ForschungStromnetz der Zukunft simuliert

Auch bei 100 Prozent erneuerbaren Energien kann ein stabiler Netzbetrieb gewährleistet werden – zeigt das Forschungsprojekt Kombikraftwerk 2.
(Bildquelle: MEV Verlag / PEAK Agentur für Kommunikation)
In virtuellen Kraftwerken werden dezentrale Anlagen zur Energieerzeugung und -speicherung zusammengeschlossen. Fluktuationen bei Wind- und Sonnenenergie werden dabei sowohl räumlich als auch zeitlich ausgeglichen. Bei Flaute und Dunkelheit springen steuerbare Erzeuger, wie zum Beispiel Biogasanlagen, ein. Dass dies eine Möglichkeit ist, den Strombedarf jederzeit vollständig mit erneuerbaren Energien zu decken, wurde bereits im Jahr 2007 im Rahmen des Projekts Kombikraftwerk gezeigt. Hier wurde die Deckung der benötigten Energie für ein Jahr simuliert und im Maßstab 1:10.000 mithilfe des Kombikraftwerks praktisch umgesetzt.
Das allein ist jedoch nicht ausreichend für eine technisch erfolgreiche Energiewende. Der Strom muss nämlich nicht nur in ausreichenden Mengen, sondern auch am richtigen Ort zur Verfügung stehen, also zu den Verbrauchern transportiert werden. Für eine sichere Stromversorgung ist damit auch die Netzstabilität von größter Bedeutung. Im Folgeprojekt Kombikraftwerk 2 hat sich unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) ein Konsortium, bestehend aus den Unternehmen Siemens, SolarWorld, SMA Solar Technology, Ökobit, Enercon und Cube Engineering sowie dem Deutschen Wetterdienst, der Leibniz Universität Hannover (IEH) und der Agentur für Erneuerbare Energien zusammengefunden und gezeigt, dass bei 100 Prozent erneuerbaren Energien auch ein stabiler Netzbetrieb gewährleistet werden kann.
Szenario entworfen
Im Projekt wurde zunächst auf Grundlage der zuvor ermittelten Potenziale ein Szenario für die Stromversorgung allein auf Basis von erneuerbaren Energien entwickelt. Der Strombedarf, der unter Annahme von Effizienzsteigerungen und zusätzlichen Verbrauchern wie der Elektromobilität in etwa dem heutigen entspricht, wird dabei zu 60 Prozent aus Windenergie, zu 20 Prozent aus Sonnenenergie, zu 10 Prozent aus Bioenergie sowie zu 10 Prozent aus Wasserkraft und Geothermie gedeckt. Zusätzlich wurde davon ausgegangen, dass Überschüsse in Zukunft gespeichert werden. Dafür stehen über die Power-to-Gas-Technologie das Erdgasnetz sowie Pump- und Batteriespeicher zur Verfügung. Für dieses Szenario und ein reales Wetterjahr wurden räumlich und zeitlich hochaufgelöst Stromeinspeisung und -verbrauch und daraus folgend auch die Stromflüsse im Übertragungsnetz simuliert. Um das Stromnetz der Zukunft abzubilden, wurden neben der Verstärkung bestehender Leitungen auch die derzeitigen Planungen – Netzentwicklungsplan 2012 und Dena-Netzstudie I – berücksichtigt. Stromerzeugung und -verbrauch, Speichereinsatz und die Stromflüsse im Übertragungsnetz wurden stündlich berechnet.#bild2
Im Anschluss haben die Projektpartner schwerpunktmäßig die Höhe der im Szenario benötigten Systemdienstleistungen ermittelt und untersucht, wie diese mit erneuerbaren Energien erbracht werden können. Bei den Systemdienstleistungen handelt es sich um Maßnahmen zur Sicherstellung der Netzstabilität, also solche, die Frequenz und Spannung von ihren Sollwerten jederzeit in festgelegten Grenzen halten. Um die Fähigkeit der erneuerbaren Energien zur Erbringung von Systemdienstleistungen zu ermitteln, wurden umfangreiche Untersuchungen angestellt, etwa Simulationen bezüglich des Engpass-Managements zur System- und Betriebsführung, der Momentanreserve zur Frequenzhaltung sowie des Blindleistungsbedarfs und der -erbringung zur Spannungshaltung. Die Ergebnisse zeigen, dass der Blindleistungsbedarf der Lasten überwiegend regional kompensiert werden kann. Auch der Blindleistungsbedarf des Übertragungsnetzes kann innerhalb von 15 simulierten Regionen fast immer regional bereitgestellt werden.
