Stadtwerkestudie 2019Kooperation ist die Zukunft

Die Stadtwerkestudie 2019 zeigt, dass Energieversorger zunehmend auf Kooperationen und Partnerschaften setzen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
(Bildquelle: yingyaipumi/stock.adobe.com)
Das Zusammenwachsen und die Vernetzung von Branchen stellen ganze Industriezweige auf den Kopf. Plötzlich verweben sich Wertschöpfungsketten von Industrien, die bislang ungestört nebeneinanderher gelebt haben. Kooperation ist die neue Konkurrenz. Diese Entwicklung hat einen Namen: Sektorkonvergenz. Zunehmend ergreift dieser Trend auch die Energiewirtschaft. Messdaten und Steuerungsmöglichkeiten fürs eigene Heim fließen immer mehr zusammen, sei es über Amazons Alexa, Googles Nest oder eines der vielen Smart-Home-Komplettsysteme: Die Elektronik, die uns umgibt, will gesteuert werden – über das Netz, das Internet of Things. Das passiert auch in größerem Maßstab, wenn Städte beginnen, Verkehrsflüsse und Energieverbräuche zu lenken. Ein Beispiel findet sich im Ruhrgebiet, wo ein Mobilitätsdienstleister mit Kommunen, Energieversorgern, Stadtwerken und Wohnungswirtschaft im E-Carsharing kooperiert. Im westfälischen Münster hingegen tun sich die Stadtwerke mit einer Energiegenossenschaft beim Bau von Windenergieanlagen zusammen.
Die unterschiedlichen Marktteilnehmer bringen in den Projekten ihr jeweiliges Wissen zum Vorteil des Endkunden zusammen. Oft werden dabei digitale Plattformen genutzt, über die der Endkunde dank gemeinsamer Schnittstelle Zugang zu einer Vielzahl an Produkten und Dienstleistungen erhält. Dabei könnte das Smart Meter Gateway zum Türöffner dieser neuen Plattformwirtschaft avancieren.
Vertrauen ist Kapital
Ein Beispiel für eine äußerst erfolgreiche Plattformwirtschaft ist Amazon. Einst konnte man dort lediglich Bücher beziehen, später alle möglichen anderen Waren, inzwischen Filme, Musik, Hörbücher und sogar Radioreportagen. Ebenfalls angedockt sind zahllose Fremdverkäufer, die ihre Waren über die marktbeherrschende Plattform anbieten. Ähnlich gedachte Ökosysteme könnten auch Stadtwerke aufbauen. Denn gerade die regionale Verwurzelung bietet den Versorgern einen Wettbewerbsvorteil. Sie können Angebote verschiedener Partner zu einem Produkt mit Mehrwert kombinieren und dabei die Rolle des Dirigenten in der Region übernehmen.
Die für die EY-Stadtwerkestudie 2019 befragten Energie-Manager erwarten ein Zusammenwachsen über Sektorgrenzen hinweg vor allem in der dezentralen Stromerzeugung und -speicherung, bei Smart Metering und Elektromobilität. Diese Geschäftsfelder sind nah am Kerngeschäft und technologisch weit entwickelt. Noch bestehen allerdings viele regulatorische Hemmnisse. Über ein Drittel der Befragten sieht außerdem Potenzial für Geschäftsfelder, die das klassische Leistungsangebot eines Energieversorgers deutlich erweitern würden. Dies sind vor allem Smart-City- und Smart-Home-Ansätze.
Umdenken notwendig
Das Umdenken in Richtung Plattformbetreiber ist notwendig, um evolutionär neue Geschäftsfelder zu erschließen. Die Plattform, die als erstes Angebot und Nachfrage intelligent und komfortabel zusammenbringt, beherrscht bald das Marktsegment. Im digitalen Zeitalter geht es dabei mehr denn je um Daten. Erfolgreiche Online-Plattformen bieten Kunden ihre Leistungen sehr günstig oder sogar gratis an, erhalten dafür aber wertvolle Daten. Diese Daten sind interessant für Gerätehersteller, Wohnungswirtschaft, Effizienzberater, Versicherungen und die Endkunden selbst. Wie die EY-Studie zeigt, stehen die Daten keineswegs zum freien Verkauf. Keines der befragten 172 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz plant eine Datenvermarktung an Dritte, vielmehr geht es um kombinierte Lieferung und Messung, Energieautarkie, Bündelablesungen und variable Tarife.
Verweben der Sektoren als Chance
Das Verweben der Sektoren begreifen die befragten Geschäftsführer und Vorstände vor allem als Chance. Das größte Synergiepotenzial sehen die Energieversorger demnach in Kooperationen mit der Wohnungswirtschaft, die häufig regional verankert ist; Kooperationen mit dem Technologie- und dem Telekommunikationssektor sind ebenfalls vielversprechend. Chancen bieten insbesondere die dezentrale Stromerzeugung, Smart Metering und Elektromobilität, so ein weiteres Umfrageergebnis. Darüber hinaus sehen sich Stadtwerke und Energieversorger zukünftig als umfassende Plattformbetreiber im Betrieb von Smart Meter Gateways, der Lade-Infrastruktur oder im Gebäude-Management. Weitere Entwicklungspotenziale bestehen in Bereichen wie Telekommunikation, Quartierskonzepte sowie in Smart-Home- und Smart-Metering-Ansätzen. Insgesamt ist die Stimmung in der Energiewirtschaft gut, sie wird immer mehr zur Wachstumsbranche, was sich in zahlreichen neuen Geschäftsmodellen widerspiegelt.
Wer stillhält, verliert
Digitalisierung und Sektorkonvergenz bergen aber auch Risiken. Die Umbrüche erfolgen in einzelnen Wertschöpfungsstufen sehr schnell. Daher gehen rund drei Viertel der Befragten davon aus, dass Smart-City-Ansätze nur in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern erfolgreich umgesetzt werden können; gleichzeitig scheut die Mehrheit der Befragten aber noch den Schritt in neue Geschäftsfelder jenseits der Energieversorgung. Das könnte sich als großer Fehler erweisen. Denn es ist zu erwarten, dass sich künftig noch mehr Akteure aus anderen Branchen in der Energiewirtschaft engagieren. So baut etwa die Deutsche Telekom eine eigene Lade-Infrastruktur für Elektroautos auf, Produktions- und Einzelhandelsunternehmen erzeugen den Strom für ihre Standorte und Filialen selbst und zahlreiche Player aus anderen Branchen bieten Endkunden Strom an.
Der Druck auf die Etablierten wächst. Die erhoffte Chance kann schnell zum Risiko werden. Und zwar dann, wenn die Energieversorger selbst das Risiko scheuen. Wenn ihre Unternehmenskultur nicht agiler und innovationsfreundlicher wird, Fehler erlaubt und das ganze Potenzial ihrer Mitarbeiter abruft, verpassen sie die Chancen, die ihnen der immer schnellere Wandel bieten kann.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September/Oktober 2019 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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