[1.4.2014] IT-Outsourcing macht flexibel und sichert den Zugang zu modernsten Technologien. Das sind aber nicht die einzigen Argumente, die für das Auslagern von IT-Services sprechen. ISG-Experte Ronald Paschen nennt im stadt+werk-Interview einen weiteren wichtigen Aspekt.
Herr Paschen, die Energiewirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Was bedeutet das für die IT?
Von der Steuerung von Kraftwerken mal ganz abgesehen, wandern viele Bereiche aus dem Kerngeschäft der Energieversorger in den IT-Bereich, wie Smart Metering und damit zusammenhängend intelligente Netze. Daneben gibt es Themen, die stark verwoben sind mit der klassischen administrativen IT, wie etwa das Customer Relationship Management. Für die Energieversorger stellt sich jetzt die Frage, welche dieser unterschiedlich weit vom eigentlichen Geschäft entfernten IT-Bereiche als Kernkompetenz definiert und welche IT-Services am Markt beschafft werden sollen.
Sie haben ein Projekt eines großen Energieversorgers begleitet, bei dem es um die Erbringung von Datacenter-, Netzwerk- und Workplace-Services ging. Wo lagen die Herausforderungen?
Es ging bei dem Projekt zunächst darum, herauszufinden, welche Teile der IT-Infrastruktur das Unternehmen weiterhin selbst betreiben möchte. Das alleine ist schon eine große Herausforderung. Die zweite Aufgabe war es, das Sourcing-Modell zu entwickeln. Es musste geklärt werden, ob mehrere oder nur ein Unternehmen beauftragt werden soll und wie die IT künftig gesteuert werden kann.
Worum ging es konkret in dem Outsourcing-Projekt?
Es wurden aus vergaberechtlichen Gründen vier Lose ausgeschrieben: zentrale Services im Rechenzentrum, dezentrale Dienstleistungen für die Arbeitsplatzrechner und Netzwerk- und Collaboration-Services. Das vierte Los betraf die Integration der drei Bereiche. Der Auftrag wurde schließlich an zwei Dienstleister vergeben, einer übernahm die zentralen und dezentralen Dienste sowie die Integrationsleistungen, der andere die Netzwerk- und Collaboration-Services. Innerhalb von vier Monaten wurden die Dienste und alle Assets überführt.
„Es ist günstiger, die Fixkosten in variable Kosten umzuwandeln.“
Welche Erfahrungen wurden gemacht?
Man kann heute schon sagen, dass die mit dem Outsourcing-Projekt verbundenen Ziele auch erreicht wurden. Der Kunde hat zudem Erfahrungen gesammelt, wie die Verträge gesteuert werden können. Mit diesem Wissen kann ein Sourcing-Modell der nächsten Generation entwickelt werden. Denn es ist klar, dass das Thema mit der Auftragsvergabe nicht abgehakt ist. Das Sourcing-Modell muss immer an neue Aufgabenstellungen angepasst werden.
Welche IT-Services eignen sich besonders für das Auslagern?
Ich kann mir schwer vorstellen, dass ein Energieversorger einen Wettbewerbsvorteil hat, nur weil er ein Rechenzentrum selbst betreibt. Deshalb eignen sich insbesondere alle standardisierten Leistungen und alle Applikationen abseits des Kerngeschäfts, wie die Buchhaltungs- oder Personalabrechnungssysteme.
Wo liegen die wesentlichen Vorteile?
Ein klassisches Argument für IT-Auslagerung lautet, dass es günstiger ist, die Fixkosten in variable Kosten umzuwandeln. So kann man flexibler agieren, was den Abruf von Leistungen betrifft. Zudem hat man direkten Zugang zu modernsten Technologien und innovativen IT-Konzepten. Ich glaube aber, dass diese Vorteile für viele Kunden gar nicht mehr ausschlaggebend sind. Ein Blick auf die Altersstruktur der Mitarbeiter zeigt, dass viele Abteilungen in wenigen Jahren nicht mehr genügend Personal haben. Da gerade IT-Spezialisten schwer zu finden sind, lautet die Frage, wie fehlendes Wissen und mangelnde Personalressourcen künftig ausgeglichen werden können.
Auf was ist bei der Vertragsgestaltung mit den Dienstleistern besonders zu achten?
Es gibt einige Faktoren, die man grundsätzlich nicht außer Acht lassen sollte. Etwa die saubere Beschreibung der Art und der Qualität der Leistung, die man einkaufen will. Zudem muss genau geklärt werden, wie die Leistungen abgerechnet werden, denn hier liegen häufig die Ursachen für Konflikte. Bei Energieversorgern ist eine genaue Spezifikation der regulatorischen Anforderungen erforderlich. Die Kunden erwarten außerdem, dass die Dienstleister sie dabei unterstützen, auf Veränderungen zu reagieren. Sie müssen bei beschränkten Budgets innovativ sein und den Kunden helfen, die IT-Prozesse zu optimieren.
Worauf müssen sich aus Ihrer Sicht die IT-Abteilungen der Energieversorger künftig einstellen?
Die IT-Leiter stehen vor einem Paradigmenwechsel. Sie verantworten zwar weiterhin ein großes IT-Budget, müssen aber keinen großen Personalstamm mehr führen, sondern nur noch ein kleineres Team zur Steuerung der IT. Die Skills zur Steuerung aufzubauen, ist die große Herausforderung, die nach Unterzeichnung des Outsourcing-Vertrags zu meistern ist. Die IT-Abteilungen müssen zudem ein Mindestmaß an operativen Fähigkeiten behalten. Sonst können sie nicht glaubhaft machen, dass sie ausgelagerte Dienste auch wieder selbst übernehmen können, wenn das Outsourcing nicht funktioniert. Alles, was aus strategischer Sicht nötig ist, also Steuerungs- und IT-Architektur-Kompetenzen, sollten im Unternehmen verbleiben.
Interview: Alexander Schaeff
Paschen, Ronald
Ronald Paschen ist Partner des Beratungsunternehmens Information Service Group (ISG). Der Wirtschaftsinformatiker berät Kunden in allen Aspekten des Sourcings, von der Erarbeitung von Strategien und der Bewertung bestehender Sourcing-Modelle über Sourcing-Transaktionen bis hin zu deren Implementierung.
Dieses Interview ist in der März-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
Stichwörter:
Informationstechnik,
IT-Outsourcing
Bildquelle: Information Service Group (ISG)