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Bundesverband GeothermieSieben Horizonte

[09.02.2017] Geothermie hat ein enormes Potenzial für die Energieerzeugung. stadt+werk sprach mit Erwin Knapek über den Beitrag der oberflächennahen und Tiefen Geothermie zur Energiewende. Der Präsident des Bundesverbands Geothermie stellt auch Forderungen an die Politik.
Dr. Erwin Knapek: Die Mehrheit der Bürger steht der Geothermie positiv gegenüber.

Dr. Erwin Knapek: Die Mehrheit der Bürger steht der Geothermie positiv gegenüber.

(Bildquelle: Bundesverband Geothermie)

Herr Dr. Knapek, Sie kritisieren, dass im Klimaschutzplan 2050 die Geothermie zu wenig Beachtung findet. Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Erdwärme für den Klimaschutz?

Heute stellt Geothermie bereits rechnerisch Wärme für über 700.000 Zweipersonen-Haushalte zur Verfügung. Sie heizt und kühlt Eigenheime oder Bürogebäude wie das Bundesinnenministerium und speist in Fernwärmenetze ein. Sie sorgt für einen klimaneutralen Betrieb in Unternehmen wie Develey in Unterhaching oder der Hauptverwaltung der Volksbank Karlsruhe und Dax-Konzernen in der Region München. Jährlich liefern oberflächennahe und Tiefe Geothermie rund 11,4 Milliarden Kilowattstunden Wärme, das entspricht 1,1 Milliarden Litern Heizöl. Dadurch müssen jährlich 44.100 Tankwagen weniger durch deutsche Ortschaften fahren. Insgesamt sparen geothermische Anlagen mehr als 1,2 Millionen Tonnen CO2 ein.

Welche Forderungen stellen Sie an die Politik?

Am wichtigsten ist, dass die Wärmewende endlich in Bewegung kommt. Die Änderungen des Marktanreizprogramms und die Verschärfung der Energieeinsparverordnung haben den Markt im vergangenen Jahr wiederbelebt. Aber es gibt noch viel zu tun, um eine Ausbaugeschwindigkeit zu erzielen, mit der die Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz und die Ziele der Bundesregierung erreicht werden können. Bei der oberflächennahen Geothermie geht es um einen fairen Wettbewerb. Der Anteil der Steuern und Abgaben am Endkundenpreis für Strom beträgt mehr als 50 Prozent. Bei Öl und Gas liegt er bei nur 20 bis 30 Prozent. Damit wird der Wettbewerb verzerrt. Dieses Ungleichgewicht sollte durch eine klimafreundliche Steuerreform abgebaut werden. Bei der Tiefen Geothermie müssen die Förderinstrumente für Fernwärmenetze neu gestaltet und ein Mindestanteil von erneuerbarer Wärme in Fernwärmenetzen eingeführt werden. Bei der Förderung der Bereitstellung von tiefengeothermischem Strom durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz sollten sich die Degressionsstufen zukünftig an der installierten Leistung orientieren.

Welche Potenziale hat die Geothermie bei der Umsetzung der Energiewende?

Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag hat im Jahr 2003 errechnet, dass das technische Gesamtpotenzial zur geothermischen Stromerzeugung bei etwa 300.000 Terawattstunden liegt. Das entspricht dem 600-fachen des deutschen Jahresstrombedarfs. Das zusätzliche Potenzial an Wärme liegt beim 1,5- bis 2,5-fachen des Strompotenzials. Das Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen veranschlagt in einer umfangreichen Potenzialstudie, dass die oberflächennahe Geothermie allein für die Hälfte des Wärmebedarfs im Bundesland sorgen kann. Dieses Potenzial kommt nicht von ungefähr. Zur Erdwärmenutzung stehen an einem Ort gleich mehrere Erdschichten zur Verfügung. Das Leibniz-Institut für Angewandte Geophysik schätzt, dass an manchen Orten bis zu sieben verschiedene Horizonte tiefengeothermisch genutzt werden können. Zusätzlich können im gleichen Gebiet oberflächennah Erdsonden oder -kollektoren installiert werden.

„Am wichtigsten ist, dass die Wärmewende in Bewegung kommt.”
Geothermiekraftwerke und -heizwerke gibt es in Deutschland nur sehr wenige. Woran liegt das?

Die tiefengeothermische Stromerzeugung blickt in Deutschland auf eine kurze Geschichte zurück. Das erste Geothermiekraftwerk ging Ende 2007 in Landau ans Netz. Heute haben wir neun Anlagen mit 42 Megawatt elektrischer Leistung, zwei weitere sind im Bau. Heizwerke gibt es schon seit über 30 Jahren. Das erste wurde 1984 in Waren in der damaligen DDR in Betrieb genommen. In der Zwischenzeit findet der Ausbau hauptsächlich in und um München statt. Insgesamt sind nun 30 Heizwerke mit rund 350 Megawatt installiert.

