InterviewMehr Mut zur Dezentralität

Christian Grotholt
(Bildquelle: 2G Energy AG)
Herr Grotholt, Sie legen Ihr operatives Amt nieder und wechseln in den Aufsichtsrat. Was bedeutet dieser Schritt für Sie persönlich und für das Unternehmen?
Für mich ist es kein kompletter Rückzug. Ich werde nicht die Hände in den Schoß legen, sondern meine Erfahrungen und mein Netzwerk weiterhin einbringen – über den Aufsichtsrat und perspektivisch auch als Berater. Ich möchte 2G Energy auch weiterhin begleiten, aber eben nicht mehr operativ führen. Die vergangenen 30 Jahre erfüllen mich mit Dankbarkeit. Es war ein Privileg, gemeinsam mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie vielen Partnern an der Energiewende mitzuwirken – in Deutschland wie international. Ein besonderer Dank gilt auch unseren Kunden, allen voran den Stadtwerken, die oftmals dezentraler gedacht haben als teilweise große Energieversorger – und dies schon früh.
Wenn Sie auf diese 30 Jahre zurückblicken, welche Meilensteine waren für Sie besonders prägend?
Wir haben 1995 zu zweit begonnen – Ludger Gausling und ich. Er war damals Elektromeister und hatte bereits ein Unternehmen. Ich durfte mir aus seinem 30-köpfigen Team die Leute aussuchen, mit denen ich starten wollte. Einige von ihnen sind bis heute bei uns – das nenne ich gelebte Kontinuität. Ein großer Einschnitt war die Liberalisierung des Strommarkts im Jahr 1999: Plötzlich war Strom spottbillig, Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) war wirtschaftlich kaum darstellbar. Die entscheidende Wende kam mit dem ersten Landwirt, der eine Biogasanlage plante. Im April 2000 ging unsere erste Biogaseinheit ans Netz – pünktlich zur Einführung des EEG. Der Biogasmarkt entwickelte sich rasant, insbesondere nach der EEG-Novelle im Jahr 2004.
„Die Stadtwerke haben schon früh dezentraler gedacht als große Energiekonzerne.“
Welche Rolle spielte der Börsengang im Jahr 2007 für die Unternehmensentwicklung?
Das war ein Meilenstein – nicht nur zur Kapitalbeschaffung für Forschung, Entwicklung und Auslandsexpansion, sondern auch, um Vertrauen bei großen Kunden zu schaffen. Als Aktiengesellschaft waren wir transparent und professionell aufgestellt, was entscheidend war, um beispielsweise mit Konzernen wie RWE oder Veolia langfristige Verträge zu schließen. Im Jahr 2008 kam Günther Herdin, ein international anerkannter Gasmotorenexperte, zu uns. Gemeinsam haben wir früh mit wasserstofffähigen Lösungen experimentiert. 2010 folgte die Kooperation mit der Firma Liebherr für die Motorenbasis, die wir je nach Einsatzzweck veredeln. 2023 haben wir unser Portfolio schließlich um leistungsstarke Großwärmepumpen erweitert, die insbesondere in der kommunalen Wärmeplanung eine Rolle spielen werden.
Gab es in dieser Zeit auch Rückschläge?
Natürlich. Der erste große Zweifel kam 1999 mit der Liberalisierung auf. Wir waren ein kleines Team und mussten improvisieren. Zwischenzeitlich haben wir sogar eine Diskothek mit Elektroinstallationen versorgt, um das Team in Beschäftigung zu halten. Der einzige Jahresverlust unserer Firmengeschichte entstand im Jahr 2008, kurz nach dem Börsengang und mitten in der Finanzkrise. Das war schmerzhaft, aber lehrreich. Und natürlich lief auch die technische Entwicklung nicht immer glatt.
2G entwickelt sich immer mehr zum Anbieter integrierter Energielösungen. Wie hat sich der Markt in den vergangenen Jahren verändert – und wie hat sich Ihr Unternehmen mit ihm verändert?
Wir sagen oft: Ein Unternehmen muss ein permanenter Sanierungsfall bleiben – im positiven Sinne. Wer sich nicht immer wieder selbst infrage stellt, bleibt stehen. Die Märkte sind hochreguliert, volatil und international unterschiedlich. Deshalb setzen wir auf eine breite Aufstellung – sowohl technologisch als auch geografisch. Die Digitalisierung ist dabei ein zentraler Hebel. Wir arbeiten daran, unsere Systeme so zu optimieren, dass sie sich automatisch an Börsenpreise und Wetterprognosen anpassen können. Unser Ziel ist es, Ökologie und Ökonomie zu vereinen und mit KWK und Wärmepumpe unseren Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung der globalen Energiewende zu leisten.
