WärmeversorgungNiedrige Temperaturen entscheidend

Diese Solarthermieanlage in Berlin dient der Anhebung der Rücklauftemperatur einer Fernwärmetrasse.
(Bildquelle: Frank Urbansky)
Für die Fernwärme gibt es einige Alternativen zu Gas und Kohle, aus der sie bisher erzeugt wird. Im Hochtemperaturbereich ist das vor allem Biomasse, aber auch Industrieabwärme, im Niedertemperaturbereich kommen großflächige Solarthermie und andere, schwächere Abwärmequellen zum Einsatz, etwa aus der Kanalisation.
Wärmequellen im Hochtemperaturbereich werden jedoch kaum eine Zukunft haben. Der Förderstopp des Bundeswirtschaftsministeriums für den KfW-55-Standard, so umstritten er auch war, zeigt, wohin die Reise geht. Zwar wird damit zunächst auch der KfW-40-Standard nicht gefördert, er wird aber in vier Jahren in Form des neuen Effizienzhaus-40-Standards Pflicht für den Neubau werden. Dafür werden etwa 50 bis 60 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr und Quadratmeter an Wärmeenergie verbraucht. Fernwärme mit hohen Temperaturen kann in solchen Häusern nicht effizient arbeiten. Die abgenommenen Wärmemengen wären zu gering, die Rücklauftemperaturen und damit weitere Netzverluste zu hoch. Hier reichen Wärmequellen mit Vorläufen von 35 oder 50 Grad Celsius aus, wie sie Niedertemperatur-Wärmenetze, etwa für Quartierslösungen, bieten. Diese lassen sich auch leichter ergrünen. Entweder nutzen sie direkt die Umgebungswärme des Erdreichs, etwa bei kalten Nahwärmenetzen oder bei Erdsondensystemen, oder Wärmequellen, die vor Ort etwa als Biogas für ein Blockheizkraftwerk (BHKW) zur Verfügung stehen.
Zukunft des Heizens ist elektrisch
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die Zukunft des Heizens elektrisch sein und durch Wärmepumpen garantiert wird. Zu diesem Schluss kommt ein aktuelles Gutachten der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Das Projekt „Weiterentwicklung, modellhafte Anwendung und Verbreitung der Energieanalyse aus dem Verbrauch (EAV) für die Wohnungswirtschaft“ empfiehlt die Umstellung der Wärmeerzeugung primär auf Wärmepumpen, den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung mit Photovoltaik und Windkraft und die energetische Modernisierung von Gebäuden im üblichen Sanierungszyklus.
Grundlage dieser drastischen Einschätzung ist der niedrigste äquivalente CO2-Preis, also Investitionskosten oder jährliche Kapitalkosten je eingesparter Tonne CO2. Das bisherige Förderprogramm der KfW wurde vom Bundeswirtschaftsminister auch im Hinblick auf eine Umstellung einer neuen Förderung genau nach diesen Kriterien gestoppt.
Solarthermie und Fernwärme werden als wenig dienlich für die Erfüllung dieser Kriterien angesehen. Solarthermie auf dem Dach, in der großen Variante auch eine Option für grüne Fernwärme, steht in Flächenkonkurrenz insbesondere zu gebäudenah erzeugter Photovoltaik. Fernwärme passt aufgrund der hohen Temperaturniveaus nicht in diese Energiewelt mit hochgedämmten und deswegen energetisch hocheffizienten Häusern. Allenfalls Niedertemperaturnetze auf Quartiersebene könnten noch Akzeptanz finden. Dazu gehören etwa Erdreichflächen in Form von Flächenkollektoren oder Erdsonden als Anergiequellen, aber auch Windkraftanlagen und PV-Flächen als Exergie-Lieferant für die elektrische Energie zum Antrieb von Wärmepumpen und Pumpen für den Netztransport. Im Gutachten wird deswegen gefordert, konventionelle Nah- und Fernwärmesysteme auch in dicht besiedelten Gebieten nicht weiter auszubauen.
Ein weiter Weg
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Selbst die Ziele der Bundesregierung für 2030 lassen kaum Zeit. Und schon gar nicht, wenn 2025 nur noch neue Heizungen mit 65 Prozent erneuerbarer Energie zugelassen werden. Hier werden die Kunden von Fernwärme – Wohn- und Immobilienunternehmen – darauf drängen, dass die Netze grün werden. Dafür stehen einige Technologien zur Verfügung. Für den Hochtemperaturbereich, wie die in den klassischen Wärmenetzen vorherrschenden Vorlauftemperaturen von 105 Grad Celsius, eignet sich Biomasse, auch wenn ihr Einsatz vor Ort wegen der Feinstaub- und Stickoxidbelastung umstritten ist. Helfen können hier Kessel mit hohen Verbrennungstemperaturen und Filter. Biomasse kann in fester Form oder durch Biogas in Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zum Einsatz kommen. In Form von Hackschnitzeln, Stück- oder Restholz ist sie deutlich günstiger als Kohle oder Gas. Da der Primärenergiefaktor bei 0,0 bei KWK und 0,1 bei direkter Nutzung liegt, kann diese Art von erzeugter Wärme auch die geplanten rechtlichen Vorgaben komplett abdecken.
