Samstag, 16. August 2025

InterviewWeiterbildung als Renditebringer

[31.03.2025] Die kommunale Versorgungswirtschaft ist vom Fachkräftemangel stark betroffen. Warum Weiterbildungsmaßnahmen gerade in dieser Situation eine strategische Notwendigkeit sind, erklärt Christina Zenke, Leiterin der VKU Akademie, im Interview mit stadt+werk.

Christina Zenke

(Bildquelle: Verband kommunaler Unternehmen e.V.)

Frau Zenke, wie schätzen Sie die aktuelle Situation rund um den Fachkräftemangel in der kommunalen Versorgungswirtschaft ein und wie kann Weiterbildung bei der Bewältigung helfen?

Der Fachkräftemangel ist mittlerweile ein Arbeitskräftemangel und eine der größten Herausforderungen für die Kommunalwirtschaft. Viele Stadtwerke kämpfen damit, qualifizierte Fachkräfte zu finden und langfristig zu binden. Gezielte Weiterbildung spielt hier eine Schlüsselrolle. Sie hilft nicht nur dabei, die Mitarbeitenden auf neue technologische und regulatorische Anforderungen vorzubereiten, sondern macht aus den Stadtwerken auch attraktivere Arbeitgeber. Studien wie die von Bersin by Deloitte aus dem Jahr 2019 zeigen, dass betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen Renditen von 100 bis 300 Prozent bringen können. Jeder in gute Weiterbildung investierte Euro zahlt sich zwei- bis dreifach aus: durch höhere Produktivität, reduzierte Fehlerkosten und eine stärkere Bindung an das Unternehmen. Weiterbildung ist aus meiner Sicht eine strategische Notwendigkeit.

Können Sie konkrete Beispiele oder Erfolgsgeschichten aus der Praxis nennen?

Es sind nicht unbedingt die spektakulären Success Stories oder die Quick Wins, die langfristig Erfolg gewährleisten, sondern die Kontinuität und das Mindset, mit denen die Unternehmen auf dem aktuellen Wissenstand gehalten werden. Viele Stadtwerke haben das erkannt und nehmen seit Jahren unsere Angebote in Anspruch. Wir fragen nach jeder Veranstaltung alle Teilnehmenden nach Feedback, in dem die Relevanz und Aktualität der Themen, die praxisnahe Gestaltung und die Vernetzungsmöglichkeiten besonders hervorgehoben werden. Darüber hinaus haben bei uns – insbesondere auf Live-Veranstaltungen – schon zahlreiche erfolgreiche Geschäftspartnerschaften ihren Anfang genommen.

Welche Weiterbildungsangebote der VKU Akademie erfahren aktuell die stärkste Nachfrage und welche Themen halten Sie für besonders zukunftsrelevant?

Besonders relevant und nachgefragt sind alle Transformationsthemen – von der Finanzierung über den Netzausbau bis hin zu neuen Geschäftsfeldern. Üblicherweise stark und häufig akut gebucht werden Schulungen zu Rechtsthemen und Gesetzesnovellen. Hier wird mit den ersten Umsetzungen der neuen Bundesregierung die Nachfrage rasant ansteigen. Auch bei allgemeineren Trendthemen, wie dem Einsatz von KI, Recruiting oder Soft Skills, sind unsere Angebote mit speziellem Fokus auf die Bedürfnisse der Kommunalwirtschaft die erste Anlaufstelle für viele Stadtwerke.

„Weiterbildung ist eine Investition in die Zukunft – mit einer hohen Rendite.“

Wie unterstützt die VKU Akademie Stadtwerke konkret dabei, den technologischen Wandel zu meistern – etwa im Bereich Wasserstoff, Smart Grids oder digitale Plattformen?

Als Teil des Verbands kommunaler Unternehmen wissen wir, welche Themen die Branche beschäftigen und welche Fragen beantwortet werden müssen. Unser Programm ist speziell auf diese Bedürfnisse zugeschnitten und bietet obendrein einen Blick über den Tellerrand. Das VKU-Netzforum etwa ist der Branchentreffpunkt für kommunale Netzbetreiber, auf dem Lösungen für die Netztransformation, inklusive Smart Grids, aufgezeigt und verhandelt werden. Zum Thema Wasserstoff bieten wir, wie zu allen relevanten Themen und Technologien, konzise VKU-Web-Seminare an, die eine ortsunabhängige Weiterbildung ermöglichen. Mit kommunaldigital.de betreiben wir außerdem Deutschlands führende digitale Plattform für die Kommunalwirtschaft, die mittlerweile mehr als 15.000 Experten und Entscheider miteinander vernetzt.

Welche Rolle spielen Führungskräfte bei der erfolgreichen Umsetzung von Transformationsprozessen?

