InterviewDie Politik muss schnell handeln

Kerstin Andreae
(Bildquelle: ThomasTrutschel / Photothek-BDEW)
Frau Andreae, der BDEW Kongress bietet Gelegenheit, einige Mitglieder der neuen Bundesregierung zu treffen. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten energiepolitischen Vorhaben der Koalition, die nun schnell umgesetzt werden müssen?
Die rasche Einigung der Koalitionspartner lässt auf Zielorientierung und pragmatische Lösungsansätze hoffen. Besonders dringend ist der Zubau von Gaskraftwerken. Deutschland braucht 20 bis 25 Gigawatt zusätzliche, steuerbare Leistung. Die Koalition muss zügig ein Kraftwerkssicherheitsgesetz auf den Weg bringen, damit Ausschreibungen starten können. Wichtig ist auch etwa die zügige nationale Umsetzung des Europäischen Gas- und Wasserstoffpakets.
Wie sollte die neue Bundesregierung konkret vorgehen, um in geopolitisch unsicheren Zeiten Versorgungssicherheit und zugleich Bezahlbarkeit zu gewährleisten?
Resilienz ist neben Nachhaltigkeit ein wichtiger Grund, die Energiewende zügig voranzutreiben. Beim Ausbau von erneuerbaren Energien, Netzen, Speichern und steuerbaren Gaskraftwerken gilt es, Kosten und Systemdienlichkeit noch stärker zu berücksichtigen – etwa durch die regelmäßige Überprüfung der Strombedarfsszenarien, die Anpassung der Netzausbauplanung, innovative Netzanschlusskonzepte oder die netzdienliche Ansiedlung von Stromgroßverbrauchern. Ein weiterer Hebel ist der Bürokratieabbau, der Kosten senken und die Umsetzungskraft der Branche stärken kann.
„Beim Thema Wasserstoff gilt: So viel wie möglich, so schnell und so günstig wie möglich.“
Wie beurteilen Sie die geplanten Maßnahmen zur Beschleunigung des Wasserstoffhochlaufs in Deutschland?
Wir unterstützen die Absicht von Union und SPD, sich als neue Regierung für den schnellen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft aus klimafreundlichen Quellen, pragmatische Regelungen und eine flächendeckende Erzeugung einzusetzen. Es gilt: So viel wie möglich, so schnell und so günstig wie möglich. Dazu sollte die Koalition eine Wasserstoffallianz auf EU-Ebene ins Leben rufen – wie von uns gemeinsam mit zwölf Industrie- und Energieverbänden gefordert. Ziel ist es, im europäischen Schulterschluss langfristige Planungssicherheit und klare Vorgaben zu erreichen, um notwendige Investitionen auszulösen.
Was muss die neue Bundesregierung tun, um den Ausbau von steuerbaren Gaskraftwerken und Elektrolyseuren tatsächlich zu beschleunigen?
Die Politik muss jetzt handeln: Wir brauchen die Kraftwerksstrategie, um Investitionssicherheit zu schaffen. Dies muss durch eine kluge Verzahnung der Ausschreibungen und einen Kapazitätsmarkt gewährleistet werden. Wir setzen uns für einen Integrierten Kapazitätsmarkt (IKM) ein, weil hier die Festlegung des Absicherungsniveaus der Versorgungssicherheit beim Staat liegt und alle Technologien einbezogen werden. Der Staat setzt den Rahmen, die Unternehmen investieren in die erforderlichen Kapazitäten, Speicher, Flexibilitäten und Demand-Side-Management. Zentrales Element des IKM sind wettbewerbliche Ausschreibungen, die stabile Investitionsbedingungen schaffen. Die Notwendigkeit eines Zertifikatehandels für gesicherte Leistung entfällt. Das spart Zeit, Geld und senkt die Komplexität.
Der Netzausbau gilt als Schlüssel zur Energiewende. Welche regulatorischen oder finanziellen Rahmenbedingungen müssen verändert werden?
Für den Ausbau von Strom-, Wärme-, Gas- und Wasserstoffnetzen brauchen wir stabile Rahmenbedingungen. Zentral ist aber auch ein verbesserter Finanzierungsrahmen. Die regulatorische Verzinsung des eingesetzten Kapitals muss international wettbewerbsfähig sein. Zudem läuft derzeit ein umfangreicher Prozess der Bundesnetzagentur zur Neuaufstellung der Anreizregulierung. Hier müssen die richtigen Weichen gestellt werden. Ziel muss eine faire und international wettbewerbsfähige Anreizregulierung sein, die robust ist und den Fokus auf die Leistungs- und Investitionsfähigkeit der Netzbetreiber legt.
Die geplante Staatsbeteiligung im Energiesektor sehen Sie kritisch. Welche Risiken oder Herausforderungen verbinden Sie mit einer stärkeren Rolle des Staates in diesem Bereich?
