[9.9.2019] Künstliche Intelligenz kann in der Energiewirtschaft dazu beitragen, die mit der Energiewende einhergehenden Umbrüche zu bewältigen, meint André Wilsdorf, Business Consultant bei Arvato Systems, im stadt+werk-Interview.
Herr Wilsdorf, warum ist Künstliche Intelligenz (KI) eigentlich relevant für die Energiewirtschaft und warum gerade jetzt?
Die theoretischen Grundlagen der KI sind bereits ein halbes Jahrhundert alt. Doch erst durch die Entwicklung der technologischen Leistungsfähigkeiten in den vergangenen Jahrzehnten sind die IT-Systeme heute so weit, auch auf Basis der wachsenden Datenmengen Mehrwerte zu schaffen. Diese parallelen Entwicklungen ermöglichen nun erstmals praktikable und reife KI-Anwendungen in Unternehmen und großen Märkten – auch in der Energiewirtschaft. Denn gerade dort kann künstliche Intelligenz effektiv dazu beitragen, die massiven Umbrüche der Energiewende und dem regulatorischen Dauerfeuer zu bewältigen. Der Einsatz von KI macht die Akteure der Energiebranche widerstandsfähiger, flexibler und damit wettbewerbsfähig. Wir glauben, dass momentan tatsächlich die Weichen für eine neue technische Revolution gestellt werden.
Wo steht die Energiebranche beim Thema KI und welche Praxisanwendungen nehmen Sie bereits wahr?
Die Energiebranche ist umringt von Regularien, steigendem Wettbewerbs- sowie Margendruck und muss fortlaufend auf grundlegende Umwälzungen reagieren. Das Interesse an neuen Technologien, welche die Robustheit und Flexibilität im Energiesystem unterstützen, ist groß. Unternehmen wollen wieder in eine agierende Rolle wechseln und stellen auch Investitionen wieder in den Fokus. Schritt für Schritt entstehen in der Branche entsprechende Initiativen. Unternehmen wagen erste Pilotprojekte und Anwendungen, neue Produkte und Services entstehen. Erprobte Anwendungen gibt es beispielsweise schon in der digitalen Kundenkommunikation mit virtuellen Assistenten, im Bereich der vorausschauenden Wartung sowie dem Kraftwerksmanagement. Aber auch bei der Gestaltung von Vertrieb und Marketing ist KI bereits im Einsatz, beispielsweise im Bereich Kundenwert- und Beschwerde-Management.
Was kann KI denn konkret für Stadtwerke, Netzbetreiber und Lieferanten leisten?
Von der Erzeugung zur Verteilung, vom Vertrieb bis zur Abrechnung: Praxisanwendungen sind in fast allen Wertschöpfungsstufen eines Energieunternehmens einsatzfähig. Einige heute bekannte Anwendungsfälle sind für fast jede Marktrolle im Prinzip bereits jetzt vorhanden, gewinnen mit KI-Unterstützung aber noch einmal eine ganz neue Qualität – zum Beispiel bei jeder Art von datenbasierten Prognosen. KI schafft auch ganz neue Handlungsfelder. Denn im Zeitalter von Big Data ist die Auswertung und Verknüpfung von vielen feinsten Datenreihen möglich. Das ermöglicht wesentlich genauere und dynamische Prognosen als früher. Diese führen dann wiederum zu Handlungsempfehlungen, etwa, wie Turbinen optimal gesteuert werden können, wie die Netzauslastung am besten betrieben wird – oder wie sich Kundenbedarf und -verhalten entwickelt.
„Wir raten unseren Kunden: Klein anfangen, aber groß denken.“
In welcher KI-Anwendung sehen Sie persönlich das größte Potenzial und warum?
Einen sehr großen Wirkungsgrad haben die vorausschauende Wartung (Predictive Maintance) und sämtliche weitere Arten von Prognosen – von der Netzauslastung bis zum Energieverbrauch. Unternehmen werden durch den Einsatz künstlicher Intelligenz darüber hinaus in die Lage versetzt, neue Geschäftsmodelle besser zu vermarkten oder auch völlig neue Vertriebskanäle zu etablieren. Ich bin mir sicher, dass KI mehr als ein Hype ist. Sie etabliert sich zunehmend als Motor der Unternehmensentwicklung – weil sie Geschäftsentscheidungen besser und Unternehmen produktiver macht. Deshalb freue ich mich sehr darauf, Unternehmen der Energiewirtschaft bei dieser spannenden Mission zu begleiten.
Was empfehlen Sie Unternehmen, um in das Thema einzusteigen?
Ich bin davon überzeugt, dass alle Unternehmen der Energiewirtschaft bereits heute über geeignete Anwendungsfälle verfügen, die durch KI-Methoden optimiert werden können. Wir raten unseren Kunden: Klein anfangen, aber groß denken. Die Lösung ist das Ziel, Technologie und Definition sind eher zweitrangig. Das Wichtigste ist, erst einmal zu starten und sich auch ein Scheitern zu erlauben. Mit den gesammelten Erfahrungen kann man dann Schritt für Schritt skalierbare Produkte erschaffen. Wichtig für den erfolgreichen Einstieg sind die Datenqualität und die richtigen Methoden. Auch die externe Unterstützung durch einen Dienstleister ist zielführend. Denn ein erfahrener Sparring Partner hilft dabei, den eigenen Status quo zu analysieren und das Potenzial von KI mit den eigenen Ressourcen werthaltig für sein Unternehmen zu nutzen.
Interview: Bettina Schömig
https://www.arvato-systems.de
Stichwörter:
Informationstechnik,
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Bildquelle: Arvato Systems