Samstag, 3. Mai 2025

InterviewDie Kosten im Blick behalten

[19.06.2014] Die Energiewende ist für Stadtwerke eine Chance, meint Constantin H. Alsheimer, Vorsitzender des Vorstands der Mainova AG. Im stadt+werk-Interview erklärt er, warum die Rekommunalisierung aber nicht immer sinnvoll ist und welche neuen Geschäftsfelder lohnend sind.
Dr. Constantin H. Alsheimer: „Für die kommunalen Versorger ist die Energiewende schon allein deshalb eine Herausforderung

Dr. Constantin H. Alsheimer: „Für die kommunalen Versorger ist die Energiewende schon allein deshalb eine Herausforderung, weil es um hohe Investitionen geht.“

(Bildquelle: Mainova)

Herr Dr. Alsheimer, die Bundesregierung will die Energiewende zum Erfolg führen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat kürzlich seine Vorstellungen dazu vorgelegt. Wie beurteilen Sie die Pläne?

Ich muss sagen, dass ich inzwischen skeptisch gestimmt bin, ob das ausgegebene Ziel der EEG-Reform, nämlich die Kostendynamik der Energiewende in den Griff zu bekommen, auf diese Weise erreicht werden kann. Das Eckpunktepapier von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ging grundsätzlich in die richtige Richtung. Dort wurde stärker als bisher auf die volkswirtschaftliche Ratio der EEG-Fördermaßnahmen abgestellt. Das fand ich begrüßenswert, denn ich vertrete schon lange die Ansicht, dass die Energiewende nur gelingen kann, wenn sie von den Bürgern weiterhin akzeptiert wird. Und das wird sie nur, wenn sie bezahlbar bleibt. Mit der Aufweichung der EEG-Reform auf dem Bund-Länder-Energiegipfel am 1. April dürfte die Kostendynamik jedoch kaum gebrochen werden. Abzuwarten bleibt, wie der Kostenanstieg ausfällt. Immerhin beinhaltet die EEG-Reform aber auch einige begrüßenswerte Elemente. Gut gefällt mir beispielsweise, dass die Eigenproduktion von Strom nicht mehr per se privilegiert sein soll. Gut gefällt mir auch die geplante Einführung der verpflichtenden Direktvermarktung. Allerdings plant die Bundesregierung hier Ausnahmen für EE-Kleinanlagen. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Stabilität des Energieversorgungssystems wäre es besser, wenn die Direktvermarktung auch für diese Anlagen verpflichtend würde.

Wie wirkt sich die Energiewende – heute und künftig – auf die kommunalen Energieversorger aus?

Für die kommunalen Versorger ist die Energiewende schon allein deshalb eine Herausforderung, weil es um hohe Investitionen geht und neues Know-how aufgebaut werden muss – beispielsweise beim Thema Direktvermarktung. Auch die Errichtung von Windanlagen ist kein Geschäft, das man nebenbei erledigen kann, obwohl das Marktrisiko durch die feste Einspeisevergütung relativ moderat ist. Für die kommunalen Versorger ist es aber überwiegend eine große Chance, dass die Erzeugungsstruktur zukünftig dezentraler sein wird. Allerdings wird man sich auch die Frage stellen müssen, ob die Betriebsgröße eines jeden Stadtwerks ausreicht. Der Trend zu immer kleineren Stadtwerken – quasi eines für jedes Gemarkungsgebiet einer Gemeinde – ist meiner Meinung nach betriebswirtschaftlich nicht optimal. Hier wird es vermutlich Kooperationen und Zusammenschlüsse geben müssen.

Es ist also nicht immer der richtige Weg, die Versorgungsnetze wieder in kommunale Hände zu nehmen?

Wie gesagt, ich bin skeptisch. Einerseits ist es ordnungspolitisch sachgerecht, wenn sich die öffentliche Hand an der Infrastruktur beteiligt, um nicht in völlige Abhängigkeit zu geraten, sondern Einfluss auf Investitionen in die örtliche Infrastruktur nehmen zu können. Andererseits kann die Bundesnetzagentur ihre Regulierungsaufgaben bei vielen hundert Netzbetreibern in Deutschland nicht mehr sachgerecht wahrnehmen. Gerade im Hinblick auf die Qualitätsregulierung glaube ich, dass wir zu betriebswirtschaftlich sinnvollen Netzgrößen kommen müssen. Der gegenwärtige Trend ist gegenläufig und birgt die Gefahr einer Zersplitterung der Netze.

