[5.2.2014] Die Power-to-Gas-Technologie ist eine Option, um überschüssigen Wind- und Solarstrom zu speichern. Technisch sind jedoch noch viele Fragen zu klären. Das Beispiel des Fernleitungsnetzbetreibers ONTRAS zeigt, wie sich regenerative Energien ins Netz integrieren lassen.
Die Betreiber von Gasfernleitungen sind heute bereits wichtige Partner beim Einspeisen regenerativer Energien. In das über 7.200 Kilometer lange Leitungsnetz des Unternehmens ONTRAS beispielsweise speisen aktuell 15 Biogasanlagen auf Erdgasqualität veredeltes Biogas ein. Zehn weitere Anlagen sind in Bau oder Planung (Stand Dezember 2013). Viele weitere Anlagen sind zudem an die nachgelagerten Netze angeschlossen und speisen dort ihr Bioerdgas ein. Auch dort werden noch neue Anlagen hinzukommen. Insgesamt tragen die Biogasanlagen in den neuen Bundesländern bereits zu rund der Hälfte des in Deutschland jährlich eingespeisten Biogases bei. Eine ähnliche Entwicklung könnte sich auch bei Power to Gas (P2G) abzeichnen.
Bei dieser Technologie wird überschüssiger Regenerativstrom, etwa aus Windkraft- und Solaranlagen, zur Erzeugung von Wasserstoff durch Elektrolyse genutzt. Der Wasserstoff kann direkt ins Gasnetz gespeist oder zuvor mit CO2 zu Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas, veredelt werden. Die Energie lässt sich nach dieser Umwandlung beliebig lange speichern. Bereits seit Juni 2013 speist die Power-to-Gas-Anlage im brandenburgischen Falkenhagen Wasserstoff ins ONTRAS-Netz ein – derzeit die europaweit größte Wasserstoffeinspeisung. Weitere Einspeisungen in dieses Netz werden künftig in Grapzow und Prenzlau realisiert.
Biogas gleich Wasserstoff
Im Energiewirtschaftsgesetz sind Biomethan, Gas aus Biomasse, Deponiegas, Klärgas und Grubengas sowie durch Elektrolyse erzeugter Wasserstoff und daraus mit regenerativem CO2 erzeugtes Methan gleichgestellt. Damit gelten für P2G-Anlagen die gleichen Bedingungen wie für Biogas, beispielsweise vorrangiger Gasnetzzugang, Kostenteilung beim Gasnetzanschluss sowie eine Befreiung vom Einspeiseentgelt. Rechtlich sind die Regeln für die Wasserstoffeinspeisung klar. Auch scheint die Erzeugung von Wasserstoff mittels Elektrolyse aufgrund der verfügbaren Technik ein effizienter Weg zu sein, ungenutzten Überschussstrom zu speichern. Technisch gibt es jedoch viele Fragen, die zu klären sind. Denn im Gegensatz zur Einspeisung von Biogas lässt sich Wasserstoff lediglich in begrenzten Mengen als Zusatzgas einspeisen.
Zudem variiert die Einspeisung von Wasserstoff zeitlich entsprechend dem Angebot von Wind- oder Sonnenenergie und damit dessen Volumenanteil im Erdgas. Moderne Gasanwendungen, die für die Verbrennung von Erdgas optimiert sind, können auf die sich mit schwankendem Wasserstoffgehalt ändernden Gasbeschaffenheiten sensibel reagieren. Der Netzbetreiber überwacht daher den maximalen Grenzwert der Wasserstoffbeimischung und unterbricht bei dessen Erreichen die Einspeisung.
Grenzwerte für die Einspeisung
Für das ONTRAS-Netz sind es die derzeit bestehenden internationalen Normen für Kraftstoffe und Fahrzeugtanks, die den Grenzwert für die Wasserstoffeinspeisung auf zwei Prozent begrenzen. Da im Sommer in vielen Regionen der Gasverbrauch und damit auch der Gasvolumenstrom in den Leitungen gering sind, sind Einspeiseunterbrechungen absehbar. Dies gilt erst recht, falls noch weitere Power-to-Gas-Anlagen mit Wasserstoff hinzukommen, die in den gleichen Trägerstrom einspeisen. Hier besteht die Möglichkeit, dass sich die Einspeisungen gegenseitig beeinflussen, oder sogar eine Einspeisung nicht mehr möglich ist. Im Dialog mit der Bundesnetzagentur (BNetzA) und anderen Partnern sucht ONTRAS intensiv nach Lösungen für die mit der Wasserstoffeinspeisung verbundenen Herausforderungen.
