[13.5.2019] Energieversorger bewegen sich in einem besonderen Marktumfeld, denn sie haben kein echtes Alleinstellungsmerkmal. Um Kunden zu gewinnen und zu halten, gilt es, die Kommunikation emotionaler zu gestalten und positiv zu besetzen.
Ohne die Produkte der Energieversorgungsunternehmen (EVU) ist ein zivilisiertes Leben nicht möglich, allerdings sind die Produkte Strom, Gas und Wasser im Grundsatz identisch. Da es hierzulande aber keinen guten oder schlechten Strom gibt, kann es in diesem Kontext auch keine Alleinstellungsmerkmale geben – selbst wenn Scharen von Marketing-Fachleuten eben dies durch Zuschreibung von Sekundäreigenschaften versuchen. Wie also können sich EVU in ihrer Beziehung zum Endkunden vom Wettbewerb abheben?
Portale sind keine Lösung
Um zu einer Beurteilung zu kommen, kann zunächst ein gängiger Kundengewinnungsprozess betrachtet werden. Eine Bitkom-Studie hat deutlich belegt, dass heute fast jeder Bundesbürger (98 Prozent) im Internet einkauft – neben gängigen Gebrauchs- und Verbrauchsgütern auch immer häufiger komplexe Produkte wie Versicherungen oder Stromtarife. Generell nutzen die Kunden bei der Marktrecherche oft einschlägige Portale und tätigen dort auch gleich ihren Geschäftsabschluss. In der Theorie ist dies für ein anbietendes EVU zunächst ein enormer Effektivitätsgewinn in der Kundenakquisition. Denn fast ohne Aufwand und lediglich gegen Begleichung der Portalteilnahmegebühren werden dem Versorger Personen- und Vertragsdaten der neuen Kunden in elektronischer Form vom Portal zur Dunkelverarbeitung in eigenen Systemen übermittelt.
Neben dem gravierenden Preiskampf, der mittlerweile auf diesen Portalen ausgetragen wird, hat diese eigentlich gewünschte, medienbruchfreie IT-Verarbeitung oftmals fatale Folgen: Je prominenter das Portal ist, desto weniger nimmt der Verbraucher das anbietende EVU selbst wahr. Im schlimmsten Fall kann der Kunde nicht den Energieversorger als tatsächlichen, sondern nur das Portal als vermeintlichen Geschäftspartner benennen. Dieser Trend wird durch automatisierte Wechselangebote wie SwitchUp weiter unterstützt.
Im Laufe der Kundenbeziehung haben Energieversorger bei ihrer Leistungserbringung nur wenig zwangsläufigen Kontakt zu ihren Kunden. Da Strom, Wasser oder Gas jederzeit selbstständig über die öffentliche oder private Infrastruktur zur Verbrauchsstelle des Kunden gelangen, kann ein Versorger hier nicht so einfach wie in anderen Branchen mit zusätzlichen Services im Sinne von Alleinstellungsmerkmalen beim Kunden punkten.
Im Allgemeinen beschränkt sich die EVU-Branche auf lediglich einen jährlichen Muss-Kontakt zum Kunden: die Jahresrechnung. Dort kann es aber aus Kundensicht neben vielen Pflichtangaben gemäß Energiewirtschaftsgesetz nur schlechte Nachrichten geben: die Höhe der Kosten. Viele EVU begreifen die Rechnungsstellung denn auch als lästige Pflicht, derer sie sich am besten auf elektronischem Wege entledigen. Vielfach herrscht dabei die Überzeugung, dass man so am ehesten keine schlafenden Hunde wecken, sprich nicht indirekt zur Kündigung aufrufen würde.
Mehr Emotion gefordert
Aus digitaler Sicht entwickeln sich EVU mittlerweile stetig weiter. Beispiele sind die Kundenakquisition über Vertriebsportale, die Nutzung von Kundenportalen für die Serviceerbringung, die elektronische Rechnungsstellung sowie der Auf- und Ausbau der Fähigkeiten im Bereich Customer Relationship Management (CRM). Aber: Laut Bundesnetzagentur war die Anzahl der EVU-Anbieterwechsler noch nie so hoch. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich die Zahl der Haushalte, die das EVU gewechselt haben (ohne Umzüge) mehr als verfünffacht. So weist die zuletzt veröffentlichte Statistik eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von mehr als 20 Prozent auf. Insgesamt hatten laut Statistischem Bundesamt 2017 schon fast die Hälfte aller deutschen Haushalte seit der Liberalisierung mindestens einmal den Energieversorger gewechselt.
