[22.11.2013] Erneuerbare-Energien-Anlagen erfordern höhere Investitionen pro Kilowattstunde, als dies bei fossilen Kraftwerken der Fall ist. Die Energiewende stellt so neue Ansprüche an die Finanzierungskapazität der Stadtwerke. Für die Kommunen resultiert daraus ein Zielkonflikt.
Deutschland hat sich mit der Energiewende für einen grundlegenden Systemwechsel entschieden. Die Elektrizitätsversorgung unseres Landes wird künftig hocheffizient, dezentral und überwiegend regenerativ sein. Im Jahr 2050 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Auf dem Weg zu diesem Ziel sind wir schon ein gutes Stück vorangekommen. 2012 betrug der Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien am Gesamtverbrauch bereits 23 Prozent. Für 2020 lautet das Etappenziel 35 Prozent.
Die Energiewende ist auf den ersten Blick vor allem eine Technikwende. Bei näherem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass sie auch eine Kapitalwende darstellt. Das gilt für die Energiewirtschaft generell – vor allem aber für die Stadtwerke. Die kommunalen Energieversorger und deren Gesellschafter, die Städte und Gemeinden, müssen sich auf neue Herausforderungen einstellen. Die Energiewende erzeugt einen enormen Finanzbedarf. Um die Ausbauziele für 2020 zu erreichen, müssen in den nächsten Jahren rund 200 Milliarden Euro in erneuerbare Energien investiert werden. Die technische Infrastruktur der deutschen Stromwirtschaft wird sich im Zuge der Energiewende bis 2020 wertmäßig in etwa verdoppeln. Zugleich erhöhen sich damit erst einmal die Kosten für das Gesamtsystem. Um die erforderlichen Investitionen zu stemmen, wird die Energiewirtschaft in hohem Maße auf Fremdkapital zurückgreifen müssen.
Für die Energiewirtschaft ist ein hoher Fremdkapitaleinsatz nichts Ungewöhnliches. Das stabile Geschäftsmodell der Vergangenheit hat es möglich gemacht, mit einem vergleichsweise hohen Fremdfinanzierungsanteil Investitionen zu schultern, die sich langfristig amortisieren. Branchenvergleiche zeigen, dass die Versorgungswirtschaft relativ hoch verschuldet ist. Die Nettofinanzschulden der deutschen Energieunternehmen betragen derzeit das drei- bis sechsfache des jährlichen Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA).
Wertschöpfung leidet
Der gegenwärtige ordnungspolitische Rahmen sorgt nun dafür, dass die Stromerzeuger mit ihren konventionellen Kraftwerken in vielen Fällen nicht mehr ihre Kosten decken können. Da überdies auch die Wertschöpfungsstufen Netze und Vertrieb unter zunehmendem Ergebnisdruck stehen, wird für die Energieversorger – darunter viele Stadtwerke – die Ertragslage zunehmend schwieriger und ein hoher Verschuldungsgrad zum Problem. Doch nicht nur ergebnisseitig, sondern auch finanzierungsseitig geraten die kommunalen Stromerzeuger durch die Energiewende unter Druck. Zwar verspricht ein Engagement im Bereich der erneuerbaren Energien aufgrund der Vergütungssätze des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ein einträgliches Geschäft. Doch ist mit einem solchen Engagement eine veränderte Kostenstruktur für die Stromerzeugung verbunden. Während sich die Brennstoffkosten reduzieren, erhöhen sich die Kapitalkosten deutlich. Der Grund: Im Gegensatz zu einem Kohlekraftwerk fallen für Windkraft- und Photovoltaikanlagen zwar keine Kosten für Betriebsstoffe an. Allerdings erfordern Windkraft- und Photovoltaikanlagen viel höhere Investitionen pro Kilowattstunde, als dies bei fossilen Kraftwerken der Fall ist.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage der Finanzierungskapazität der Stadtwerke und auch die ihrer Gesellschafter, der Städte und Gemeinden, verstärkt an Bedeutung. Dies gilt umso mehr, als die Kreditvergabepraxis der Banken gegenüber Kommunen und deren Unternehmen zunehmend restriktiver wird. Dafür sorgen Regulierungsvorschriften wie Basel III oder die Großkreditgrenze des Kreditwesengesetzes, aber auch eine grundsätzliche Neubewertung der Risiken einer Kreditvergabe an die öffentliche Hand durch die Banken im Zuge der Euro-Krise.
Eigene Antwort finden
Für den Konzern Kommune ergibt sich aus dieser Gemengelage letztlich ein Zielkonflikt. Einerseits können die meisten Kämmerer kaum darauf verzichten, dass ihre kommunalen Energieunternehmen mit der jährlichen Abführung ihrer Ergebnisse einen wichtigen Beitrag zum kommunalen Gesamthaushalt leisten. Andererseits verlangt der politische und unternehmerische Wille, sich im Bereich der erneuerbaren Energien zu betätigen, dass die Stadtwerke für eine vermehrte Eigenkapitalfinanzierung Rücklagen bilden. Dieser Zielkonflikt lässt sich nicht einfach auflösen. Er existiert und jede Kommune muss ihre eigene Antwort darauf finden. Wichtig ist, dass sich Kommunalpolitik und Stadtwerke dieses Umstands bewusst sind und frühzeitig eine gemeinsame, langfristige Strategie auf der Basis eines möglichst breiten politischen Konsens festlegen.
Dr. Constantin H. Alsheimer ist seit 2006 Mitglied des Vorstands der Mainova AG, seit 2009 ist er Vorstandsvorsitzender.
http://www.mainova.deDieser Beitrag ist in der November-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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