InterviewRückendeckung für den Klimaschutz

Im Interview: Franz Untersteller
Franz Untersteller, Jahrgang 1957, hat Landschaftsplanung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen studiert und war von 2006 bis 2011 Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg. Seit Mai 2011 ist Franz Unt
(Bildquelle: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg)

Im Interview: Franz Untersteller
Franz Untersteller, Jahrgang 1957, hat Landschaftsplanung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen studiert und war von 2006 bis 2011 Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg. Seit Mai 2011 ist Franz Unt
(Bildquelle: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg)
Herr Minister, seit über einem Jahr trägt die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg die Verantwortung für die Energie- und Klimaschutzpolitik. Was konnten Sie in dieser Zeit erreichen?
Es ist uns gelungen, bei der Energie- und Klimaschutzpolitik entscheidende Weichen zu stellen und ein paar schwierige Themen auf den Weg zu bringen. Ein erstes Beispiel ist das Landesplanungsgesetz. Dieses haben wir novelliert und damit die Voraussetzungen für den Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg geschaffen. Künftig gibt es keine Ausschlussgebiete mehr. Eine Ausnahme sind zum Beispiel die Kernzonen eines Biosphärengebiets. Auch in unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauungen werden selbstverständlich keine Windkraftanlagen gebaut. Ebenso berücksichtigen wir bei der Planung und Genehmigung die Belange des Naturschutzes. Vorangekommen sind wir auch beim Klimaschutz: Zusammen mit Nordrhein-Westfalen sind wir das erste Bundesland, das dem Klimaschutz Gesetzesrang verschaffen wird. Damit wird es möglich und verpflichtend, in Planungs- und Genehmigungsprozessen immer auch die Auswirkungen auf das Klima zu berücksichtigen. Der Klimaschutz bekommt, wenn Sie so wollen, gesetzliche Rückendeckung und damit ein deutlich größeres Gewicht in Politik, Verwaltung und Gesellschaft. Ein drittes Beispiel ist das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept. Nach einem Prozess der Bürgerbeteiligung werden wir 2013 ein Konzept vorlegen, in dem sehr detailliert für verschiedene Bereiche, wie etwa Industrie, Mobilität, Landwirtschaft oder öffentliche Verwaltung, Strategien und Handlungsempfehlungen festgeschrieben werden, um Energie- und Klimaschutzziele zu erreichen. Dieses Konzept wird das zentrale Instrument unserer Politik für die nächsten Jahre sein.
Auch auf Bundesebene ist Bewegung in die Energiewende gekommen. Was muss die Bundesregierung tun, damit der Umbau des Energiesystems ein Erfolg wird?
In den vergangenen Wochen hat sich tatsächlich etwas bewegt auf Bundesebene. Die Energiewende scheint Chefsache geworden zu sein oder ist zumindest auf dem Weg dorthin. Das begrüße ich, denn die Wende kann nur gelingen, wenn sie Priorität auf der politischen Agenda genießt – und das nicht nur in Baden-Württemberg. Ende Mai ist zum Beispiel der Netzentwicklungsplan der vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland vorgestellt worden und befindet sich jetzt in der Diskussion. Bis zum Herbst soll die Netzplanung fertig sein und dann in ein Gesetz gegossen werden. Das geht nur auf Bundesebene, hier dürfen wir uns keine zusätzliche Zeitverzögerung mehr erlauben. Nach heutiger Planung sollen die neuen Leitungstraßen von Nord nach Süd bis zum Jahr 2022 gebaut sein, das ist schon jetzt ein Zeitplan mit wenig Luft. Beim EEG ist der Bund natürlich auch gefragt – Sie kennen die Diskussion um die Kürzung der Solarförderung. Meiner Überzeugung nach darf man die Pläne der Bundesregierung nicht umsetzen, denn damit riskiert man das dringend benötigte hohe Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien und die Wettbewerbsfähigkeit der Solarunternehmen.
„Wir betrachten die Kommunen und Stadtwerke als wertvolle Partner bei der Umsetzung der Energiewende.“
Baden-Württemberg will bis 2020 fast 40 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugen. Wie soll der Mix verschiedener Quellen aussehen?