Mit welcher Strategie reagiert Mainova auf den Umbau des Energiesystems?

Mainova unterstützt die Energiewende und die Klimaziele der Stadt Frankfurt am Main sowie des Landes Hessen. Daher haben wir uns vorgenommen, unsere Kohlendioxidemissionen substanziell zu reduzieren. Konkret heißt das: 600.000 Tonnen weniger CO2 ab dem Jahr 2020. Dieses Ziel wollen wir über die Modernisierung unserer Erzeugung erreichen. Wir investieren deshalb beispielsweise in hocheffiziente Gaskraftwerke, etwa in Irsching und in Bremen. Leider sind deren Jahreslaufzeiten momentan eher limitiert. Darüber hinaus investieren wir in erneuerbare Energien, etwa in Freiflächenanlagen für Photovoltaik und vor allem in Windenergie an Land. So haben wir in Frankfurt und Umgebung Windenergieanlagen in einer Größenordnung von mehr als 100 Megawatt errichtet. Bei der Modernisierung unseres Erzeugungsparks setzen wir also auf die kostengünstigsten Elemente der erneuerbaren Energien. Wir glauben, dass sich diese auch nachhaltig durchsetzen und am ehesten am Markt behaupten werden. Beim Thema Netze versuchen wir ebenfalls, die anstehenden Herausforderungen möglichst kostengünstig zu bewerkstelligen. Gemeinsam mit der Bergischen Universität Wuppertal, der SAG und dem Unternehmen Bilfinger Mauel haben wir etwa das Smart-Grid-Projekt iNES gestartet. Dabei etablieren wir mit relativ wenigen, aber an neuralgischen Punkten angeordneten Mess- und Regelelementen eine kluge Netzsteuerung.

„Der Trend zu immer kleineren Stadtwerken ist nicht zielführend.“
Ein ehrgeiziges Ziel hat der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main ausgegeben: Die Bankenmetropole soll Solarhauptstadt werden. Halten Sie das für realistisch?

Es ist immer die Frage, mit welcher Perspektive ein solches Ziel formuliert wird. Derzeit sieht es danach aus, dass die Photovoltaik nicht ohne eine relativ teure Begleitmusik etabliert werden kann. Unterstellen wir einmal, dass in Frankfurt jedes hierfür geeignete Haus eine Einkleidung mit Photovoltaikzellen erhält – das wäre im Hochsommer eine tolle und möglicherweise auch kostengünstige Energiequelle, wenn sich aber Wolken vor die Sonne über Frankfurt schieben, ist der Strom innerhalb von einer Minute weg. Die Plötzlichkeit, mit der das Netz darauf reagieren muss, ist bei einer massenhaften Installation von Photovoltaik nicht mehr beherrschbar. Um das Netz zu entlasten, müsste man also eine Speichereinheit vor oder hinter jede Photovoltaikzelle stecken – das ist die erwähnte Begleitmusik. Von daher: Natürlich birgt die Photovoltaik Chancen und bietet Frankfurt hervorragende Bedingungen für deren Implementierung. Unter Kostengesichtspunkten ist es – zumindest aktuell – aber nicht die günstigste zur Verfügung stehende erneuerbare Energie. Also bleibt es vor allem eine Frage des Realisierungszeitpunkts.

In Frankfurt läuft ein Power-to-Gas-Pilotprojekt. Kann diese Technologie die Speicherprobleme bei Erneuerbaren lösen?

Ich persönlich kenne derzeit keine Speichertechnologie, die sich perspektivisch für die Massenspeicherung anbietet und günstiger ist als Power to Gas. Natürlich ist die Technologie noch nicht marktreif. Wir sind noch ein ganzes Stück von der Wirtschaftlichkeitsgrenze entfernt. Da wir die Speichertechnologie jedoch brauchen und auch an den Fortschritt glauben, setzt Mainova schon jetzt perspektivisch auf dieses Medium.

Manche Fachleute warnen schon vor Blackouts, wenn immer mehr Kraftwerke vom Netz gehen. Wie sorgt Mainova für Versorgungssicherheit in der Wirtschaftsregion Rhein-Main?