Wie schätzen Sie die Rolle der KWK in einem zunehmend elektrifizierten Energiesystem der Zukunft ein?
Die KWK wandelt sich vom grauen Dauerläufer zum grünen Teamplayer. In einem System, das zunehmend auf Photovoltaik und Wärmepumpen ausgerichtet ist, wird sie zur idealen Ergänzung – insbesondere zur Abdeckung von Residuallasten in dunklen, kalten Zeiten. Deshalb setzen wir auf modulare, netzdienliche Konzepte, die sich an den jeweiligen Standort und Bedarf anpassen. In der Beratung sprechen wir nicht von Eigenversorgung, sondern von standortbezogenen, systemdienlichen Lösungen, die idealerweise in der Hand von Energiedienstleistern oder Stadtwerken liegen.
Welche Erwartungen haben Sie an die neue Bundesregierung, insbesondere mit Blick auf die Kraftwerksstrategie, das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und die Biomasse-Förderung?
In der vergangenen Legislaturperiode wurden einige gute Entscheidungen getroffen, beispielsweise die Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes und das Biomassepaket. Doch viele Fragen bleiben offen: Was passiert nach den aktuell ausgeschriebenen drei Gigawatt für Biogas? Wie geht es mit dem KWK-Gesetz weiter? Ich plädiere dafür, diese Themen zusammenzudenken: Die Kraftwerksstrategie, die Biogasförderung, das KWK-Gesetz und die kommunale Wärmeplanung müssen verzahnt werden. Nur dann kann Planungssicherheit entstehen.
„Die KWK wandelt sich vom grauen Dauerläufer zum grünen Teamplayer.“
Die neue Bundesregierung setzt wieder verstärkt auf große Gaskraftwerke. Ist das aus Ihrer Sicht der richtige Weg?
Großkraftwerke haben ihre Berechtigung – aber nur als Teil eines Mixes. Ich halte die 20-Gigawatt-Strategie für überdimensioniert. Eine realistische Aufteilung wäre 50 zu 50 – zentral und dezentral. Denn dezentrale Anlagen sind schneller gebaut, flexibler und effizienter. Wir können innerhalb von sechs Monaten liefern und bis zur Inbetriebnahme vergehen maximal zwölf Monate, während Großkraftwerke sieben bis acht Jahre benötigen. In der Ukraine haben wir kürzlich gemeinsam mit anderen deutschen Anbietern zwei Gigawatt binnen weniger Monate geliefert. Das zeigt: Es geht auch anders. Ich rufe die neue Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche zu mehr Mut zur Dezentralität auf.
Wasserstoff wird oft als Schlüssel zur klimafreundlichen Energieversorgung gehandelt. Welche Rolle nimmt er in den Plänen von 2G Energy ein?
Wir haben heute schon weltweit über 30 Anlagen, die ausschließlich mit Wasserstoff betrieben werden – von Kanada bis Taiwan. Wir sind technologieoffen aufgestellt und treiben auch Ammoniak- und Propan-Wärmepumpen voran. Sollte sich wider Erwarten in fünf Jahren die Brennstoffzelle als überlegen herausstellen, kann die KWK-Anlage im Container einfach in andere Länder versetzt werden. Diese Flexibilität ist unsere Stärke. Über unsere Mietoptionen bieten wir diesen Lösungsansatz Energieversorgern an.
Wenn Sie in die Zukunft blicken: Wie müsste aus Ihrer Sicht das ideale Energiesystem in 15 Jahren aussehen?
Es braucht eine intelligente Kombination aus zentralen und dezentralen Anlagen, die von kompetenten und systemrelevanten Energieversorgern betrieben werden. Erneuerbare Energien bilden das Fundament und werden durch Speicher und flexible Technologien wie die Kraft-Wärme-Kopplung ergänzt. Entscheidend ist: Nicht die Eigenversorgung, sondern die Standortversorgung mit Systemdienlichkeit ist das Ziel – das ist der Weg in eine resiliente, nachhaltige Energiezukunft.
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