Messtechnisch bedarf es zusätzlicher Aufwendungen, um mit Wasserstoff angereichertes Erdgas geeicht messen und abrechnen zu können. Zur hierfür notwendigen Ermittlung des Brennwerts verwenden die Netzbetreiber bislang geeichte Prozess-Gas-Chromatographen (PGC), die nur bis zu 0,2 Volumenprozent Wasserstoff tolerieren sowie ein Rekonstruktionssystem (Reko-System) ohne Wasserstoff-Komponente. Für die Einspeisung von Wasserstoff sind diese PGC durch auch für Wasserstoff geeichte Geräte auszutauschen und das Reko-System um die Komponente Wasserstoff zu ergänzen. Für die Power-to-Gas-Anlage in Falkenhagen hat ONTRAS bereits erste entsprechende Anpassungen im Netz vorgenommen.
Synthetisches Methan
Im Gegensatz zu den Restriktionen bei Wasserstoff lässt sich regenerativ erzeugtes Methan unbegrenzt ins Gasnetz einspeisen, speichern und analog zu Erdgas überall anwenden. Für die Methanisierung wird eine zusätzliche CO2-Quelle benötigt. Durch Ausnutzen der bei der Methanisierung anfallenden Prozesswärme lässt sich die Energieausbeute deutlich erhöhen und der Wirkungsgradverlust relativiert sich. Als Netzbetreiber ist ONTRAS für beide Wege offen, da sie je nach Entwicklungsstand, Standort und der jeweiligen durch das Gasnetz aufzunehmenden Einspeisemenge die Alternative zur Abschaltung regenerativ erzeugter Elektroenergie darstellen.
Mit entscheidend für Power to Gas ist eine optimierte Standortwahl. Sie sollte aus Netzbetreibersicht sowohl den Anforderungen der Strom- als auch der Gasnetze gerecht werden. Dabei sind die konkreten Anforderungen der betroffenen Anschlussnehmer zu berücksichtigen. Reine Wasserstoffeinspeisungen sollten am Anfang eines Gasleitungssystems liegen, da dort eine hohe, in der Regel ganzjährige Aufnahmefähigkeit gewährleistet ist und somit nur ein geringer Anstieg der Wasserstoffkonzentration im Volumenstrom zu erwarten ist. P2G-Anlagen mit Methanisierung sollten idealerweise an Standorten mit vorhandener CO2-Quelle sowie ausreichendem Wärmebedarf entstehen, damit auch die anfallende Prozesswärme genutzt werden kann.
Sollten künftig vermehrt Wasserstoffeinspeiseanlagen an das Gasnetz angeschlossen werden, ist zu befürchten, dass sich diese Anlagen gegenseitig beim Einspeisen behindern oder schlimmstenfalls einzelne Anlagen überhaupt nicht mehr einspeisen können. Dies ist deshalb auch eines der Themen beim Erstellen des europäischen Netzcodes „Interoperability“ sowie einer europäischen Gasnorm (CEN-Standard).
Perspektiven für P2G
Das Gasnetz in Deutschland transportiert jährlich etwa doppelt so viel Energie wie das Stromnetz. Ein Viertel des jährlichen Gasbedarfs lässt sich langfristig speichern. Damit bietet die Gasinfrastruktur optimale Möglichkeiten für Power to Gas. Nicht verwendbarer Regenerativstrom wird zur Erzeugung von Wasserstoff oder Methan eingesetzt und die Synthesegase ins Gasnetz eingespeist. In Größenordnungen eingesetzt, ließen sich damit die jährlich anfallenden Überschuss-Strom-Mengen aus Windparks und Photovoltaikanlagen größtenteils nutzen. Damit könnten sie einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten.
Arnd Stademann ist seit 2011 als Leiter des Bereichs Asset Management bei der ONTRAS Gastransport GmbH tätig. Der Ingenieur arbeitet seit 20 Jahren in der Energiewirtschaft, unter anderem bei den Stadtwerken in Wiesbaden und Leipzig sowie bei der VNG – Verbundnetz Gas AG.
http://www.ontras.comDieser Beitrag ist in der Januar-Ausgabe von stadt+werk im Titelthema Energieträger Gas erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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Bildquelle: ONTRAS Gastransport