Führungskräfte sind die zentralen Transformationstreiber. Sie müssen nicht nur strategische Entscheidungen treffen, sondern auch ihre Teams durch komplexe Veränderungen führen. Sie sind in zweifacher Hinsicht Enabler der Weiterbildungsrendite, indem sie einerseits Verantwortung für die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden tragen und andererseits selbst über aktuelle Kompetenzen – etwa in den Bereichen Changemanagement, Führung oder Innovation – verfügen. Ein entscheidender Punkt ist, dass Führungskräfte lernen, wie sie Mitarbeitende motivieren und aktiv in den Wandel einbinden. Das schafft Vertrauen und Akzeptanz – beides unverzichtbar für den Erfolg von Transformationsprozessen. Sie sind es, die eine Weiterbildungskultur im Unternehmen etablieren.

Stichwort Mitarbeiterbindung: Inwiefern können gezielte Weiterbildungsmaßnahmen dazu beitragen, Talente langfristig an Stadtwerke zu binden?

Laut einer LinkedIn-Learning-Umfrage würden 94 Prozent länger bei einem Unternehmen bleiben, wenn dieses gezielt in ihre Weiterbildung investiert. Eine weitere Untersuchung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg zeigt, dass die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen die Mitarbeiterbindung um mehr als zehn Prozentpunkte steigert. Gerade jüngere Generationen erwarten Angebote zur Weiterentwicklung. Wer dies ignoriert, riskiert, Talente zu verlieren. Die Kosten für die Rekrutierung und Einarbeitung neuer Mitarbeitender sind oft weitaus höher als die Investition in Weiterbildung.

Gibt es Trends oder Veränderungen hinsichtlich der Anforderungen der Stadtwerke, auf die die VKU Akademie in den vergangenen Jahren reagiert hat?

Ja, eindeutig. Die Digitalisierung hat die Anforderungen an Kompetenzen stark verändert. Stadtwerke benötigen zunehmend Mitarbeitende, die nicht nur technisches Know-how besitzen, sondern auch in der Lage sind, komplexe digitale Systeme zu verstehen und zu steuern. Auch der Fokus auf Nachhaltigkeit und neue Energielösungen hat zu einer verstärkten Nachfrage nach Schulungen geführt. Wir haben unser Angebot entsprechend erweitert, um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Wie wichtig ist in Ihren Weiterbildungsprogrammen der Austausch zwischen den Stadtwerken?

Der Austausch ist enorm wichtig. Viele Herausforderungen, vor denen Stadtwerke stehen, sind ähnlich. Der Blick auf Best Practices anderer Unternehmen bietet Inspiration und konkrete Lösungsansätze. Unsere Programme schaffen explizit Raum für einen offenen Austausch – in Form von Seminaren, Workshops oder Netzwerktreffen. Dabei lernen die Teilnehmenden voneinander und können Synergien nutzen.

Welche Botschaft möchten Sie Stadtwerken mitgeben, die bislang wenig in die Weiterbildung investieren?

Weiterbildung ist kein Kostenfaktor, sondern eine Investition in die Zukunft – mit einer hohen Rendite. Unternehmen, die frühzeitig in ihre Mitarbeitenden investieren, sichern sich Wettbewerbsvorteile, steigern ihre Produktivität und binden Talente langfristig. Ein Investitionsstau ist demgegenüber schwierig aufzuholen. Mein Appell lautet deshalb: Handeln Sie proaktiv. Jeder Euro, den Sie heute in Weiterbildung investieren, wird sich mehrfach auszahlen.

Interview: Alexander Schaeff

Im Interview, Christina ZenkeChristina Zenke leitet seit über sechs Jahren gemeinsam mit Philipp Paingt die VKU Akademie. Die Weiterbildungsinstitution für die Kommunalwirtschaft bietet Infotage, Web-Seminare, Zertifizierungslehrgänge, Workshops und Konferenzen zu allen branchenrelevanten Themen an.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

Sachsen: Zweiter Umsetzungsbericht zur Wasserstoffstrategie

[15.08.2025] Sachsen treibt den Ausbau seiner Wasserstoffwirtschaft voran. Der zweite Umsetzungsbericht zur Wasserstoffstrategie zeigt Fortschritte bei Infrastruktur, Forschung und Kooperationen – und benennt zugleich bestehende Hürden. mehr...

Biogasrat/BDEW: Bilanz nach 100 Tagen

[14.08.2025] Nach 100 Tagen im Amt ziehen der Biogasrat und der BDEW jeweils eine gemischte Bilanz der schwarz-roten Bundesregierung. Während erste Schritte in der Energiepolitik begrüßt werden, mahnen sie mehr Tempo, klare gesetzliche Rahmenbedingungen und entschlossenes Handeln für Klimaschutz und Versorgungssicherheit an. mehr...