In der deutschen Energiewirtschaft sind sowohl private als auch kommunale Investoren aktiv. Dies hat zu einem wettbewerbsstarken Energiemarkt mit hoher Versorgungssicherheit geführt, von dem Verbraucher und Gesellschaft profitieren. Der Staat sollte dieses System grundsätzlich beibehalten. Staatsbeteiligungen sollten auf notwendige Ausnahmefälle reduziert bleiben. Richtig ist, dass zur Finanzierung der Energiewende Milliardeninvestitionen notwendig sind. Hier wird privates Kapital benötigt.
„Wir brauchen die Kraftwerksstrategie, um Investitionssicherheit zu schaffen.“
Worauf ist dabei zu achten?
Die Rahmenbedingungen müssen so gestaltet sein, dass private Kapitalgeber in die Energiewende investieren. Für die Energienetze bedeutet dies, dass die Bundesnetzagentur die regulatorischen Rahmenbedingungen so setzt, dass eine international wettbewerbsfähige Verzinsung erreicht wird. Aktuell liegt Deutschland auf einem der letzten Plätze in Europa. Eine Staatsbeteiligung würde an dem Erfordernis einer wettbewerbsfähigen Verzinsung nichts ändern und die Finanzierungssituation nicht verbessern.
Wie bewerten Sie die Vorschläge zur Nutzung von Reservekraftwerken zur Preisdämpfung?
Wir sehen das kritisch. Staatliche Eingriffe müssen mit dem europäischen Wettbewerbs- und Energierecht vereinbar sein. So setzt die EU etwa enge Grenzen für Reservekraftwerke – beihilferechtlich und beim Verbot der Vergütung sowie mit strengen CO2-Auflagen, die bisher nur in langwierigen Verhandlungen gelöst werden konnten. Unsere Analysen für 2024 zeigen, dass sehr hohe Preise am Spotmarkt ein seltenes Phänomen im deutschen Strommarkt sind: 2024 lag in lediglich 15 von insgesamt 8.784 Stunden der Preis über 500 Euro pro Megawattstunde (MWh). Am häufigsten, in 4.442 Stunden, bewegte er sich zwischen 50 bis 100 Euro pro MWh. In fünf Prozent der Stunden war der Preis negativ. Der Strommarkt funktioniert also, die Krisenjahre 2022/2023 ausgenommen.
Deutschland möchte Innovationsstandort bleiben. Welche Rolle spielt dabei Ihrer Meinung nach die Digitalisierung von Infrastruktur und Energienetzen – und was fehlt hier bislang auf der politischen Agenda?
Die digitale Transformation ist essenziell für eine tragfähige Energiewende: Die Vernetzung und intelligente Steuerung von Erzeugungsanlagen, Elektrofahrzeugen, Speichern oder Industrie 4.0 setzt Maßstäbe. Daher ist erfreulich, dass die Koalitionspartner viele unserer Forderungen aufgreifen: Digitalisierung der Netze verbessern, Smart Meter Roll-out beschleunigen, vollständige Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren oder Reallabore für die Erprobung Künstlicher Intelligenz. Es fehlt jedoch noch die konkrete Ausgestaltung – darauf kommt es jetzt an.
Sie fordern einen Abbau bürokratischer Hürden. Wo sehen Sie aktuell den größten Handlungsbedarf, damit die Branche ihre Umsetzungskraft voll entfalten kann?
Die Energie- und Wasserwirtschaft ist überproportional von Berichts- und Meldepflichten betroffen. Sie binden nicht nur Zeit und Geld in Unternehmen, sondern nehmen ihnen mit kleinteiligsten Regelungen den nötigen Gestaltungsspielraum für die Energiewende. Ein eigenes Bürokratieentlastungsgesetz für die Energie- und Wasserwirtschaft würde Verfahren beschleunigen und Investitionen schneller wirken lassen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hat bereits zahlreiche Vorschläge zur Vereinfachung gemacht. Nun braucht es Umsetzung.
Energiepolitik: Länder warnen vor Ausbremsen der Energiewende
[02.12.2025] Sieben Bundesländer fordern vom Bund mehr Klarheit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik. Ein gemeinsames Positionspapier warnt vor Einschnitten bei Förderprogrammen und beim Ausbau der Erneuerbaren. mehr...
Bundesnetzagentur: Monitoringbericht 2025 erschienen
[01.12.2025] Der Monitoringbericht 2025 von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur sieht den Wettbewerb auf den Energiemärkten weiterhin als verlässlichen Stabilitätsanker. Trotz der Turbulenzen der vergangenen Jahre zeigen die Daten für 2024 eine hohe Wechselbereitschaft, fallende Preise und eine Stromerzeugung, die sich deutlich in Richtung erneuerbarer Energien verschiebt. mehr...
Biogasrat: Kritik an Referentenentwurf
[01.12.2025] Der Biogasrat kritisiert den Referentenentwurf zum Gas- und Wasserstoff-Binnenmarktpaket als unzureichend und warnt vor Rückschritten bei Klimaschutz und Versorgungssicherheit. Der Verband fordert verlässliche Regeln für den Netzanschluss von Biomethananlagen, den Erhalt bestehender Privilegien und klare Vorgaben zur Investitionssicherheit. mehr...