Zusätzlich wurde ein Laborversuch durchgeführt, um die Schwarzstartfähigkeit zum Versorgungswiederaufbau zu testen. Dabei wurde davon ausgegangen, dass bei einem Netzausfall die Anlagen, in diesem Fall zunächst eine Biogasanlage, mithilfe einer Batterie im Inselbetrieb starten und zunächst ein Inselnetz bilden würden. Nach und nach konnten sich Lasten und weitere Anlagen zuschalten, bis schließlich das Labornetz wieder an das Verbundnetz angeschlossen werden konnte. Aus dem erfolgreichen Test lässt sich schließen, dass die technischen Möglichkeiten für einen Versorgungswiederaufbau durch erneuerbare Energien vorhanden sind.
Praktischer Beweis erbracht
Darüber hinaus kann der Regelleistungsbedarf zur Frequenzhaltung im Modell jederzeit problemlos gedeckt werden. Neben der rechnergestützten Ermittlung des Regelleistungsbedarfs und dessen Deckung wurde die Fähigkeit der erneuerbaren Energien, Regelleistung bereitzustellen, Ende Oktober 2013 in einem Feldtest vorgeführt. Dazu wurden in einem virtuellen Kraftwerk, dem Kombikraftwerk, 19 Photovoltaikanlagen, zwei Windparks mit insgesamt 27 Anlagen und vier Biogasanlagen zusammengeschlossen. Im Laufe des Tests musste dieser Anlagen-Pool, in Anlehnung an die Anforderungen für konventionelle Kraftwerke zur Präqualifizierung für den Regelleistungsmarkt, zunächst eine vorgegebene Rampe und dann ein reales Abrufsignal abfahren.
Die Bedingungen während des Tests waren denkbar ungünstig. Während südlich von Berlin, an den Standorten der teilnehmenden Windparks, nur ein laues Lüftchen wehte, war der Himmel in Nordhessen, wo sich die Photovoltaikanlagen befanden, weitgehend bedeckt. Trotz dieser Widrigkeiten konnten die Anlagen im Verbund erfolgreich die geforderten Bedingungen erfüllen. Windenergie- und Photovoltaikanlagen sind neben Biogasanlagen also schon heute technisch in der Lage, Regelleistung zu erbringen.
Einzig die Rahmenbedingungen zur Marktteilnahme hindern die nicht-regelbaren Anlagen, deren wetterabhängige Erzeugung eher kurzfristig prognostiziert werden kann, daran, bereits heute am Regelenergiemarkt teilzunehmen. Hierfür sind kürzere Ausschreibungsfristen und Vorlaufzeiten empfehlenswert. Auch flexiblen Anlagen, die Gas aus erneuerbaren Quellen verstromen, mit hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung bedarfsorientiert betrieben werden und einen witterungsabhängig zu prognostizierenden Wärmebedarf aufweisen, würde das den Marktzugang ermöglichen.
Zuverlässig und stabil
Das Kombikraftwerk-2-Projekt hat gezeigt, dass auch in einem System mit 100 Prozent erneuerbaren Energien eine zuverlässige und stabile Stromversorgung gesichert ist. Die im Projekt untersuchten Systemdienstleistungen können entsprechend der Simulationen und praktischen Versuche das ganze Jahr über in der benötigten Höhe erbracht werden. Ein Zusammenschluss der meist dezentralen Erneuerbare-Energien-Anlagen in virtuellen Kraftwerken stellt eine empfehlenswerte Möglichkeit dar, um Ausgleichseffekte zu nutzen und die Marktteilnahme zu erleichtern.
Dieser Beitrag ist in der März-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Hamburger Energienetze: eRound bündelt drei digitale Lösungen
[05.12.2025] Die Hamburger Energienetze bündeln unter der Marke eRound drei digitale Lösungen für Lade-Infrastruktur, Verteilnetze und Smart-City-Anwendungen. Ziel ist eine effizientere Steuerung der Energiewende und ein transparenter Blick auf den Zustand kritischer Infrastruktur. mehr...
TransnetBW: Gesetz zur Strompreis-Senkung verabschiedet
[04.12.2025] Ein staatlicher Zuschuss von 6,5 Milliarden Euro soll 2026 die Netzentgelte und damit die Strompreise für Verbraucherinnen und Verbraucher spürbar dämpfen. Bundestag und Bundesrat haben das entsprechende Gesetz verabschiedet. mehr...
Niederviehbach: Zweite Einspeisesteckdose gestartet
[02.12.2025] In Niederviehbach ist das zweite bayerische Pilotprojekt zur sogenannten Einspeisesteckdose gestartet. Damit soll laut Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger der Netzausbau schneller, effizienter und planbarer werden. mehr...
