[3.2.2021] Viele Energieversorger stehen mit einem Bein in der alten Welt des klassischen Versorgungsgeschäfts, mit dem anderen in der neuen Welt digital getriebener Produkte und Services. Dafür benötigen sie eine IT, welche die unterschiedlichen Geschäftsprozesse unterstützt.
Mehr als 40 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland werden heute über erneuerbare Energien abgedeckt – Tendenz steigend. Diese Zahl steht nicht nur für ein gestiegenes Umweltbewusstsein, sondern auch für einen tiefgreifenden Wandel in der Energiebranche. So deckte im Jahr 1990 noch eine überschaubare Anzahl von Großkraftwerken nahezu 85 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs auf Basis von Braun- und Steinkohle sowie Kernenergie ab. Für viele Versorger bedeutet diese Entwicklung den Verlust ihrer marktdominanten Stellung, die sie als vormals kommunale Unternehmen oder Unternehmen mit Beteiligung der öffentlich-rechtlichen Hand innehatten. Der zunehmende Wettbewerbsdruck führte zu sinkenden Preisen. Dadurch sehen sich zahlreiche Energieversorgungsunternehmen gezwungen, über den Tellerrand hinauszublicken und neue Umsatzquellen zu generieren.
Druck zur Umorientierung
Einige weltweite, aber auch regionale Trends erhöhen den Druck, sich umzuorientieren. So sieht sich die Branche infolge der Digitalisierung gestiegenen Kundenerwartungen gegenüber. Gleichzeitig legen rechtliche Anforderungen, wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), hohe Maßstäbe beim Umgang mit Kundendaten an. Hinzu kommen Entwicklungen wie die zunehmende E-Mobilität, neue Mobilitätskonzepte, Smart Home und Smart City. Nicht zuletzt drängen immer mehr branchenfremde Unternehmen in die Energiewirtschaft: Konsumgüterhersteller etwa oder Telekommunikationsdienstleister, die ihre Angebote mit energiebezogenen Dienstleistungen flankieren.
Kerngeschäft automatisieren
Der tiefgreifende Wandel in der Branche führt zunehmend dazu, dass sich bestehende Geschäftsmodelle ändern oder gar obsolet werden. Eine Abkehr vom Kerngeschäft – der Erzeugung von Energie und den unmittelbar damit verbundenen Dienstleistungen wie Ablesung und Abrechnung – kommt für die meisten Unternehmen trotzdem nicht infrage.
Um im Bestandsgeschäft angesichts begrenzter Margen noch profitabel zu sein, setzen viele Energieversorger auf die Standardisierung und Automatisierung von Prozessen. Mithilfe intelligenter Technik wie Machine Learning lassen sich Prozesse wie die Marktkommunikation, die Erstellung von Bezugsabrechnungen oder die Ablesung weitgehend automatisieren und somit deutlich effizienter gestalten. Beispiel Abrechnungsprozess: Bei einer Million Kunden mit zwei Prozent fehlerhafter Abrechnungen entsteht ein enormer manueller Aufwand. Durch Automatisierung können Firmen solche Aufwände minimieren und so die Total Cost of Ownership entscheidend senken. Dadurch werden wiederum Kapazitäten für die Entwicklung von Innovationen frei.
Kundenwünsche frühzeitig erkennen
Unternehmen, die neue Wege gehen und die Chancen der Digitalisierung nutzen, um die aktuellen Marktanforderungen zu erfüllen, haben gute Aussichten zu wachsen und ihren Umsatz zu steigern. Dafür müssen sie allerdings zunehmend in der Lage sein, auf Echtzeiterkenntnisse zu reagieren. Ziel ist es, Kundenwünsche frühzeitig erkennen, um ihnen schnell personalisierte Produkte und Erfahrungen anbieten zu können.