Deutscher Bundestag: Anhörung zu Wasserstoffgesetz
[26.11.2025] Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschleunigung des Wasserstoffhochlaufs hat der Ausschuss für Wirtschaft und Energie jetzt eine öffentliche Anhörung durchgeführt. Dabei zeigte sich ein breiter Wunsch nach mehr Tempo und einem deutlich erweiterten Anwendungsbereich des geplanten Gesetzes. mehr...
Lausitz: EU genehmigt Entschädigung für Kohleausstieg
[24.11.2025] Die EU-Kommission hat die Entschädigungsregelung für den Braunkohleausstieg der LEAG genehmigt und damit Milliardenhilfen für die Lausitz freigegeben. Für Brandenburg und Sachsen bedeutet das Planungssicherheit beim Strukturwandel und bei der Rekultivierung der Tagebaue. mehr...
Stiftung Umweltenergierecht: Landesregeln zur Beteiligung sind widersprüchlich
[21.11.2025] Eine neue Untersuchung zeigt, dass die Landesregeln zur finanziellen Beteiligung an erneuerbaren Energien teils widersprüchlich wirken und den Ausbau bremsen können. Laut der Stiftung Umweltenergierecht schafft die Vielfalt der Vorgaben Unsicherheit und in manchen Fällen sogar rechtliche Risiken. mehr...
Umweltministerkonferenz: Willingmann wirbt für stärkere Nutzung von Flusswärme
[21.11.2025] Sachsen-Anhalts Umweltminister Armin Willingmann hat bei der Umweltministerkonferenz für die stärkere Nutzung von Flüssen als klimafreundliche Wärmequelle geworben. Auslöser ist ein Projekt in Tangermünde, das der Elbe Wärme entziehen und ganze Stadtquartiere versorgen soll. mehr...
Berlin: Fünftes Solarpaket vereinbart
[20.11.2025] Reinickendorf und die Berliner Stadtwerke bringen das fünfte gemeinsame Solarpaket auf den Weg und erweitern die Photovoltaikleistung auf öffentlichen Dächern. Bis Mitte 2026 sollen zehn neue Anlagen mit zusammen 827 Kilowatt ans Netz gehen. mehr...
BSW-Solar: Verband begrüßt Bauänderung
[18.11.2025] Der Bundestag erleichtert den Bau von Strom-, Wärme- und Wasserstoffspeichern: Eine Änderung des Baurechts und neue Regeln zur Netzentgeltbefreiung sollen Projekte beschleunigen und wirtschaftlicher machen. Der Bundesverband Solarwirtschaft begrüßt die Beschlüsse und sieht darin einen Schub für den Speicherausbau. mehr...
BDEW/VKU: Wichtiger Schritt für die Energiewende
[17.11.2025] Die schwarz-rote Koalition hat sich auf neue Regeln für den Bau steuerbarer Kraftwerke sowie auf einen Deutschlandfonds zur Finanzierung der Energie-Infrastruktur geeinigt. Die Branchenverbände BDEW und VKU bewerten dies als Schritt in die richtige Richtung. Kritik gibt es jedoch dafür, dass die Kraft-Wärme-Kopplung im Beschluss der Koalition keine Rolle spielt. mehr...
Baden-Württemberg: Klima-Kooperation mit Kalifornien
[17.11.2025] Baden-Württemberg und Kalifornien wollen ihre Kooperation zu Klima, Energie und Umwelt weiter ausbauen. Auf der Weltklimakonferenz in Belém unterzeichneten beide Regierungen eine neue gemeinsame Erklärung. mehr...
Energiepolitik: Einigung im Koalitionsausschuss
[14.11.2025] Die schwarz-rote Koalition hat sich auf eine Kraftwerksstrategie und ein umfassendes Strompreispaket geeinigt, das Wirtschaft und Verbraucher spürbar entlasten soll. Mit Ausschreibungen für zwölf Gigawatt neuer Kraftwerkskapazitäten will die Regierung zudem Versorgungssicherheit gewährleisten und den Industriestandort stärken. mehr...
Wärme-Gesetz: SWM fordern Nachbesserungen
[06.11.2025] In einer Anhörung des Bundestags haben die Stadtwerke München die Pläne der Bundesregierung zum schnelleren Ausbau klimaneutraler Wärmequellen begrüßt. SWM-Managerin Karin Thelen betrachtet den Gesetzentwurf zwar als wichtigen Schritt, fordert jedoch verbindliche Fristen, klare Zuständigkeiten und einfachere Verfahren. mehr...
BDEW: Kein überhöhtes Preisniveau bei Fernwärme
[06.11.2025] Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft begrüßt die Einschätzung der Monopolkommission zum Wettbewerb im Energiesektor, sieht aber bei der Bewertung der Fernwärme Nachbesserungsbedarf. Auch zur Elektromobilität äußert sich der Verband zustimmend – mit Einschränkungen. mehr...
Thüga: Klare Regeln beim Gas-Gesetz gefordert
[06.11.2025] Thüga fordert beim geplanten Gas-Gesetz klare Regeln für den Umbau der Verteilnetze hin zu Wasserstoff und Biomethan. Vorstandschef Constantin H. Alsheimer warnt vor überzogenen Vorgaben und ungelöster Finanzierung. mehr...













