Samstag, 27. Dezember 2025

InterviewDie Kosten im Griff halten

[31.10.2022] Wie der Energiemarkt ist auch Wilken im Wandel, sagt Tobias Mann. stadt+werk sprach mit dem neuen Leiter Versorgungswirtschaft ENER:GY bei der Wilken Software Group über seine Ziele und die Unternehmensstrategie.
Tobias Mann

Tobias Mann

(Bildquelle: K21 media GmbH)

Herr Mann, die Gaskrise bringt möglicherweise noch viele Unternehmen in Bedrängnis. Dafür haben Sie das Zusatzmodul Insolvenz-Manager im Angebot. Ist Wilken besonders weitsichtig bei der Produktentwicklung?

Es gab ja in der Vergangenheit einige große Insolvenzen etwa auf Seite der Lieferanten. Insbesondere die Netzbetreiber haben sich damit immer schwer getan, weil kurzfristig ein sehr hoher Mehraufwand entstanden ist. Im Juli vergangenen Jahres haben wir das Tool ausgeliefert, das alle Prozesse, die mit der Insolvenz zusammenhängen, hochautomatisiert managt. Und das war natürlich im Rückblick genau zum richtigen Zeitpunkt. Es wird aber auch zukünftig nützlich sein, denn das Insolvenz-Management-Tool wickelt auch Privatkunden-Insolvenzen ab.

Sie haben Anfang dieses Jahres die Leitung des Geschäftsbereichs Versorgungswirtschaft ENER:GY bei Wilken übernommen. Welche Erfahrungen bringen Sie in die neue Funktion ein?

Ich bin seit über zehn Jahren bei Wilken tätig. Angefangen habe ich direkt nach dem Studium im Consulting. Die Erfahrungen aus diesem Bereich nützen mir heute enorm, weil ich viel bei den Kunden war, mich um IT-Einführungsprojekte gekümmert und auch viele Seminare über unsere Lösungen gegeben habe. Später, in der Beratungsleitung konnte ich mein Wissen, meine Skills und Methodiken weitergeben und somit auch Kolleginnen und Kollegen fördern. Und das hat mich letztlich dahin gebracht, wo ich heute bin. Als Leiter des Bereichs Versorgungswirtschaft, einer unserer Fokusbranchen.

Welche Ziele haben Sie sich gesetzt und wie sieht die Strategie aus, mit der Wilken einen Energiemarkt im Umbruch angeht?

Ähnlich wie der Energiemarkt ist auch Wilken im Wandel. Wir haben in der Geschäftsführung einen Generationswechsel vollzogen. Und es gab intern zwei große Strategieprojekte, wie wir uns in der Wilken Software Group künftig aufstellen. Wir haben uns klare Ziele gesetzt: Branchen-, Produkt- und Innovationsführerschaft.

Wie ist die Ausgangsposition dafür?

Beim Thema Branchenführerschaft sind wir schon sehr weit. Laut einer aktuellen Marktanalyse sind wir mit unseren beiden Produktlinien NTS.Suite und ENER:GY mit einem Marktanteil von 18 Prozent schon ganz vorne mit dabei. Da fehlt nicht mehr viel, es ist also ein Ziel, das wir bis 2025 erreichen können. Produktführerschaft ist auch ein ganz wichtiges Element. Wir haben bei den energiewirtschaftlichen Kernprozessen, also Billing, Marktkommunikation, Rechnungswesen und Energiedienstleistung, schon heute das breiteste Produktportfolio von allen Mitbewerbern. Das verschafft uns einen ganz klaren Vorteil, weil Wilken-Lösungen Ende-zu-Ende-Prozesse ermöglichen. Auch als Innovationsführer sind wir auf einem guten Weg, denn wir sind der Zeit häufig einen Schritt voraus. So haben wir sehr früh eine Lösung zum Thema Mieterstrom oder für die Heiz- und Nebenkostenabrechnung angeboten. Wir haben auch viele Kunden, die innovative Wege gehen und beispielsweise mit uns in Testlaboren ein komplett neues Energiesystem ausprobieren.

Mit der Branchenlösung ENER:GY war Wilken in erster Linie im Segment der mittelgroßen Energieversorger vertreten. Das soll sich nun ändern?

Ja. Große Versorgungsunternehmen setzen oft SAP IS-U ein. Das System ist abgekündigt und wir haben bereits zwei Kunden auf Wilken ENER:GY umgestellt. Eine Testierung, die wir in Auftrag gegeben haben, ergab, dass unser System die Performance hat, mindestens eine Million Zählpunkte innerhalb von 24 Stunden abzurechnen. Das zeigt, dass wir gerüstet sind, mit unserer Lösung Versorger jeder Größenordnung zu bedienen. Wir sind also bereit und greifen den Markt an der Stelle an.

„Wir sind als Innovations­führer auf einem guten Weg.“
Mit welchen Argumenten überzeugen Sie die Versorger von den Wilken-Lösungen?

