[7.4.2014] Auf dem Kongress Energieautonome Kommunen in Freiburg ging es drei Tage lang um die wichtigsten Fragen der Energiewende. Fazit des zweiten Veranstaltungstages: Der Ausbau erneuerbarer Energien darf nicht nur Sache der Politik sein.
Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Bündnis 90/Die Grünen) nahm es gleich vorweg: „Ohne Engagement hat die Energiewende keinen Erfolg.“ Trotz der nationalen wie europäischen Energiepolitik spiele gerade die lokale Perspektive beim Ausbau der erneuerbaren Energien eine zentrale Rolle. Die Erkenntnis, dass es ohne den intensiven Einsatz der Kommunen und der Menschen vor Ort nicht geht, zog sich wie ein roter Faden durch den zweiten Veranstaltungstag des 4. Kongresses Energieautonome Kommunen in Freiburg (2. bis 4. April 2014). Vertreter aus Politik und Verbänden sowie Städten und Gemeinden diskutierten in Vorträgen und praxisorientierten Workshops den gegenwärtigen Stand der Energiewende. Untersteller, der den Auftakt des zweiten Kongresstages machte, betonte die Vorbildfunktion der Kommunen für die Bürger und verwies gleichermassen auf die Fortschritte beim Energiegipfel vergangenen Dienstag (1. April 2014). So seien die neuen Regelungen beim Thema Windkraft und Repowering zu begrüßen. Diese sehen einen flexiblen Ausbaupfad für Windenergieanlagen an Land vor (
wir berichteten). Unzufrieden zeigte sich Untersteller hingegen mit der Stichtagsregelung, die viele längst geplante Anlagen bei der Förderung herunterstuft. Dadurch gehe Planungssicherheit verloren, so Untersteller. Für die Kommunen stellte der Umweltminister indes ein neues Förderprogramm in Aussicht. „Klimaschutz mit System“ soll kommunale Klimaschutzprojekte weiter voranbringen und Vorbildfunktionen schaffen. Dafür will das Land Baden-Württemberg zunächst rund 26 Millionen Euro aus EU-Fördermitteln sowie zusätzlich eigene Mittel bereitstellen.
Kultur der Energiewende
Peter Moser vom Kompetenznetzwerk Dezentrale Energietechnologien (deENet) rief im anschließenden Vortrag die Kommunen dazu auf, sich noch stärker für die Energiewende einzusetzen. „Die Energiewende ist mehr als eine Stromwende“, so Moser. Gerade im Wärmemarkt geschehe bislang zu wenig. Zudem müssten die Bürger umdenken. Es gehe nicht allein um die Kosten der Energiewende, sondern um deren Chancen. Daher sei eine Kultur der Energiewende notwendig, mit der sich vor allem junge Menschen für Umwelt- und Klimaschutzprojekte gewinnen ließen. Im Hinblick auf die geplante Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bemängelte Moser das fehlende Gespür der Politik für regionale Belange. So käme beispielsweise der Begriff regionale Wertschöpfung im neuen Gesetzesentwurf nicht vor. Als Beispiel einer verfehlten zentralisierten Energiepolitik nannte Moser den Vorschlag im Gesetzesentwurf, ab dem Jahr 2017 ein verpflichtendes Ausschreibungsmodell für erneuerbare Energien einzuführen. Energiegenossenschaften sowie Kommunen würden dadurch unter Druck geraten, da diese nicht in der Lage seien mit größeren, überregional agierenden Konkurrenten Schritt zu halten.
Das Beste aus der Praxis
Wie Klimaschutzprojekte und Energieeffizienzsteigerungen durch den engagierten Einsatz der Bürger und Kommunen umgesetzt werden können, verdeutlichten mehrere Best-Practice-Beispiele aus dem In-und Ausland. So zeigte beispielsweise Anja Wenninger vom Referat Nachhaltige Stadtentwicklung der Stadt Ludwigsburg, wie durch die intelligente Ausnutzung von Energieeffizienzpotenzialen im Bereich Elektromobilität und energetische Sanierung in Altbaugebieten auch ambitionierte Klimaschutzziele erreicht werden können. Sabine Schaffner aus Reigoldswil in der Schweiz machte deutlich, dass Energieeffizienz keine Frage der Größe ist. So hat die 1.500-Einwohner-Gemeinde beispielsweise ihre Straßenbeleuchtung auf LED umgestellt und das Mobilitätskonzept des öffentlichen Nahverkehrs überdacht. Die Bemühungen wurden mit der Auszeichnung Energiestadt des Schweizer Bundesamtes für Energie (BFE) gewürdigt. Jan Fritz Rettberg von der Technischen Universität Dortmund stellte indes gemeinsam mit Michaela Bonan von der Stadt Dortmund einen Masterplan zur Energiewende für die Ruhrmetropole vor. Er umfasst mehrere Hundert Vorschläge und Einzelmaßnahmen aus Wissenschaft, Wirtschaft und der Öffentlichkeit. Laut Rettberg ist eine vernetzte Betrachtung notwendig. Die Energiewende verursache Kosten und habe Auswirkungen auf die Sozialpolitik. Sie verändere Mobilität und beeinflusse daher die Verkehrspolitik. Zu guter Letzt sei aber auch ein Innovationsmotor mit Wirkungskraft auf den Standort. Daher sei ein koordiniertes Vorgehen erforderlich, so Rettberg. In Dortmund habe man sich zu Einrichtung einer Leitstelle entschieden, in der die Vorgänge zur Umsetzung des Masterplans über die Verwaltungsgrenzen hinweg koordiniert werden sollen.
Wer die Wahl hat...
Die weiteren Programme waren in sieben Kongressforen unterteilt. Sie bildeten laut den Veranstaltern fesa und Agentur Enerchange den Kern des zweiten Tages und fanden teilweise parallel zueinander statt. Zur Wahl stand ein breites Spektrum: vom Datenaustausch zwischen Kommunen und Energieversorgern über die Windenergienutzung und deren Hemmnisse bis hin zu alternativen Strommarktkonzepten. Zudem waren dieses Mal internationale Gäste im Programm vertreten. Dagmar Gormsen berichtete beispielsweise über ihre Erfahrungen bei Bürgerbeteiligungen in Energieaktionsplänen schwedischer Kommunen, während Pierre Schmitt aus Luxemburg über interaktiven Klimaschutz in der Stadtverwaltung referierte.
Auch in diesem Jahr war die Veranstaltung gut besucht und bot Gelegenheit, sich mit anderen Forenteilnehmern auszutauschen. Zu den Ausstellern zählten unter anderem das Deutsche Institut für Urbanistik, die Energieagentur Regio Freiburg sowie das Unternehmen econzept Energieplanung.
Marc Tosenberger
http://www.energieautonome-kommunen.de
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Bildquelle: Enerchange/N.Becker