Mit Blick auf die hochsensible IT, die das Rückgrat des Finanz- und Dienstleistungssektors in Frankfurt bildet, obliegt uns hier eine besondere Verantwortung. Insofern haben wir ein hohes Maß an Ausfallsicherheit im Netz. Für Netzstabilität sorgen etwa Erzeugungsanlagen dezentraler Art, insbesondere, wenn sie in den Verteilnetzen implementiert sind. In Frankfurt haben wir mit rund 45 Prozent oder 460 Megawatt des durchschnittlichen Stromverbrauchs eine relativ hohe Eigenerzeugung. Auch unser virtuelles Kraftwerk, ein Zusammenschluss vieler Blockheizkraftwerke, sorgt für Stabilität und gewährleistet die Versorgungssicherheit. Auch hier befinden wir uns im Bundesvergleich in einer recht guten Position.

Welche neuen Geschäftsfelder müssen sich Stadtwerke suchen, um sinkende Margen im Kerngeschäft auszugleichen?

In Frage kommt alles, was Berührungspunkte mit dem Bereich Energie hat und aus dem sich ein Geschäft entwickeln lässt. Allerdings erfordert die Entwicklung neuer Produkte zunächst hohe Investitionen. Es ist also immer die Frage, inwiefern die Kraft der Stadtwerke ausreicht, um diese stemmen zu können, inwieweit die Stadtwerke mit Ausschüttungswünschen von Kämmerern konfrontiert werden und in welchem Umfang sie Gewinne im Unternehmen belassen können. Mainova beispielsweise investiert in das Geschäftsfeld Elektromobilität, etwa durch die Beteiligung an einem Carsharing-Unternehmen. Zudem haben wir das Unternehmen Hotmobil erworben, das bundesweit mobile Wärmeanlagen aufstellt. Darüber hinaus setzen wir auf Produkte rund um Blockheizkraftwerke. Wir investieren also in technische Gerätschaften, die als Energiedienstleistungen im weiteren Sinne verstanden werden können. Eine Geschäftschance für die Stadtwerke sehe ich auch, wenn es politisch gelingt, die Marktkräfte im Erzeugungsbereich zur Geltung kommen zu lassen – Stichwort Direktvermarktung. Ich glaube, die Stadtwerke werden zukünftig die Sparkassen der Energiewirtschaft sein. Sie werden Girokonten für die einzelnen Stromproduzenten führen, die etwa ihre Photovoltaikanlage vermarkten müssen. Über das Konto können sie dann im Falle der Produktion Strom einzahlen und diesen wieder entnehmen, wenn sie ihn selbst benötigen. Das geht aber nur, wenn die politischen Rahmenbedingungen in Richtung Direktvermarktung verändert werden und der Markt nicht qua Regulierung und Einspeisevergütung gestaltet wird.

Interview: Alexander Schaeff

Alsheimer, Constantin H.Dr. Constantin H. Alsheimer studierte Rechtswissenschaften und war unter anderem bei einer Investment-Bank und im öffentlichen Dienst tätig. Von 2002 bis 2006 war er Geschäftsführer der AVA Abfallverbrennungsanlage Nordweststadt. Seit 2006 ist er Mitglied des Vorstands der Mainova AG, seit 2009 Vorstandsvorsitzender. Nebenamtlich ist er Sprecher der Stadtwerke Frankfurt.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Unternehmen
evm-Vorstand Christopher Hesse (l) und Stefan Herschbach, Geschäftsführer der Stadtwerke Neuwied

Stadtwerke Neuwied/evm: Projektgesellschaft für Windkraft

[02.05.2025] Eine gemeinsame Gesellschaft der Stadtwerke Neuwied und der Energieversorgung Mittelrhein soll Windkraftanlagen planen, bauen und betreiben. Ein erstes Projekt mit 15 Anlagen im Raum Neuwied ist bereits in Planung. mehr...

Mainova: Investitionen auf Rekordniveau

[29.04.2025] Dank einmaliger Sondereffekte konnte Mainova den Gewinn im Geschäftsjahr 2024 deutlich steigern. Für das laufende Jahr kündigt das Unternehmen hohe Investitionen an - und dämpft die Erwartungen. mehr...