Wir bieten automatisierte Standardprozesse, die vom Kunden selbst individuell angepasst werden können. Es handelt sich also um eine Standard-Lösung für die Branche, mit der Möglichkeit zur Veredelung. Ganz wichtig ist, dass mit unseren Lösungen energiewirtschaftliche Kernprozesse Ende-zu-Ende abgebildet werden. So können unsere Kunden die so genannten Cost to Serve reduzieren, also Kosten, die anfallen, um die Servicequalität zu steigern oder neue Produkte einzuführen. Auch die Kosten, um Neukunden zu gewinnen, können durch hochautomatisierte Prozesse gesenkt werden. Nicht zuletzt haben wir bewiesen, dass regulatorische Anforderungen immer fristgerecht umgesetzt werden. Kurz gesagt: Wir haben ein breites Produktportfolio und durch den tiefen prozessualen Aufbau der Software können unsere Kunden ihre Kosten im Griff behalten.

Welche Kundenprojekte würden Sie aktuell hervorheben?

Als Beispiel würde ich EWE Vertrieb nennen. Das Unternehmen setzt bei der Abrechnung aller Geschäftskunden im Bereich Energie auf Wilken ENER:GY – inklusive des P/5 Nebenbuchs, des P/5 Marktdatenaustauschs und des P/5 MDM Messdatenmanagements. Alle Abrechnungsprozesse für Strom, Gas, Wärme und des virtuellen Kraftwerks werden automatisiert. Ein weiteres interessantes Projekt führen wir mit E.ON Energy Solutions durch. Für die Abrechnung von Nah- und Fernwärme sowie der Heiz- und Nebenkosten wird Wilken ENER:GY eingeführt. Im Rahmen des Projekts werden die Abrechnungsprozesse neu definiert und durchgängig digitalisiert. Die neue Lösung soll zum 1. Januar 2023 produktiv gehen.

Es gibt einen Trend in der Energiewirtschaft, nicht alles aus einer Hand zu nehmen, weil Start-ups und Cloud-Anbieter verschiedene Lösungen zur Verfügung stellen. Wie sehen Sie sich in diesem Konzert?

Der Drang nach Plattformlösungen und einer hohen Integrationsfähigkeit ist sehr groß. Am Ende ist das eine Frage der Unternehmensphilosophie. Unsere Strategie ist ganz klar: Wir haben ein breites Produktportfolio über alle Kernthemen hinweg: CRM, Billing, Rechnungswesen, Marktkommunikation, Energiedaten-Management, Smart-Meter-Gateway-Administration, Workforce Management oder Zusatzmodule wie eine Heiz- und Nebenkostenabrechnung. Wir sind zudem offen für die Integration anderer Software. Ich persönlich halte es allerdings für einen großen Vorteil, dass unsere Lösungen Prozesse ohne Schnittstellenproblematik ermöglichen.

Welche Themen treiben die Stadt­werke aus Sicht eines Software-­Anbieters derzeit um?

Gerade in der jetzigen Situation, in der auch die Versorgungsunternehmen extrem mit den volatilen Preisen zu kämpfen haben, ist es umso wichtiger, IT- und Prozesskosten gering zu halten. Viele Versorger nehmen dafür auch Abstriche bei Funktionalitäten in Kauf und sagen, wir wollen wieder zurück zu einem Standard und müssen nicht alles individuell machen. Aber auch IT-Architekturthemen gewinnen an Bedeutung. Die Fragen lauten: Wo liegen meine Daten? Wie schützt man sich vor Cyber-Angriffen? Für die Energieversorger wird es immer wichtiger, dass die Daten in Deutschland liegen. Hier können wir die Kunden mit unserem zertifizierten Rechenzentrum unterstützen.

Interview: Alexander Schaeff

Im Interview, Tobias MannTobias Mann ist seit dem 1. Januar 2022 Leiter Versorgungswirtschaft ENER:GY bei der Wilken Software Group. Zuvor verantwortete er den Bereich Beratung und Projekte. Seit Anfang 2021 gehört Tobias Mann auch dem Management Board von Wilken an.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Unternehmen

Steag Iqony Group: Führungswechsel im kommenden Jahr

[18.12.2025] Bei der Steag Iqony Group steht ein Führungswechsel an: Gundolf Schweppe übernimmt im Mai 2026 den Vorstandsvorsitz. Er folgt auf Andreas Reichel, der das Unternehmen seit 2020 geführt hat und planmäßig in den Ruhestand geht. mehr...

MVV Energie: Solides Ergebnis für 2025

[16.12.2025] Trotz sinkender Großhandelspreise hat MVV Energie im Geschäftsjahr 2025 ein solides operatives Ergebnis erzielt und ihr Investitionsvolumen deutlich erhöht. Mehr als 500 Millionen Euro flossen vor allem in Projekte der Wärme- und Stromwende sowie in grüne Kundenlösungen. mehr...