Auch Holzvergaser sind denkbar. Sie wandeln bei 800 Grad Celsius Brennholz in ein Synthesegas um. Die Anlagen bestehen aus einem Reaktor mit zwei getrennten Modulen. In einem Reaktorhaus erfolgt die Pyrolyse zum so genannten Holzgas. Das wiederum kann entweder zum Betrieb von Heizkesseln mit einem Wirkungsgrad von gut 90 Prozent dienen oder aber zum Betrieb von Motoren, etwa in BHKW. Gerade letztere wären für die Industrie und die Energiewirtschaft interessant. Am Markt sind sie in Leistungsgrößen von 50 Kilowatt (kW) und vier Megawatt (MW) thermisch sowie fünf kW bis zwei MW elektrisch verfügbar. Üblicher ist der Einsatz in den hohen Leistungsbereichen. Als Brennstoff werden häufig Holzhackschnitzel genutzt. Eingesetzt werden klassische Schwachgasmotoren, die auch in Biogas-BHKW zum Einsatz kommen.
Solarthermie als unterstützende Wärmequelle
Eine zweite, wenn auch nur unterstützende Wärmequelle, ist die Solarthermie. Sie kann zumindest ortsnah in Netze eingespeist werden oder aber zum Anheben der Rücklauftemperatur direkt in den Fernwärmezentralen dienen. Ein solches Projekt hat Vattenfall in Berlin realisiert. Das Kollektorfeld mit einer Größe von 1.058 Quadratmetern steht direkt neben dem Heizkraftwerk. Es kann 440 Megawattstunden (MWh) im Jahr erzeugen. Der Betrieb startete 2018 und soll 25 Jahre laufen. Allerdings ist Deutschland kein Solarthermieland. 2021 wurde nur eine einzige Großanlage gebaut, und zwar die Kollektoranlage der Stadtwerke Mühlhausen mit 5.691 Quadratmetern Bruttokollektorfläche. Im Vorjahr wurden nach Angaben des Steinbeis Forschungsinstituts Solites von Fernwärmeversorgern noch mehr als 31.000 Quadratmeter in Betrieb genommen. Derzeit stünden mehrere große Anlagen mit etwa 38.000 Quadratmetern kurz vor der Fertigstellung. Aktuell speisen 45 solarthermische Großanlagen mit einer Bruttokollektorfläche von 112.325 Quadratmetern und 79 MW Leistung in deutschen Wärmenetze ein.
Geothermie und Abwärme
Eine weitere Quelle ist tiefe Geothermie, auch wenn deren Potenziale hierzulande vor allem auf Süddeutschland und die Norddeutsche Tiefebene beschränkt sind. Derzeit trägt diese Art der Energieversorgung nur zu 0,085 Prozent zum deutschen Primärenergieverbrauch bei. Die Bohrungen hierfür können bis zu 5.000 Meter tief sein und dort Wasserquellen nutzen, die weit über 100 Grad Celsius heiß sind. Damit können die Quellen auch zur Stromerzeugung verwendet werden.
Ein noch weitgehend unerschlossenes Potenzial ist die Abwärmenutzung. Die neue Bundesregierung will insbesondere die Abwärme aus Rechenzentren nutzen und hat dies im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Alle deutschen Rechenzentren zusammen produzieren jedes Jahr 13 Milliarden kWh Abwärme, das entspricht etwa zwei Prozent des gesamten Wärme-Energieverbrauchs aller Haushalte. Im Frankfurter Gallusviertel wird ein Wohnquartier mit über 1.300 Wohneinheiten errichtet. Der größte Teil der Wärme dafür stammt aus der Abwärme eines Rechenzentrums auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Mainova wird als Contractor 15 Jahre lang die Wärme, die zu mindestens 60 Prozent aus der Abwärme des Rechenzentrums gewonnen wird, liefern. Der Rest kommt aus dem Fernwärmeangebot, unter anderem aus einem Müllheizkraftwerk.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai/Juni 2022 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
ESWE: Wärmeplanung für Taunusstein
[14.02.2025] Taunusstein hat ESWE mit der Erstellung einer kommunalen Wärmeplanung beauftragt. Die Wärmeversorgung der hessischen Stadt soll klimafreundlicher, energieeffizienter und bezahlbar gestaltet werden. mehr...