Uniper: Grünstrom für Stahlwerk

[25.04.2025] Uniper liefert fünf MW PV-Ökostrom an die Badischen Stahlwerke, die damit einen Weg hin zur klimaneutralen Stahlproduktion gehen wollen. mehr...

WAGO: Jahresbilanz 2024 erschienen

[23.04.2025] Trotz schwieriger Rahmenbedingungen zeigt sich WAGO in der Jahresbilanz 2024 wirtschaftlich stabil. Mit Rekordinvestitionen und einem Führungswechsel im Vertrieb setzt das Unternehmen klare Zeichen für weiteres Wachstum. mehr...

Stadtwerke Herne: Beteiligung an Tiefbauunternehmen

[23.04.2025] Die Stadtwerke Herne beteiligen sich jetzt mit 51 Prozent an Josef Koch Tief- und Straßenbau in Bochum. Damit bauen sie ihre Kapazitäten für den Netz-Ausbau weiter aus. mehr...

Bocholt/Rhede: Stadtwerke fusionieren

[16.04.2025] Bocholt und Rhede planen Stadtwerke-Fusion und folgen damit einem Beschluss der jeweiligen Aufsichtsräte. Damit soll die kommunale Versorgung gestärkt werden. Keine Änderungen soll es für Kunden geben. mehr...

Gütersloh: Rückkauf der Anteile an Stadtwerk

[14.04.2025] Die Stadt Gütersloh und die Stadtwerke Bielefeld haben sich auf zentrale Punkte für den Rückkauf der Anteile an den Stadtwerken Gütersloh verständigt. Ziel ist es, die 2002 veräußerten Gesellschaftsanteile noch in diesem Jahr zurückzuführen – vorbehaltlich der Zustimmung der politischen Gremien. mehr...

Stadtwerk am See: Vertrag mit Bürkle verlängert

[09.04.2025] Der Aufsichtsrat des Stadtwerks am See hat den Vertrag mit Geschäftsführer Alexander-Florian Bürkle ein Jahr vor Ablauf um fünf Jahre verlängert. Bürkle soll den erfolgreichen Kurs des Energieversorgers der Bodenseeregion fortsetzen. mehr...

Trianel: Fortschritte bei Nachhaltigkeitsberichterstattung

[08.04.2025] Eine aktuelle Trianel-Studie zeigt: Stadtwerke kommen bei der Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD zunehmend voran. mehr...

Stadtwerke Amberg: Übernahme von Tiefbauunternehmen

[08.04.2025] Die Stadtwerke Amberg haben zum April 2025 das traditionsreiche Tiefbauunternehmen Arbogast übernommen. Damit sichern sie 28 Arbeitsplätze, erweitern ihr Leistungsspektrum und stärken ihre Rolle in der regionalen Energiewende. mehr...

enercity: Solides Ergebnis

[04.04.2025] Das Energieunternehmen enercity ist mit dem Verlauf des Geschäftsjahres 2024 zufrieden. Der Umsatz lag bei 7,35 Milliarden Euro, das operative Ergebnis (EBIT) bei 389 Millionen Euro. Trotz eines Rückgangs gegenüber 2023 liegen die Zahlen über den Vorjahreswerten. mehr...

Stadtwerke Münster: Nachhaltigkeit im Fokus

[04.04.2025] Obwohl die EU die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung erst ab 2026 vorsieht, wollen die Stadtwerke Münster bereits in diesem Jahr einen Report über ihre ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Leistungen vorlegen. mehr...

BET Consulting: Hölscher als Partner gewonnen

[04.04.2025] Der Energieexperte Heinz-Werner Hölscher verstärkt als assoziierter Partner das Beratungshaus BET Consulting. Mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Branche soll er insbesondere die Bereiche Netze, Wärme und erneuerbare Energien voranbringen. mehr...

MVV: Clemens übernimmt

[02.04.2025] Gabriël Clemens übernimmt ab den 1. April 2025 den Vorstandsvorsitz der MVV Energie AG. mehr...

Stadtwerke Hürth: KI-gestützte Kundenkommunikation

[02.04.2025] Die Stadtwerke Hürth setzen als erster kommunaler Versorger in Deutschland auf eine vollständig KI-gestützte Kundenkommunikation per WhatsApp. Das System beantwortet Anfragen eigenständig und automatisiert, ohne dass Mitarbeiter eingreifen müssen. mehr...