Thüga: Zusammenschluss zu regionalem Versorger

[15.12.2025] Thüga Energie und ThügaNETZE wollen ab 2026 unter einem Dach auftreten und so ihre Kräfte in den Regionen bündeln. Der Zusammenschluss soll Effizienz schaffen, die Energie- und Wärmewende unterstützen und zugleich einen Wechsel an den Unternehmensspitzen bringen. mehr...

Stadtwerke Lübeck: Kommunale Partnerschaft erweitert

[08.12.2025] Stadtwerke Lübeck Solutions hat drei neue kommunale Partner gewonnen, die sich als Kommanditisten an der Digitaleinheit beteiligen. Mit der Stadt Mölln, dem Kreis Segeberg und der IT-Allianz Nord soll die Entwicklung skalierbarer Lösungen für die öffentliche Verwaltung vorangetrieben werden. mehr...

Trianel: Award für Nachhaltigkeitsbericht

[03.12.2025] Trianel hat für seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht nach dem ESRS VSME Standard den Exzellenz Status der ESG Transparency Awards 2025 erreicht. mehr...

Kreis Dingolfing-Landau: Bezug von Ökostrom verlängert

[03.12.2025] Der Landkreis Dingolfing-Landau bezieht auch in den kommenden drei Jahren zertifizierten Ökostrom der Stadtwerke Dingolfing. Die Stadtwerke gingen erneut als wirtschaftlichster Anbieter einer bundesweiten Ausschreibung hervor. mehr...

Konstanz: Gründung von Wärmeverbund

[27.11.2025] Die Stadtwerke Konstanz gründen gemeinsam mit Solarcomplex eine Gesellschaft für den Aufbau eines regenerativen Wärmeverbunds im neuen Stadtteil Hafner. Der Entscheidung des Gemeinderats zufolge soll Wärmeversorgung Hafner Wärmepumpen und eine eigene Photovoltaikanlage bündeln. mehr...

Stadtwerke Fürstenfeldbruck: Digitaler Assistent im Kundenservice

[26.11.2025] Die Stadtwerke Fürstenfeldbruck setzen seit Mitte November auf einen KI-basierten Telefonassistenten, um ihre Erreichbarkeit zu verbessern. Der digitale Mitarbeiter namens Oskar beantwortet Anrufe rund um die Uhr und übernimmt erste Kundenanliegen selbstständig. mehr...

JUWI: Grüner Strom für Stahlproduktion

[19.11.2025] Feralpi Stahl und der Projektentwickler JUWI wollen prüfen, ob Wind- und Solarkraft aus Sachsen künftig grünen Strom für die Stahlproduktion in Riesa liefern kann. Die Unternehmen sehen darin einen möglichen Schritt zu klimafreundlicherem Stahl und zu mehr regionaler Wertschöpfung. mehr...

sewikom/BeSte Stadtwerke: Start von kombinierten Tarifen

[18.11.2025] sewikom und BeSte Stadtwerke starten kombinierte Tarife für Glasfaserinternet, Ökostrom und Gas in mehreren Kommunen des Kreises Höxter. Die Kooperation soll Haushalten günstigere Konditionen und einen einfacheren Einstieg in die nachhaltige Energieversorgung bieten. mehr...

Stadtwerke Bocholt Gruppe: Übernahme der Stadtwerke Rhede

[07.11.2025] Die Stadtwerke Rhede schließen sich Anfang November 2025 der Stadtwerke Bocholt Gruppe an, um die Energie- und Wasserversorgung in der Region zukunftssicher zu stärken. Für Kundinnen und Kunden sollen sich dabei weder Tarife noch bestehende Angebote ändern. mehr...

dena: Energy Efficiency Awards 2025 vergeben

[06.11.2025] Auf dem dena-Energiewende-Kongress in Berlin sind fünf Unternehmen mit dem Energy Efficiency Award 2025 geehrt worden. Die Auszeichnung würdigt innovative Projekte, die zeigen, wie Energiewende und Klimaschutz in der Wirtschaft vorankommen. mehr...

Steag Iqony: Übernahme von Uniper Wärme abgeschlossen

[04.11.2025] Die Steag Iqony Group hat die Übernahme von Uniper Wärme abgeschlossen und stärkt damit ihre Position im Fernwärmemarkt im Ruhrgebiet. Laut Unternehmensangaben soll die Wärmeversorgung in der Region sicherer und klimafreundlicher werden. mehr...

Frankfurt am Main: Mainova bleibt Energiepartnerin

[04.11.2025] Die Stadt Frankfurt am Main bezieht auch ab 2026 weiter Strom und Erdgas von Mainova. Der regionale Energiedienstleister versorgt tausende kommunale Gebäude und stellt vollständig Ökostrom bereit. mehr...

EnBW: Gründung des Energy Launchpad

[28.10.2025] Mit dem Energy Launchpad haben EnBW und Partner aus Wissenschaft, Industrie und Start-up-Szene eine neue europäische Plattform für Energieinnovation ins Leben gerufen. Ziel ist es, grenzüberschreitend Lösungen für ein widerstandsfähiges und nachhaltiges Energiesystem zu entwickeln. mehr...