Norderstedt: Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung gestartet
[13.02.2025] Die Stadt Norderstedt und die Stadtwerke Norderstedt gehen von der Planungs- in die Umsetzungsphase der kommunalen Wärmeplanung über. Ein Transformationsplan sieht den Ausbau des bestehenden Fernwärmenetzes sowie alternative dezentrale Lösungen vor. mehr...
GeoCollect: Erdkollektoranlagen für die Wärmeversorgung
[12.02.2025] Im Zuge der kommunalen Wärmeplanung rückt das Unternehmen GeoCollect mit seinen großen Erdkollektoranlagen als Option für eine fossilfreie Wärmeversorgung in den Fokus. Die Technologie ermöglicht eine effiziente und kostengünstige Versorgung von öffentlichen Gebäuden und Wohnquartieren mit Umweltwärme. mehr...
Lübeck: Kommunaler Wärmeplan liegt vor
[06.02.2025] Die Hansestadt Lübeck hat jetzt ihren kommunalen Wärmeplan vorgestellt. Das Fachgutachten zeigt auf, wie die Stadt bis 2040 treibhausgasneutral mit Wärme versorgt werden kann. mehr...
SachsenEnergie: Wärmeplan für Kodersdorf
[30.01.2025] SachsenEnergie hat einen Fahrplan für die kommunalen Wärmeplanung in Kodersdorf in neun Monaten fertiggestellt. mehr...
Weimar: Kommunale Wärmeplanung gestartet
[30.01.2025] Die Stadt Weimar hat mit der Erstellung einer kommunalen Wärmeplanung begonnen. Ein Auftakttreffen mit allen Projektpartnern markierte den offiziellen Startschuss für den Planungsprozess. mehr...
RheinEnergie: Kalte Nahwärme für Rondorf
[29.01.2025] RheinEnergie setzt ein innovatives Wärmekonzept für ein Kölner Quartier um. In Rondorf Nord-West wird in Zukunft kalte Nahwärme genutzt. mehr...
Leverkusen: Stadt startet Wärmeplanung
[28.01.2025] Die Stadt Leverkusen hat den Auftrag zur Erstellung einer kommunalen Wärmeplanung vergeben. Mit Unterstützung von Expertenteams wird nun eine Strategie entwickelt, um erneuerbare Energien und Abwärme stärker in die lokale Wärmeversorgung zu integrieren und CO2-Emissionen zu reduzieren. mehr...
Sachsen: Modellvorhaben für Wärmeplanung
[28.01.2025] Die Städte Pirna und Radeberg haben sich erfolgreich für das Modellvorhaben zur kommunalen Wärmeplanung in Sachsen qualifiziert. Ihre Projekte sollen als Vorreiterlösungen dienen und anderen Kommunen im Freistaat Orientierung bieten. mehr...
BWP: Deutlicher Rückgang im Wärmepumpenmarkt
[23.01.2025] Der Wärmepumpenmarkt hat im Jahr 2024 einen deutlichen Rückgang erlebt, doch das Interesse an Förderprogrammen steigt. Branchenvertreter fordern politische Kontinuität, um die Wärmewende voranzutreiben und die Marktbedingungen für erneuerbare Heizsysteme zu stabilisieren. mehr...
Gotha: Großwärmepumpe für Fernwärmenetz angeliefert
[21.01.2025] In Gotha wurde jetzt eine Großwärmepumpe und damit das Herzstück der neuen Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (iKWK) im Stadtteil Siebleben geliefert. Mit dem Start des Testbetriebs ab Mai sollen künftig rund 400 Wohneinheiten umweltfreundlich versorgt werden. mehr...
Leipzig: Fahrplan für Wärmeversorgung vorgestellt
[20.01.2025] Die Stadt Leipzig hat erstmals Eckpunkte für eine langfristige klimaneutrale Wärmeplanung vorgelegt. Ziel ist es, den Wärmebedarf der Stadt bis 2045 klimaneutral zu decken. mehr...
Flensburg: Großwärmepumpe für CO₂-Neutralität
[16.01.2025] Die Stadtwerke Flensburg haben jetzt ihre erste Großwärmepumpe bei Johnson Controls bestellt. mehr...
Gebäudesektor: Klimaziele werden verfehlt
[10.01.2025] Die Deutsche Energie-Agentur (dena) legt einen neuen Gebäudereport vor. Während im Neubau klimafreundliche Heiztechnologien auf dem Vormarsch sind, dominieren im Bestand weiterhin fossile Energieträger. mehr...
Iqony/RAG: Wärmewende mit Grubenwasser
[09.01.2025] Mit der Abwärme aus Grubenwasser der RAG-Wasserhaltung in Camphausen werden künftig die Städte Quierschied und Sulzbach beheizt. mehr...