Dienstag, 30. Dezember 2025

H2DirektHeizen mit H2

[29.11.2022] Das Forschungsvorhaben H2Direkt zeigt, dass ein Gasbestandsnetz mit 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden kann. Das Vorhaben ist Teil des TransHyDE-Projekts „Sichere Infrastruktur“ und liefert eine Blaupause für die zukunftssichere Wärmeversorgung in ganz Deutschland.

Die Energie- und Wärmewende geschieht vor Ort – dafür braucht es mutige Umsetzungsprojekte als Basis für den Wasserstoff-Hochlauf in Deutschland. In der bayerischen Gemeinde Hohenwart wird es konkret: Hier stellen der Stadtwerke-Verbund Thüga und Energie Südbayern (ESB) einen Netzabschnitt der Energienetze Bayern (ENB) mit zehn Haushalten und einem Gewerbekunden auf 100 Prozent Wasserstoff um. Vergleichbares gibt es bislang nicht in Deutschland. H2Direkt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und ist als Cluster im TransHyDE-Projekt „Sichere In­frastruktur“ Teil der Wasserstoff-Leitprojekte des BMBF.
Mit dem Pilotprojekt zeigen Thüga und seine Partner, wie die 511.000 Kilometer an Gasleitungen in Deutschland zukünftig genutzt werden können und müssen. Denn die Umstellung der Netze auf erneuerbare Gase drängt: Die Klimaziele 2045 und – in Anbetracht der geopolitischen Lage – die Versorgungssicherheit zwingen zum raschen Abschied von fossilen Energieträgern. Grüner Wasserstoff bietet hier eine klare Perspektive. Als Ergebnis des Forschungsvorhabens entsteht ein Leitfaden für die Umstellung von Bestandsnetzen. Was H2Direkt in kleinem Maßstab demonstriert, kann als Blaupause für eine dekarbonisierte Wärmeversorgung in ganz Deutschland dienen.

Netz im Inselbetrieb

Die Umsetzung und technische Betreuung des Feldtests vor Ort liegt bei Energie Südbayern (ESB). Als direkter Ansprechpartner der Testhaushalte übernimmt ESB zudem Vertragliches und die Abrechnung. Energienetze Bayern ist die Netzgesellschaft im Unternehmensverbund der ESB und der größte regionale Gasverteilnetzbetreiber in Südbayern. Thüga, eine Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft mit kommunaler Verankerung, unterstützt mit konzeptioneller und operativer Fach­expertise und Erfahrungen aus vorherigen Forschungsprojekten zur Umstellung von Verteilnetzen auf Wasserstoff. Dazu kommen als Kooperationspartner Vaillant sowie als wissenschaftliche Dienstleister das Forschungsin­stitut DVGW-EBI und die keep it green GmbH.
Für den Feldtest wählte die ENB das Siedlungsgebiet Am Kerschberg II in Hohenwart aus, da dieser Netzabschnitt relativ jung ist und sich gut im Inselbetrieb managen lässt. Hierfür wird ein Teil des bestehenden Erdgasnetzes vom Rest abgetrennt und separat mit Wasserstoff versorgt – ohne vorhandene Rohre auszutauschen. Ziel ist die Einspeisung von regionalem grünen Wasserstoff, den Lkw mit Tubetrailern anliefern. Vor Ort werden zwei redundante Trailerstationen mit Druckreduzierung sowie eine Odorieranlage installiert.
Die zehn Testhaushalte und ein Gewerbebetrieb sollen ab Herbst 2023 für 18 Monate mit reinem Wasserstoff heizen. Dazu hat ENB zunächst den Bestand an Inneninstallationen sowie die technischen Gegebenheiten bei den Haushalten vor Ort aufgenommen. Für eine Umstellung auf 100 Prozent H2 müssen die vorhandenen Gasthermen ausgetauscht werden, da handelsübliche Brennwertthermen und -kessel nur mit bis zu 20 Prozent Wasserstoffbeimischung umgehen können. Die neuen, hochmodernen H2-Brennwertgeräte liefert und verbaut der Kooperationspartner Vaillant. Auch Komponenten wie Zähler, Gasdruckregelgeräte, Gasströmungswächter und Hauseinführungskombinationen werden – falls nötig – ausgetauscht.

Projekteigenes Kommunikations- und Partizipationskonzept

H2Direkt bewertet die Zuverlässigkeit und Lebensdauer von Verteilnetzen im Betrieb mit 100 Prozent Wasserstoff. Außerdem wird eine Gas-Sensorik erprobt und es entstehen ein geprüftes Sicherheitskonzept sowie ein Mess- und Abrechnungssystem für Wasserstoff. Thüga, ESB und ENB bündeln alle technischen und organisatorischen Prozesse und Erfahrungen in einem Leitfaden, der einen allgemeingültigen Umstellungspfad der Gasin­frastruktur auf Wasserstoff darstellt. Davon profitieren nicht nur die 100 kommunalen Unternehmen aus der Thüga-Gruppe, sondern alle Energieversorger, die ihre Gasinfrastruktur zukunfts­sicher aufstellen.
Jenseits der technischen Ebene ist ein derart innovatives Vorhaben wie H2Direkt nur realisierbar, wenn die Gemeinde sowie die Bürgerinnen und Bürger offen für neue Ansätze sind und das Projekt unterstützen. Deshalb wurde für H2Direkt ein eigenes Kommunikations- und Partizipationskonzept für die Ansprache der Endkunden entwickelt. In Hohenwart zeigen sich die Anwohnenden sehr aufgeschlossen dafür, selbst als Wasserstoff-Pioniere zur Energiewende beizutragen. Auch der Bürgermeister der Gemeinde steht als erklärter Verfechter der Energiewende hinter dem zukunftweisenden Projekt. Neben Klimaschutz geht es ihm dabei auch um eine dezentrale, sichere Energieversorgung.

Nun ist die Politik am Zug

Neben konkreten Umsetzungsprojekten wie H2Direkt braucht es auf Bundesebene die richtigen politischen Weichenstellungen für den raschen Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft. Im Fokus der Verteilnetzbetreiber steht vor allem die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen durch das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur.
Die erste Etappe hin zu klimaneutralen Gasnetzen hat die Branche dabei bereits zurückgelegt: Mit dem Konzept des Hydrogen Backbone und – ganz aktuell – den Gasnetzgebietstransformationsplänen der Gasverteilnetzbetreiber hat die Branche die nächsten Planungsschritte für die Transformation skizziert. Für die Umsetzung braucht es nun die Unterstützung der Politik: eine gemeinsame Regulierung von Methan- und H2-Netzen und die Anerkennung der vergleichsweise überschaubaren Investitionskosten in die Transformation der Netzin­frastruktur. Gleichzeitig gilt es jetzt, die Genehmigungsverfahren für den Ausbau erneuerbarer Energien zu straffen und den Ausbau zentraler und dezentraler Power-to-Gas-Anlagen finanziell zu fördern.

Béatrice Angleys ist Projekt-Managerin für Innovationen beim Stadtwerke-Verbund Thüga. Aktuell treibt sie dort den Aufbau des Aktivitätsfelds Wasserstoff voran und koordiniert die H2-Aktivitäten der Thüga-Gruppe von der strategischen Positionierung bis zur Umsetzung von Leuchtturmprojekten.




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