Dienstag, 16. September 2025

InterviewCloud oder Nicht-Cloud?

[12.10.2020] Ganz oder gar nicht in die Cloud? Für Unternehmen, die sich diese Frage stellen, hat die Wilken Software Group eine Antwort: sowohl als auch. Über diese Cloud-Strategie sprach stadt+werk mit Peter Schulte-Rentrop, Vertriebsleiter Versorgungswirtschaft bei Wilken.
Peter Schulte-Rentrop

Peter Schulte-Rentrop, Vertriebsleiter Versorgungswirtschaft bei Wilken.

(Bildquelle: Wilken)

Herr Schulte-Rentrop, viele Unternehmen denken darüber nach, ob sie nicht Teile ihrer IT oder auch komplette Bereiche in die Cloud verlagern sollen. Ihr neues Angebot dazu heißt P/5 Wanyplace. Ist der Name hier Programm?

Für uns steht schon länger fest, dass die monolithischen und an rein funktionalem Denken ausgerichteten ERP-Systeme und Branchenlösungen der Vergangenheit angehören. Anwendungen aus der Cloud heraus zu nutzen, gehört in vielen Unternehmen bereits zum Alltag. Doch wie spielen diese mit den anderen Software-Systemen zusammen, die noch im eigenen Rechenzentrum angesiedelt sind? Wir haben deswegen mit P/5 Wanyplace – steht für „Wilken überall“ – ein Konzept entwickelt, bei dem die Cloud mit On-Premises-Anwendungen zusammenspielen kann.

Wäre es nicht einfacher, sofort und komplett in die Cloud zu wechseln?

Auf den ersten Blick schon. Denn Cloud-Lösungen bieten eine ganze Reihe an Vorteilen: Die Investitions- und laufenden Kosten für die IT-Infrastruktur entfallen vollständig, man muss sich nicht mehr um Datensicherheit oder Back-ups kümmern, und auch sonst sinkt der Aufwand für die Administration deutlich. Und: Die Cloud-Lösung kann von überall genutzt werden, solange ein Internet-Anschluss vorhanden ist – gerade in Zeiten von Corona ein wichtiges Argument. Auf der anderen Seite sind Cloud-Lösungen durchweg standardisierter als die On-Premises-Anwendungen, die auf eigenen Servern laufen. Diese Programme können viel stärker an die individuellen Anforderungen im Unternehmen angepasst werden. Und sie können inzwischen oftmals über webbasierte Benutzeroberflächen auch im Homeoffice genutzt werden. In der Praxis ist es deswegen oft die bessere Lösung, die Cloud zunächst nicht als Alternative, sondern als Ergänzung anzusehen, etwa wenn es um die Einführung neuer Geschäftsmodelle geht.

Was bedeutet das in der Praxis?

Ein Beispiel ist die Heiz- und Nebenkostenabrechnung: Viele Versorgungsunternehmen überlegen sich derzeit, ob sich die Einführung dieses neuen Dienstleistungsangebots wirtschaftlich rechnet. Um dies zu testen, musste in der klassischen Welt erst einmal ein IT-Projekt aufgesetzt werden. Damit muss zunächst ein beträchtlicher Betrag investiert werden, bevor überhaupt klar ist, ob das neue Geschäftsmodell auch für das eigene Unternehmen funktioniert. Wird die Heiz- und Nebenkostenabrechnung dagegen als einfach konfigurierbare Cloud-Anwendung aufgesetzt, kann sie im kleinen Rahmen ausprobiert werden, auch mit einigen wenigen Wohneinheiten. Natürlich darf dieser Prozess nicht völlig isoliert laufen. Denn nur, wenn die Datenflüsse durchgängig und hochautomatisiert abgebildet werden, ist Digitalisierung sinnvoll.

Wie haben Sie das reibungslose Zusammenspiel von Cloud- und Nicht-Cloud-Anwendungen umgesetzt?

