GeothermieStrom und Wärme aus dem Untergrund

Geothermie-Bohrung: Wärmequellen unter Tage erschließen.
(Bildquelle: Internationales Geothermiezentrum)
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Geothermie als umweltfreundliche, klimaschonende und wirtschaftliche Energieform einzusetzen. Grundsätzlich ist es unterhalb der Erdoberfläche mit zunehmender Tiefe immer wärmer; bis zu einer Nutzungstiefe von 400 Metern spricht man noch von oberflächennaher Geothermie, bei größeren Tiefen von tiefer Geothermie.
Während die oberflächennahe Geothermie zum Heizen und Kühlen von Gebäuden in Verbindung mit einer Wärmepumpe eingesetzt werden kann, sind die Anwendungsmöglichkeiten in größeren Tiefen breiter. So ist bei entsprechender Tiefe und Temperatur die direkte Einspeisung in (Fern-)Wärmenetze ebenso möglich wie die Stromerzeugung.
Aktuell gilt die oberflächennahe Geothermie im Neubaubereich als wirtschaftlich und ist technisch am Markt etabliert. Sie wird – je nach Region – im unteren zweistelligen Prozentbereich eingesetzt, bei leicht steigenden Tendenzen. Tiefe Geothermie ist in Deutschland noch ein Nischenprodukt. Allerdings gehen verschiedene Prognosen mittelfristig von einem rasanten Wachstum in allen Bereichen und Regionen Deutschlands aus, sodass im Jahr 2050 der Anteil der Geothermie an eingesetzter Heizenergie rund 30 bis 35 Prozent betragen könnte.
Oberflächennahe Geothermie
Für Stadtwerke oder regionale Energieversorger gibt es verschiedene Möglichkeiten, von der verstärkten Nutzung der Geothermie bei der Wärmeversorgung zu profitieren. Aufgrund der vorherrschenden Versorgungstrukturen wird der Endkunde immer noch mit Strom beliefert, um die Wärmepumpe zu betreiben. Denn die Nutzung oberflächennaher Geothermie ist nur in Verbindung mit einer Wärmepumpe möglich. Die Wärmepumpe verbraucht dabei allerdings 20 bis 25 Prozent der abzugebenden Heizenergie als elektrische Antriebsenergie. Viele Stadtwerke haben bereits auf die Marktanforderungen reagiert und bieten spezielle Wärmepumpentarife an. Die Palette reicht von preisreduzierten Angeboten in Kombination mit bestimmten Sperrzeiten bis zur gezielten Vermarktung von grünem Ökostrom, um das Gesamtsystem „geothermische Wärmepumpe“ komplett CO2-neutral zu gestalten.
Neue Geschäftsfelder und -modelle ergeben sich für Stadtwerke vor allem im Bereich des Wärme-Contracting. Erfolgreiche Projekte zeigen, dass die Wärme- und gegebenenfalls auch Kälteversorgung über Inselnetze richtungsweisend sein können. Am Bonner Bogen beispielsweise werden über 150.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche für Büro-, Gewerbe- und Hotelimmobilien über ein Contracting-Modell erfolgreich versorgt. Andere Beispiele zeigen auch das Potenzial für kleinere Neubauwohngebiete.
Wärme aus der Tiefe
Vor allem in Süddeutschland sind bislang Lösungen in großem Maßstab umgesetzt worden, die auf der Nutzung von Tiefengeothermie beruhen. Die günstigen geologischen Bedingungen im Alpenvorraum erleichtern die Erschließung der unterirdischen Wärme. Auch hier zeigt sich, dass die Stadtwerke wichtige Treiber und Betreiber der Projekte sind. Sowohl das erste erfolgreiche Kraftwerk zur Strom- und Wärmeerzeugung in Unterhaching, als auch viele der rein wärmegeführten Projekte sind von Stadtwerken (zum Beispiel München) oder von Konsortien mit starker Beteiligung von Stadtwerken (zum Beispiel STEAG) geprägt.
