EnergiemarktHerz-OP mit Bypass

Gaskraftwerk Irsching: Konventionelle Erzeugung ist das Sorgenkind der Energiewirtschaft.
(Bildquelle: Peter Maszlen - Fotolia.com)
In Berlin gab Europas größter Stadtwerkverbund Trianel anlässlich der Euroforum-Jahrestagung „Stadtwerke 2014“ (13. bis 15. Mai 2014) erneut ein klares Bekenntnis zu den Kapazitätsmärkten ab. Das gemeinsame Modell des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sei der richtige Weg, einen wirtschaftlichen Ausgleich für die Bereitstellung von gesicherter Leistung durch konventionelle Kraftwerke und Speicher zu schaffen.
Trianel-Chef Sven Becker macht deren Notwendigkeit an dem Umstand fest, dass die erneuerbaren Energien in Deutschland nur zu einem Drittel der Jahreszeit kontinuierlich zur Verfügung stünden. „Die Sonne scheint in Deutschland ebenso unregelmäßig jeden Tag als dass der Wind kontinuierlich bläst. Für zwei Drittel der Jahreszeit benötigen wir deshalb auch weiterhin erhebliche Reservekapazitäten aus der konventionellen Energieerzeugung“, betont der Sprecher der Geschäftsführung bei Trianel.
Marktplatz für Leistungszertifikate
Um die technische und wirtschaftliche Herausforderung der Energiewende zu stemmen, plädiert Trianel deshalb gemeinsam mit den Stadtwerken Bochum für eine am Wettbewerb orientierte technologieoffene Ausgestaltung, und zwar anhand von Leistungszertifikaten, handelbar auf einem Marktplatz. Die Einführung von Kapazitätsmärkten sei notwendig, um auch an windstillen oder sonnenarmen Tagen eine maximale Versorgungssicherheit mit Strom und Gas in Deutschland zu gewährleisten.
„Mit der EEG-Novelle geht die neue Bundesregierung zwar erste Schritte in die richtige Richtung, allerdings müssen noch in diesem Jahr weitere Anstrengungen unternommen werden, um den Energiemarkt insgesamt neu zu ordnen“, ergänzt Bernd Wilmert, Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Bochum Holding und der Energie- und Wasserversorgung Mittleres Ruhrgebiet (ewmr). Trotz schwieriger politischer Rahmenbedingungen sei es den Stadtwerken Bochum gelungen, sich in ihrem Kerngeschäft erfolgreich am Markt zu behaupten. Profitiert habe man auch von der Neuaufstellung des Unternehmens. Die derzeitige Schieflage an den Energiemärkten sei jedoch allein durch den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien nicht aufzufangen. „Das Sorgenkind der Energiewirtschaft ist und bleibt die konventionelle Erzeugung“, so Wilmert weiter.
„Wir werden die Ziele der Energiewende nur erreichen, wenn wir der gesicherten Leistung einen Preis geben und der Emissionshandel so reformiert wird, dass er seiner Lenkungsfunktion für den Klimaschutz wieder gerecht wird“, sekundiert Sven Becker von Trianel. Die derzeitige Entwicklung verkehre die Ziele der Energiewende in ihr Gegenteil, forciert durch das Scheitern des Emissionshandels.
Anreize für gesicherte Leistung
Der Anstieg der CO2-Emissionen zeige, dass auch Klimaschutzziele nicht einfach durch einen Ausbau der Erneuerbaren zu gewährleisten seien. Angesichts der anstehenden Abschaltung der letzten Atomkraftwerke und der fehlenden Anreize diese gesicherte Leistung zu ersetzen, sei nun die Zielerreichung bei der Versorgungssicherheit ebenfalls gefährdet. „Ohne einen Leistungsmarkt, der den Anforderungen an eine nachhaltige Stromversorgung nachkommt, wird die Energiewende scheitern“, sind sich Wilmert und Becker einig.
Der Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke Bochum Holding vergleicht die Herausforderung dabei mit einer Operation am offenen Herzen. Zu diesem müsse erst noch ein Bypass gelegt werden. Mit Blick auf das neue Design der Energiemärkte sei der technologieoffene Wettbewerb auch aus Sicht der Stadtwerke die beste Lösung, einen Infarkt bei der Versorgungssicherheit zu vermeiden, so Bernd Wilmert. Sven Becker ergänzt: „Wir stellen uns ausdrücklich vor das VKU/BDEW-Modell, das dem Aspekt der Versorgungssicherheit einen konkreten Preis gibt“.
Regelung erst 2016
Allerdings rechnen die beiden Vertreter frühestens in zwei Jahren mit einer spruchreifen Gesetzesinitiative zu den Kapazitätsmärkten. Dazu werde es Mitte kommenden Jahres erste Konzepte geben. Vor 2016 sei aber keine definitive Regelung des komplexen Sachverhalts in Sicht, beklagt Sven Becker.
Die schleppende Umsetzung ginge dabei vor allem zu Lasten jener Betriebe, die durch ihre früheren Investitionen in neue Kraftwerkstechnologien bereits Mut zur Neugestaltung der Energiemärkte bewiesen hätten. „Die Stadtwerke können sich bei der dezentralen Energiewende zwar gut behaupten, aber sie müssen nun unternehmerisch agieren und die Herausforderungen aktiv angehen“, fasst Becker zusammen.
Sowohl VKU als auch BDEW plädieren seit längerem für die rasche Einführung eines Kapazitätsmarktes. Laut BDEW soll es dabei zunächst für Neuanlagen eine Pflicht zur Direktvermarktung ihres erzeugten Stroms geben, um daraus einen dezentralen Leistungsmarkt ins Leben zu rufen, in dem so genannte Versorgungssicherheitsnachweise direkt handelbar sein sollen. Dieser sei laut VKU für die umfassende Versorgungssicherheit in Deutschland dringend erforderlich.
Im Fokus stehen dabei insbesondere hocheffiziente, aber betriebswirtschaftlich durch mangelnde Planungssicherheit gefährdete Gaskraftwerke. Laut einer VKU-Umfrage aus dem Januar 2014 fordern 92 Prozent der befragten Stadtwerke von der Bundesregierung noch in diesem Jahr die konsequente Neuordnung des Energiemarktes.
Aus VKU-Sicht greifen bislang vor allem die zeitlichen Aussagen im Koalitionsvertrag zu Kapazitätsmechanismen zu kurz. Durch ihre geringen Grenzkosten seien die erneuerbaren Energien zu einem zentralen Treiber für den niedrigen Börsenstrompreis geworden. Da zudem konventionelle Kraftwerke aufgrund des Einspeisevorrangs der erneuerbaren Energien nur noch auf eine relativ niedrige Zahl an Einsatzstunden kämen, könnten diese keine hinreichenden betriebswirtschaftlichen Deckungsbeiträge mehr erwirtschaften.
Die Schaffung von Kapazitätsmärkten soll nun die konzeptionelle Schieflage insbesondere zur Bewertung der Versorgungssicherheit beseitigen. Denn bis dato vergütet der bestehende Strommarkt ausschließlich die bereitgestellte Energie, nicht aber die gesicherte Leistung, wie es laut dem gemeinsamen Vorschlag von VKU und BDEW dringend geboten wäre.
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