Wichtig ist: Die 38 Prozent, die wir erreichen wollen, sind nicht nur so daher gesagt, sondern es handelt sich um eine fundierte Größe, die auf einer Expertenanalyse der Situation und der Bedingungen in Baden-Württemberg beruht. Das gilt ebenso für die Anteile der einzelnen Energieträger, die in der Summe die 38 Prozent erbringen sollen. Die Windenergie und die Photovoltaik verfügen ganz klar über das größte Ausbaupotenzial, beide zusammen sollen im Jahr 2020 rund 22 Prozent zur Bruttostromerzeugung in Baden-Württemberg beitragen. Die Wasserkraft soll rund acht Prozent, die Biomasse etwa sieben Prozent liefern.
Was ist im neuen Windenergieerlass geregelt, welche Vorteile bietet der Erlass für die Verfahrensbeteiligten?
Der Windenergieerlass ist ein Werkzeug vor allem für die Planungsbehörden, um Anfragen im Zusammenhang mit dem Ausbau der Windkraft leichter bearbeiten und beantworten zu können. Er kann und will dabei nicht alles regeln, greift aber nahe liegende Fragen auf und liefert allen Beteiligten eine einheitliche Informationsbasis über planerische und rechtliche Anforderungen oder vorhandene Auslegungsspielräume.
Beim Bau von Windparks oder Pumpspeicherkraftwerken gibt es einen Konflikt zwischen Klima- und Naturschützern. Wie bringen Sie beide Interessen unter einen Hut?
Wir werden es nicht schaffen, Interessenkonflikte in jedem Fall zur Zufriedenheit aller zu lösen. Es gibt diesen Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Naturschutz – die große Kunst der kommenden Jahre wird es sein, einen Ausgleich zwischen diesen beiden gleichberechtigten Zielen zu erreichen. Klimaschutz ist im Kern ja auch Naturschutz – das ist ein Denkansatz, den es lohnt, weiterzuverfolgen. Andersherum müssen wir beim Ausbau der Windkraft oder bei der Planung von Pumpspeichern natürlich sehr genau prüfen, welche Belange des Naturschutzes tangiert sind, und ob das vertretbar ist oder es nicht einen besseren, konfliktfreieren Standort für ein geplantes Windrad gibt. Außerdem müssen wir vor Ort die Bürgerinnen und Bürger, die Verwaltung und die Verbände intensiv in Pläne und Vorhaben einbinden, um Konflikte möglichst frühzeitig zu erkennen und zu lösen.
Der Südwesten ist ein wichtiger Industriestandort. Wie gewährleisten Sie die Versorgungssicherheit, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint?
Zum einen haben wir Verträge über die Bereitstellung von Reservekapazitäten geschlossen, etwa in Österreich und der Schweiz. Zum anderen setzen wir uns dafür ein, dass die Voraussetzungen geschaffen werden, damit Energieversorger wieder in Speicher und hoch effiziente Gaskraftwerke investieren. Mittelfristig benötigen wir fossile Kraftwerke, um die Energiewende zu schaffen, dafür müssen meiner Überzeugung nach Investitionsanreize geboten werden, zum Beispiel mithilfe eines Kapazitätsmarktes. Nicht zuletzt gehört auch der Netzausbau, also die Modernisierung der Infrastruktur, zum Thema Versorgungssicherheit.
Wie unterstützt die Landesregierung die Kommunen und ihre Stadtwerke bei der Umsetzung der Energiewende auf regionaler und lokaler Ebene?
Zunächst einmal arbeiten wir eng zusammen; wir betrachten die Kommunen und Stadtwerke als wertvolle Partner bei der Umsetzung der Energiewende. Institutionalisiert haben wir diese Zusammenarbeit im Forum Energiewende, welches wir gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden gegründet haben und in dem wir uns auf Arbeitsebene mehrmals im Jahr zu Gesprächen treffen.
Ein Erfolgsfaktor der Energiewende ist die Steigerung der Energieeffizienz. Welche Maßnahmen ergreifen Sie hierfür?
Auf diesem Feld ist die Frage der Gebäudesanierung entscheidend. Daher haben wir zum Beispiel Förderprogramme für private Hausbesitzer sowie mittlere und kleinere Unternehmen aufgelegt, um die Sanierungsquote zu steigern. Als Land sind wir zudem selbst Hausbesitzer: Wir sind für rund 8.000 Liegenschaften zuständig, die wir zunächst auf ihre jeweiligen Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung abklopfen, um mit gutem Beispiel vorangehen zu können. Ziel ist es, die CO2-Emissionen aus landeseigenen Liegenschaften bis zum Jahr 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu senken. Das ist deutlich mehr, als das von der EU beschlossene CO2-Ziel von minus 20 Prozent.
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