Zukünftig werden solche Projekte aber auch in den geologisch weniger prädestinierten Regionen Deutschlands und Mitteleuropas zum Einsatz kommen. Dabei sind dann weniger die Voraussetzungen der Wärmequelle unter Tage entscheidend als vielmehr die obertägigen Abnehmerstrukturen und Wärmesenken.
Kompetenzplattform in Bochum
Das Internationale Geothermiezentrum Bochum (GZB), 2006 gegründet, ist eine Verbundforschungseinrichtung von Wissenschaft und Wirtschaft. Angesiedelt an der Hochschule Bochum sind die RWTH in Aachen, die FH Gelsenkirchen, die Hochschule OWL und die TU Darmstadt die weiteren universitären Träger. Hinzu kommen assoziierte Universitäten aus Chile, Neuseeland, Kroatien, Griechenland und der Türkei. Neben weiteren Institutionen des Öffentlichen Rechts (EnergieAgentur NRW, Bezirksregierung Arnsberg, Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH, Stadt Bochum und die IHK Mittleres Ruhrgebiet) sind über 25 Firmen der Geothermiebranche aktive Partner des GZB.
Das GZB ist dabei nicht nur wissenschaftliche Kompetenzplattform, sondern auch aktiver Partner bei der Umsetzung konkreter Projekte. Erfahrungen hat das GZB in der Erstellung von Machbarkeits- und Variantenstudien bis hin zur Ausarbeitung konkreter geothermischer Anlagen und ihrer Auslegung. Das Portfolio reicht von großen, solitären Einzelgebäuden bis zur Versorgung neuer Plangebiete mit über 500 Einheiten.
Nutzung am GeoTechnikum
Das Internationale Geothermiezentrum ist Triebfeder für ein innovatives Projekt in Bochum, einer Großstadt mitten in der dicht besiedelten Metropole Ruhr. Durch die hochschuleigene Forschungsinfrastruktur des GeoTechnikums sind die Mitarbeiter und Projektpartner des GZB in der Lage, neue Ansätze und Ideen zur Erschließung und Nutzung geothermischer Energie unter „in-situ“ Bedingungen zu testen, zu erproben und bis zur Marktreife zu entwickeln. Ab 2012 wird in Bochum eine neuartige Methode zur Erschließung der geothermischen Energie in Tiefen von rund 1.000 Metern erstmals als Machbarkeitsnachweis (proof-of-concept) getestet. Der neuartige Ansatz, der verschiedene ingenieurwissenschaftliche und bergmännische Methoden bündelt, verspricht ein zielgerichtetes und damit effizientes Vorgehen.
Verschiedene Akteure garantieren dabei den Erfolg des Projekts – neben Experten aus den geothermischen Kernbereichen sind von Beginn an zwei weitere Partner mit dabei: Zum einen das Bochumer Bergbaumuseum, das als Kommunikationsplattform für die Geothermie dienen wird. „Vom Kohlebergbau zum Wärmebergbau“ ist der Leitsatz, unter dem die Chancen, Potenziale aber auch die Risiken der Geothermie einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden sollen. Zum anderen sind die Bochumer Stadtwerke Projektpartner. Sollte es mittelfristig gelingen, den Sprung von der wissenschaftlichen Anwendung zu einem produktiven System in Tiefen von 4.000 bis 5.000 Metern zu schaffen, sind die Stadtwerke der Partner, der die gewonnene Wärme vermarkten, verteilen und an Kunden verkaufen kann.
Zukunftsweisendes Energiesystem
Chance und zugleich Vision ist die Umstellung des klassisch mit Steinkohle befeuerten Fernwärmesystems im Bochumer Süden auf Geothermie. Ohne Komforteinbußen für die Kunden, ohne Investitionen oder Umbauten in den Häusern und Wohnungen könnte so ein zukunftsweisendes Energiesystem in der Fläche entstehen. Denkt man diese Vision im großen Maßstab weiter, stellen die vielfältigen Fernwärmesysteme in Deutschland ein großes Potenzial für die erneuerbare Energieversorgung der Zukunft dar. Denn ausgehend von bestehenden und etablierten Infrastrukturen können durchaus auch großräumige Strukturen mit erneuerbarer Wärme versorgt werden.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar 2012 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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