Einige Energieanbieter konfektionieren Verträge bereits bis zur Losgröße 1 hinunter. Das bedeutet, dass direkte Nachbarn in derselben Straße am selben Wohnort unterschiedliche Angebote erhalten können, weil sie etwa verschiedenen Bezugsgebieten zugeordnet sind. Andere Anbieter verknüpfen Stromtarife mit dem Verkauf von Elektronikprodukten und werden so zum Multi-Service-Provider. Für neue Geschäftsmodelle wie diese ist eine ganz andere Flexibilität und Agilität notwendig.
Neue Ideen ausprobieren
Die Unternehmens-IT ist gefordert, über das Funktionieren des Commodity-Geschäfts hinauszudenken. Es gilt, Technologien bereitzustellen, mit denen die Fachabteilungen schnell und flexibel neue Ideen ausprobieren, verwerfen oder realisieren können. SAP gibt mit seinen Lösungen eine Antwort auf diese Herausforderung der dualen Utilities-Welt: Mit der neuen Anwendung SAP Cloud for Utilities können Kunden die Vorzüge einer stabilen, über zwei Jahrzehnte gereiften Lösung für das Bestandsgeschäft mit der Agilität und Flexibilität einer modernen Cloud-Suite kombinieren.
SAP Cloud for Utilities konzentriert sich konsequent auf die Anforderungen der neuen digitalen Utilities-Welt und unterstützt insbesondere die Multi-Service-Kapazitäten der Versorgungsunternehmen. Entsprechend adressiert die Lösung die funktionalen Schwerpunkte einfache und schnelle Definition, Einführung, Vermarktung und Verkauf von Energie- und Nicht-Energieprodukten. Features, die als wesentliche Differenzierungsmerkmale gegenüber Wettbewerbern gelten. Der Launch der ersten ganzheitlichen Version von SAP Cloud for Utilities war für Ende 2020 geplant. Sie wird für die energiebezogenen Prozesse auf bestehende SAP-for-Utilities-Komponenten als Software as a Service aufbauen, die sich modular um zusätzliche Cloud-Services ergänzen lassen, wie zum Beispiel Marktkommunikation, E-Commerce oder subskriptionsbasierte Abrechnungen.
Zwei Varianten
Ende 2021 soll SAP Cloud for Utilities komplett als native End-to-End Cloud-Lösung verfügbar sein. Dann lassen sich auch die Kernprozesse der Energiewirtschaft – von der Abrechnung über das Messdaten-Management bis hin zum Vertragskontokorrent – alternativ zu SAP for Utilities in einer schlanken Public-Cloud-Lösung nutzen. Kunden können zudem weiterhin ihre bestehende On-premises-Lösung einsetzen: SAP wird auch künftig in SAP for Utilities investieren und die Lösung kontinuierlich weiterentwickeln.
Für welche Variante sich ein Kunde entscheidet, hängt von den jeweiligen Prioritäten ab: Welche Geschäftsfelder sind aktuell relevant? In welchem Bereich findet die Hauptgeschäftsaktivität statt? Unternehmen, die mit der On-premises-Lösung arbeiten und sich erste neue Geschäftsfelder erschließen, investieren womöglich zunächst besser in SAP Cloud for Utilities und ziehen das Commodity-Geschäft bei Bedarf nach. Vor jeder Investitionsentscheidung sollte beim Kunden auf jeden Fall eine Bestandsanalyse stehen. SAP hat dafür eigens Services und Modelle entwickelt, so etwa einen einfachen Transformationsleitfaden, der eine erste Orientierung für die strategische Ausrichtung der Unternehmens-IT bietet.
Perspektivisch spielt SAP Cloud for Utilities eine weit umfassendere Rolle als die einer reinen Unternehmenslösung: Die neue Lösung kann laut Anbieter SAP das digitale Rückgrat der Climate Economy sein. Denn nachhaltige Klimaziele lassen sich nur mithilfe neuer Dienstleistungen für einen effizienteren Energieeinsatz erreichen.
Stefan Engelhardt ist Vice President Industry Business Unit Utilities bei SAP.
https://www.sap.com/germanyDieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar/Februar 2021 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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