tausende Anlagen, Arbeitsplätze und Investitionen bedroht. mehr...

Baden-Württemberg: Pflicht zur Wärmeplanung ausgeweitet

[05.09.2025] Seit dem 6. August gilt in Baden-Württemberg ein novelliertes Klimaschutzgesetz. Laut KEA-BW betrifft die wichtigste Änderung die Pflicht aller Kommunen, eine Wärmeplanung vorzulegen. mehr...

BDEW: Statement zum Monitoring Energiewende

[01.09.2025] Anlässlich des vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten Monitorings zur Energiewende fordert der BDEW größere Handlungsspielräume für die Digitalisierung. mehr...

NRW: PV-Initiative gestartet

[27.08.2025] Nordrhein-Westfalen will mehr Sonnenstrom von den Dächern seiner Städte holen. Landesregierung und Wohnungswirtschaft haben dazu eine gemeinsame Initiative für Photovoltaik auf Mehrparteienhäusern gestartet. mehr...

Metropolregion Nordwest: Förderaufruf für Projektideen

[26.08.2025] Die Metropolregion Nordwest ruft zur Einreichung neuer Projektideen für die Energietransformation auf. Bis zum 15. Oktober 2025 können Vorhaben beantragt werden, die Innovationen und länderübergreifende Kooperationen in Bremen und Niedersachsen fördern. mehr...

BSW-Solar: Einschätzung zu Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums

[21.08.2025] Der Bundesverband Solarwirtschaft sieht im aktuellen Entwurf zur Änderung des Energiesteuer- und Stromsteuergesetzes Fortschritte, warnt aber vor fortbestehenden Hürden. Besonders die doppelte Stromsteuer-Belastung für Speicher und E-Autos müsse dringend korrigiert werden. mehr...