Schleswig-Holstein: Strategiepapier für mehr Netz-Flexibilität
[28.11.2025] Ein neues Strategiepapier soll mehr Flexibilität beim Netzanschluss schaffen und Engpässe bei der Energiewende vermeiden. Nach Angaben des schleswig-holsteinischen Energiewendeministeriums sollen dafür Vergaberegeln, Anschlussverfahren und die Nutzung bestehender Netzpunkte grundlegend überarbeitet werden. mehr...
Hamburg: Projekt zur Netzsteuerung gestartet
[24.11.2025] In Hamburg startet das Leitprojekt FARFALLE, das eine präzisere und fairere Netzsteuerung nach §14a EnWG ermöglichen soll. Die Partner entwickeln dafür ein Verfahren, das steuerbare Verbrauchseinrichtungen gezielt statt pauschal drosselt und so Engpässe effizienter beseitigt. mehr...
Langmatz: Plastik schlägt Beton
[17.11.2025] Warum Kabelschächte aus Kunststoff langfristig die bessere Wahl sind und welche Vorteile sich daraus für Tiefbauunternehmen, Netzbetreiber und Kommunen ergeben, erklärt Dieter Mitterer, einer der beiden Geschäftsführer von Langmatz, im Interview. mehr...
TransnetBW: Forschungsprojekt zur digitalen Vernetzung gestartet
[13.11.2025] Mit DataFleX startet unter der Leitung von Tennet Germany ein neues Forschungsprojekt zur digitalen Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr. Ziel ist es, dezentrale Energieflexibilitäten erstmals sektorenübergreifend nutzbar zu machen und damit Netzstabilität, Klimaschutz und Bezahlbarkeit zu sichern. mehr...
50Hertz: Neue Netzanschlüsse geplant
[12.11.2025] Der Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz hat Netzanschlüsse für Projekte mit einer Gesamtleistung von fast 30 Gigawatt zugesagt – ein Rekord in der Unternehmensgeschichte. Neben Wind- und Solarparks sollen auch Großbatterien, Elektrolyseure und Rechenzentren ans Netz gehen. mehr...
Bundesnetzagentur: Letzter Abschnitt von Ultranet genehmigt
[06.11.2025] Die Bundesnetzagentur hat die Stromleitung Ultranet in ihrem letzten Abschnitt genehmigt. Damit ist der Verlauf der rund 342 Kilometer langen Gleichstromtrasse zwischen Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg vollständig festgelegt und der Weg zur geplanten Inbetriebnahme Ende 2026 frei. mehr...
BDEW: Kritik an Anreizregulierung NEST
[31.10.2025] Die Bundesnetzagentur hat den Länderausschuss über Anpassungen bei der neuen Anreizregulierung NEST informiert. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßt einzelne Änderungen, hält sie insgesamt aber für unzureichend, um dringend nötige Investitionen in die Energienetze zu sichern. mehr...
Balzhausen: Erste Einspeisesteckdose Deutschlands in Betrieb gegangen
[23.10.2025] In Balzhausen im bayerisch-schwäbischen Landkreis Günzburg ist Deutschlands erste Einspeisesteckdose in Betrieb gegangen. Das von LEW Verteilnetz und Bayernwerk Netz entwickelte Konzept soll Erneuerbare-Energien-Anlagen schneller, günstiger und planbarer ans Netz bringen. mehr...
Datenplattform: Analoger Strom in digitalen Netzen
[13.10.2025] Mit seiner Smart Energy Platform unterstützt der Hersteller GISA Stadtwerke bei der Digitalisierung der Niederspannung. Das Unternehmen setzt dabei auf die Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern und auf offene, skalierbare Lösungen. mehr...
Stadtwerke Völklingen: Neue Trafostation in Betrieb genommen
[13.10.2025] In Völklingen-Ludweiler ist eine neue Trafostation in Betrieb gegangen. Die Anlage „Zum Heidenhübel“ stärkt laut Stadtwerke Völklingen Netz die lokale Stromversorgung und verbessert die Einspeisung von Energie aus Photovoltaikanlagen. mehr...
Mitnetz Strom: Investitionen in Westsachsen
[30.09.2025] Mitnetz Strom investiert 2025 in Westsachsen 565 Millionen Euro in Ausbau, Modernisierung und Digitalisierung des Stromnetzes. Ziel ist eine sichere Energieversorgung und die Integration wachsender Einspeisungen aus erneuerbaren Energien. mehr...
SuedOstLink: Richtfest für Station in der Hohen Börde
[30.09.2025] In der Hohen Börde bei Magdeburg wurde jetzt das Richtfest für eine zentrale Station des SuedOstLinks gefeiert. Die Anlage soll künftig Leitungen bündeln, Kabelübergänge sichern und den Betrieb überwachen. mehr...