Woher kommt diese steigende Fluktuation? Viele Energieversorger schaffen es offensichtlich nicht, die Kundenbeziehung emotional und vertrauenswürdig zu gestalten. Helfen kann eine saubere Integration digitaler und analoger Kanäle bei voller Ausnutzung der neuen digitalen Möglichkeiten in beiden Bereichen. Studienergebnisse belegen, dass E-Mail-Rechnungen und angehängte Flyer versanden und kaum wahrgenommen werden. Demgegenüber nehmen mehr als 80 Prozent der Befragten Briefe bewusst wahr und fühlen sich persönlich angesprochen. Zudem wirken Geschäftsbriefe glaubwürdiger und erzeugen mehr Vertrauen als die webbasierte Kommunikation per Kundenportal oder E-Mail. Insbesondere Rechnungen möchte jeder Vierte am liebsten ausschließlich auf dem Postweg erhalten.
Haptische Erlebnisse bieten
Auch wenn manche diese Ergebnisse für übertrieben halten mögen, so zeigt sich eindeutig, dass sich Vertrauen und Emotionalität vor allem über haptische Erlebnisse vermitteln lassen. Der heutige Stand der Technik mit digitalem Vollfarbdruck hat nichts mehr mit den Postwurfsendungen der Vergangenheit zu tun. Heute werden für jeden Kunden hochpersonalisierte Dokumente erzeugt, die in Form und Farbe auf jeden Einzelnen abgestimmt sein können. Außerdem scheint auch der Cross-Selling-Erfolg zu steigen, denn physischen Rechnungen beigelegte Werbung wird als weniger störend und grundsätzlich interessanter bewertet. Damit werden die datengetriebene Personalisierung und inhaltliche Relevanz sowie die digitale Flexibilität verbunden mit dem emotionalen Potenzial traditioneller Kommunikation.
Dass es rein digital geführten Kundenbeziehungen an Kundennähe fehlt, belegt auch das Verhalten der einschlägigen Internet-Versandhändler wie Amazon oder Zalando, die jetzt mehr und mehr Brick-and-Mortar-Filialen eröffnen, um ihren Kunden auch haptische Kauferlebnisse zu bieten. Eine echte Erfolgsgeschichte in diesem Bereich schreibt bereits seit Jahren der Schuhanbieter Shoepassion.
Cross-Selling-Potenzial
Für viele Energieversorger bedeuten diese Erkenntnisse eine Chance zur Neugestaltung ihrer Kundenbeziehungen. So ergibt sich aus der lästigen Pflicht Jahresrechnung – so knifflig sie auch ist – die Option, einen persönlichen Dialog zu starten und zu pflegen. Wird dies mit einer konsequenten Untersuchung der Kundenkontaktpunkte sowie der klassischen Customer Journeys verbunden, ergeben sich mannigfaltige Möglichkeiten für diese hochwertige Kundenkommunikation. Richtig integriert können auch sehr erfolgversprechende Cross-Selling-Optionen die Folge sein.
Hierbei kann es hilfreich sein, einen kompetenten und erfahrenen Partner, wie beispielsweise die Management-Beratung Insentis, zu beauftragen, der über alle Kommunikationskanäle hinweg ganzheitliche Lösungen entwickeln kann, die sich am aktuellen Stand der Technik ausrichten, um so die optimale Integration digitaler Effizienz und Flexibilität mit analoger Emotionalität zu erreichen.
Robert Duisberg ist Senior Manager bei der Insentis GmbH sowie Vorsitzender des Bitkom Arbeitskreises „Printing Solution Services“ und Vorsitzender des Lenkungsausschusses IT-Infrastruktur / Markus Rücker ist Senior Manager bei der Insentis GmbH im Bereich Digitalisierung mit Fokus auf Energieversorger und Stadtwerke.
https://www.insentis.com
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