Voraussetzung dafür ist ein grundsätzlich anderes Software-Design. Statt der klassischen rein funktionalen Architektur muss die Lösung prozessorientiert aufgebaut sein. Gesteuert werden die Aufgaben über einen Workflow, der definiert, wer wann was und wie zu tun hat. Der große Vorteil: Die einzelnen Prozessbausteine werden über den Workflow gesteuert und sind wiederverwertbar. Denn sie werden angestoßen je nachdem, wo sie gebraucht werden. Das reduziert nicht nur die Komplexität, sondern vereinfacht auch die Software-Entwicklung. Die Bausteine sind nicht fest verdrahtet im System wie in bisherigen Lösungen, sondern flexibel nutzbar.

„Die Cloud kann als Katalysator für neue Produkte wirken.”
Wie funktioniert das?

Eine wesentliche Voraussetzung für das Cloud Computing ist die durchgängige Virtualisierung im Rechenzentrum. Damit die Services zuverlässig funktionieren und am Ende auch tatsächlich abgerechnet werden können, muss die eigene IT-Infrastruktur erst einmal cloudfähig gemacht werden. Das geht nicht ohne eine durchgängige Standardisierung und Automatisierung der Prozesse. Soll eine Hybrid-Cloud aufgebaut werden, also ein Teil der Prozesse in eine externe Cloud ausgelagert und ein Teil im Haus laufen, gilt dies natürlich auch für das eigene Rechenzentrum. So können die Standardfunktionen beispielsweise im Wilken-Rechenzentrum betrieben werden. Die geschäftskritischen Daten verbleiben dagegen in der eigenen Cloud beim Kunden.
Die Cloud setzt doch auch ein ganz anderes Abrechnungsmodell voraus als die klassische Software-Lizenz.
Ziel beim Cloud Computing ist es, von einem auf die Anschaffungskosten ausgerichteten zu einem benutzungsorientierten Abrechnungsmodell zu kommen. Der Zugang zur Cloud gestaltet sich dabei so einfach wie möglich, etwa über Internet-Portale oder Thin Clients. Auf diese Weise erhält der Nutzer den gesicherten Zugriff auf die jeweiligen Services – wo immer er sie braucht und genau dann, wenn er sie benötigt. Am Ende wird all das nutzungsbezogen abgerechnet.

Kann der Anwender das heute schon nutzen?

Nur zum Teil, denn die Umstellung unserer Anwendungen auf die neue P/5-Plattform ist noch nicht abgeschlossen. Jeder neue Prozess jedoch, der auf Basis von P/5 entwickelt wird, kann auch über das Wanyplace-Portal zur Verfügung gestellt werden. Künftig können so einfach neue Vertriebsideen ausprobiert werden. Soll beispielsweise ein neues Produkt wie Bienenstrom oder ein Spezialpaket für die Fans eines Fußballvereins aufgesetzt werden, muss dafür kein Aufwand in der bestehenden Umgebung betrieben werden. Über den Wanyplace-Katalog wird das entsprechende Cloud-Paket ausgewählt und einzeln gebucht.

Wo sehen Sie die wesentlichen Vorteile für die Kunden?

Mit diesem Ansatz kann die Cloud als Katalysator für neue Services und Produkte wirken. Versorgungsunternehmen werden damit in die Lage versetzt, schnell handlungsfähig zu werden, ohne dass dafür große Investitionen notwendig wären. Natürlich sind die Cloud-Anwendungen genauso skalierbar wie die im eigenen Rechenzentrum angesiedelten Systeme. Damit behält das Unternehmen die volle Entscheidungsfreiheit, wie es künftig arbeiten möchte und kann sich jeweils flexibel auf die sich wandelnden Marktverhältnisse einstellen.

Interview: Alexander Schaeff

Schulte-Rentrop, PeterPeter Schulte-Rentrop ist seit 2017 Vertriebsleiter der Wilken Software Group und Prokurist der Wilken GmbH. Zuvor war er von 2002 bis 2009 Geschäftsführer der AOV IT-Services GmbH. Danach übernahm er die Geschäftsführung der Wilken Neutrasoft GmbH.



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