BSW-Solar: Kritik an Reiche

[13.08.2025] Der Bundesverband Solarwirtschaft warnt vor Plänen, die Förderung neuer privater Solaranlagen zu streichen. Ohne Unterstützung drohten Rückschläge für die Klimaziele und die Solarbranche. mehr...

Mecklenburg-Vorpommern: Stand bei der Energiewende

[13.08.2025] Mecklenburg-Vorpommern sieht sich als führend bei der Energiewende. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig will die Position mit Windkraft, Wasserstoff und moderner Infrastruktur weiter ausbauen. mehr...

BMWE: Energiepaket beschlossen

[12.08.2025] Die Bundesregierung hat ein umfassendes Energiepaket beschlossen, das Entlastungen für Verbraucher und Unternehmen, den Ausbau erneuerbarer Energien sowie mehr Verbraucherschutz bringen soll. mehr...

DVGW: Statement zu energiepolitischen Vorhaben

[08.08.2025] Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches begrüßt die energiepolitischen Vorhaben des Bundeskabinetts, kritisiert aber Schwächen bei Wasserstoffspeichern. mehr...

Haushaltsentwurf 2026: Wenig Geld für klimaneutrale Energien

[31.07.2025] Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für das Jahr 2026 sieht zwar Rekordausgaben vor, doch nach Ansicht des Branchenverbands BDEW bleiben die Investitionen in ein klimaneutrales Energiesystem zu gering. BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae mahnt, den Klimatransformationsfonds ausschließlich für Zukunftsinvestitionen zu nutzen. mehr...

Bundesregierung: NIS2-Richtlinie beschlossen

[31.07.2025] Das Kabinett hat den Gesetzentwurf zur Umsetzung der NIS2-Richtlinie beschlossen. Damit gelten künftig für deutlich mehr Unternehmen als bisher gesetzliche Pflichten zur Stärkung der Cybersicherheit, zudem erhält das BSI neue Befugnisse für Aufsicht und Unterstützung. mehr...

bericht

NIS2-Richtlinie: Pflichtaufgabe für Stadtwerke

[31.07.2025] Die nationale Umsetzung der NIS2-Richtlinie kommt – und betrifft auch kleinere Stadtwerke. Sie müssen rechtzeitig prüfen, ob sie betroffen sind. Ansonsten drohen Zeitdruck, hohe Kosten und sogar Bußgelder. mehr...

Biogasrat+: Kritik an Referentenentwurf

[22.07.2025] Der Biogasrat+ kritisiert den Referentenentwurf zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungsquote als klimapolitisch und wirtschaftlich unzureichend. Besonders die geplante Abschaffung der Doppelanrechnung fortschrittlicher Biokraftstoffe ab 2026 gefährde Investitionen und Erzeugungskapazitäten im Mittelstand. mehr...

Kommunen sollten bei der Wärmeplanung nicht mit Wasserstoff rechnen.

BDEW: Klare Finanzierung für Wasserstoffhochlauf

[14.07.2025] Das Bundeswirtschaftsministerium möchte den Ausbau von Wasserstoff schneller vorantreiben. Der Branchenverband BDEW begrüßt zwar den Gesetzentwurf, warnt aber zugleich vor Kürzungen der Mittel im Bundeshaushalt. Für Investitionen seien verlässliche Zusagen nötig. mehr...

Gesetzgebung: Beschleunigung für Wasserstoffprojekte

[14.07.2025] Der Entwurf des Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes liegt vor. Stellungnahmen dazu können bis zum 28. Juli 2025 eingereicht werden. mehr...

BWE: Bundestag verabschiedet Richtlinie

[14.07.2025] Der Bundestag hat am 10. Juli 2025 die vollständige nationale Umsetzung der EU‑Richtlinie RED III für die Windenergie an Land verabschiedet. Der Bundesverband WindEnergie (BWE) begrüßt die Schließung einer wichtigen Regelungslücke, kritisiert jedoch, dass das neue Gesetz hinter den europarechtlichen Möglichkeiten zur Genehmigungsbeschleunigung zurückbleibt. mehr...

Thüga: Studie warnt vor Kosten der Kraftwerksreserve

[11.07.2025] Ein staatlicher Eingriff in den Strommarkt könnte die Preise in die Höhe treiben. Eine neue Studie rechnet mit bis zu neun Prozent höheren Kosten und kritisiert die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung. mehr...

Prognos-Studie: Die Fernwärmeversorger müssen bis 2030 insgesamt 43

Kommunale Wärmeplanung: Verbände fordern klare Regeln

[10.07.2025] Große Städte in Deutschland müssen bis Mitte 2026 ihre Wärmeplanung abschließen. Das fordert das Gesetz. Doch für die Umsetzung braucht es laut Branchenverbänden mehr Geld, weniger Bürokratie und faire Regeln. Sonst bleiben die Pläne ohne Wirkung. mehr...