Nicht jede Stadt sitzt auf heißen Quellen und nicht jede Bohrung ist erfolgreich. Wie kann die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass auch heißes Wasser gefunden wird?

Vor der Hacke ist es duster – diese alte Bergmannsweisheit ist nur bedingt wahr. Seismische Messungen haben in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Mit ihnen können noch vor den Bohrarbeiten Untergrundmodelle erstellt werden. Dennoch wissen wir aktuell viel mehr über das Weltall als darüber, was ein paar hundert Meter unter unseren Füßen ist. Abhilfe könnte ein koordiniertes Erkundungsprogramm mit flächendeckenden seismischen Messungen und Bohrungen schaffen. Nötig dafür wäre eine Anschubfinanzierung zum Aufbau eines Fonds. Bei erfolgreichen Bohrungen zahlen die Projektbetreiber den Zuschuss über ihre Erträge in den Folgejahren zurück. Nichtfündige Bohrungen müssten zukünftig für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung gestellt werden. In Südbayern waren übrigens von 43 Bohrungen 41 fündig.

Die Tiefe Geothermie ist bei der Bevölkerung umstritten. Welche Risiken bergen die Bohrungen tatsächlich?

Es ist richtig, dass es Bürgerinitiativen gegen Geothermieprojekte gibt. Diese machen sich lautstark bemerkbar. Doch Lautstärke ist nicht mit Repräsentation gleichzusetzen. Aus meiner persönlichen Erfahrung im Großraum München weiß ich, dass die weit überwiegende Mehrheit der Bürger Geothermie sehr positiv bewertet. Erst kürzlich wurden die Stadtwerke München aus der Bürgermitte aufgefordert, den Ausbau von Geothermieheizwerken zu beschleunigen, um Kohleheizwerke schneller abschalten zu können. Auch im Norddeutschen Becken ist die Stimmung der Geothermie gegenüber sehr positiv. Nur im Oberrheingraben ist die Akzeptanz nicht so ausgeprägt. Generell sollten Projektentwickler auf konsequente Bürgerinformation setzen. Denn oft sind die Bedenken der Bürger auf fehlendes Wissen zurückzuführen. Das scheint übrigens auf der französischen Seite des Rheins anders zu sein. Hier werden derzeit Geothermieprojekte trotz des Protestes deutscher Bürgerinitiativen erfolgreich umgesetzt.

Die Oberflächen-Geothermie gilt als Baustein der Wärmewende. Wie sinnvoll sind Erdwärme-Heizungen für Hausbesitzer?

Die oberflächennahe Geothermie bietet die Freiheit von fossilen Brennstoffen und von schwankenden Preisen. Die Erdwärmesonden und -kollektoren sind sehr langlebig; man geht aktuell von einer Lebensdauer von 60 Jahren und mehr aus. Außerdem ist eine Erdwärmeanlage sehr platzsparend, da ein Großteil der Anlage unter der Einfahrt oder dem Erdboden im Garten eingebracht werden kann. Außerdem kann mit einer Geothermieanlage im Sommer kostengünstig gekühlt werden. Derzeit ist die Gelegenheit für den Umstieg sehr günstig. Der Staat fördert eine Erdwärmeheizung über das Marktanreizprogramm mit mindestens 4.000 Euro. Für Erdsonden und besonders effiziente Anlagen gibt es noch mehr. Wurde zuvor eine ineffiziente Öl- oder Gasheizung außer Betrieb genommen, stellt das Anreizprogramm Energieeffizienz nochmals 20 Prozent mehr zur Verfügung.

Wie können Stadtwerke aus Ihrer Sicht Geothermie in ihre Erzeugungsstrategie einbinden?

Tiefengeothermische Anlagen stellen umweltfreundliche Fernwärme bereit oder speisen Ökostrom ins Netz ein. Oberflächennahe Geothermieanlagen können kommunale Gebäude oder ganze Stadtquartiere beheizen. Sie bieten Möglichkeiten zum Contracting, beispielsweise wenn ein größeres Sondenfeld angelegt wird und die Wärme über Nahwärmenetze in mehreren Gebäuden durch Wärmepumpen genutzt werden kann.

Interview: Alexander Schaeff

Dr. Knapek, ErwinDr. Erwin Knapek ist Präsident des Bundesverbands Geothermie. Der promovierte Physiker initiierte in seiner Amtszeit als 1. Bürgermeister von Unterhaching das örtliche Geothermieheizkraftwerk, welches 2007 in Betrieb ging. Knapek ist Mitglied des Gemeinderats in Oberhaching und Kreistagsabgeordneter in München-Land.



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