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Finanzierung:
Stabile Basis


[30.4.2019] Wie verkraften kommunale Unternehmen die finanziellen Herausforderungen etwa durch Energiewende oder Digitalisierung? Eine Analyse der Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers zeigt: besser als gedacht.

Laut einer Studie von PwC können Stadtwerke die Finanzierung der Energiewende bewältigen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse kommunaler Konzerne – mit regionalen Energieversorgern als Herzstück – sind in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Insbesondere die Umbrüche im klassischen Energiegeschäft belasteten die Ergebnis- und Liquiditätslage und führten vereinzelt zu Schieflagen oder sogar Insolvenzen. Neben den nötigen Investitionen für die Energiewende musste von den Stadtwerken zusätzlich Geld für die Digitalisierung und zuletzt auch die Verkehrswende aufgebracht werden. So entstand der Eindruck einer handfesten Krise, der die Diskussion bis heute maßgeblich prägt. Doch spiegelt dieser Eindruck die tatsächlichen Verhältnisse wider? In den vergangenen Jahren hat das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) kontinuierlich und regelmäßig die wirtschaftlichen Kennzahlen von Energieversorgungsunternehmen und kommunalen Konzernen analysiert. Die Versorger-Benchmark umfasst mittlerweile einen Beobachtungszeitraum von neun Jahren, für die Geschäftsjahre von 2009 bis 2017. Datengrundlage ist ein zufällig ausgewähltes Panel von 300 mehrheitlich kommunal gehaltenen Unternehmen. Im Fokus der Analyse stehen dabei Finanzkennzahlen, die in der Regel auch für die Bonitätsbeurteilung an den Finanzierungsmärkten herangezogen werden.

Vergleichbarkeit erschwert

Auf eine wichtige Einschränkung der Analyseergebnisse sei dabei vorweg hingewiesen: Die Heterogenität der betrachteten Geschäftsmodelle erschwert die Vergleichbarkeit klassischer Finanzierungskennzahlen. Das Geschäftsmodell der kommunalen Konzerne differiert in der Praxis doch deutlich. Das beginnt im Bereich der Energieversorgung mit dem unterschiedlichen Umfang des Engagements in der konventionellen oder erneuerbaren Stromerzeugung. Die Unterschiede erstrecken sich darüber hinaus über die Organisation versorgungsfremder kommunaler Aufgaben bei den Versorgern oder anderen Konzerngesellschaften bis hin zur signifikant variierenden Reichweite und Belastung einer Leistungspalette, die sich zum Beispiel bezogen auf den Individualverkehr, den öffentlichen Personennahverkehr, den Bäderbetrieb oder weitere kommunalnahe Leistungen sehr unterschiedlich auf die Finanz- und Ertragslage der betroffenen Gesellschaften auswirkt.

Kennzahlenbasierte Analyse

Von den Energieversorgern im engeren Sinne deutlich abzugrenzen sind die Finanzierungsverhältnisse vieler kommunaler Konzerne, in denen eben diese weiteren kommunalen Aufgaben gebündelt sind. Diese Differenzierung kommt in der gesamthaften Berichterstattung über Stadtwerke mitunter zu kurz. Auch trägt die klassische Kennzahlenanalyse den Besonderheiten kommunaler Konzerne nur bedingt Rechnung. Teils entgegen der öffentlichen Wahrnehmung zeigen die Zahlen von PwC in der Gesamtschau insgesamt stabile wirtschaftliche Verhältnisse für Energieversorger, weitreichende Belastungen aus versorgungsfremden Sparten, die sich auf die Finanzlagen kommunaler Konzerne auswirken, und fallweise zusätzliche Finanzierungsspielräume, die erst bei differenzierter Betrachtung sichtbar werden.
Bei den Energieversorgern ist in den Jahren 2013 bis 2015 im Querschnitt eine Verbesserung der Rentabilität zu beobachten, die sich seither in einer gestiegen EBITDA-Marge (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abgaben) von rund 13 Prozent auf knapp 15 Prozent ausdrückt. Innerhalb der Energieversorgung ist auf den Einfluss der konventionellen Erzeugung hinzuweisen. Die Analyse zeigt, dass die Gruppe der hier engagierten Energieversorger eine um etwa drei Prozentpunkte geringere Marge als das Gesamt-Panel aufweist. In dieser Gruppe konnten in den letzten drei Jahren des Beobachtungszeitraums jedoch durchgängig Verbesserungen erzielt werden. Das deutet darauf hin, dass es gelingt, belastende Effekte durch geeignete kompensierende Maßnahmen aufzufangen. Insgesamt ist die Stabilisierung der Ergebnissituation über das gesamte Panel hinweg sicherlich eine ganz wesentliche Erkenntnis. Der Umsatzanstieg lag dabei mit im Durchschnitt 2,4 Prozent zuletzt leicht über der Inflationsrate.

Finanzierung über Eigenmittel

In der Bilanzstruktur setzt sich das Wachstum des Anlagevermögens (+1,3 Prozent) und damit in vergleichbarem Umfang auch der Bilanzsumme fort. Die Branche ist mit einem Anteil des Anlagevermögens am Gesamtvermögen von über 78 Prozent weiterhin sehr anlagenintensiv. Die Finanzierung des Zuwachses erfolgt dabei zuletzt praktisch über Eigenmittel, wie es auch in weiten Teilen der Industrie in den vergangenen Jahren zu beobachten war. Die Eigenmittel sind im Jahr 2017 überproportional um 2,6 Prozent gestiegen, trotz nahezu unverändert hoher Ausschüttungsquoten von im Mittel etwa 90 Prozent. Die bilanzielle Eigenkapitalquote liegt jetzt mit 35,6 Prozent auf dem Niveau des deutschen Mittelstands – ebenso mit 42,8 Prozent die wirtschaftliche Eigenkapitalquote unter Einbeziehung auch von Sonderposten und eigenkapitalähnlichen Finanzierungsmitteln. Die Entwicklungen auf der Zeitachse unterscheiden sich hier aber deutlich: Während der Mittelstand die Quote im Durchschnitt in den vergangenen Jahren deutlich auf dieses Niveau steigern konnte, reduzierte sich dieser Wert bei den Energieversorgern über die beobachteten neun Jahre leicht.
Hinsichtlich des Ausschüttungsverhaltens lohnt ein detaillierter Blick auf die Häufigkeitsverteilung: Mehr als die Hälfte der untersuchten Versorger hat mindestens 90 Prozent des Jahresergebnisses, mehr als 80 Prozent der Versorger mindestens 50 Prozent des Jahresergebnisses ausgeschüttet. Das bedeutet umgekehrt, dass lediglich rund 20 Prozent der Unternehmen unterhalb der durchschnittlichen Ausschüttungsquote der deutschen börsennotierten Unternehmen von rund 42 Prozent liegen. Die Höhe und Bedeutung der Ausschüttung aus dem Versorgergeschäft hängt unter anderem mit der Einbindung der Gesellschaften in den kommunalen Konzernen zusammen: Ergebnisse und erwirtschaftete Liquidität werden zur Subventionierung anderer Konzernaktivitäten verwendet.

Verschuldung unkritisch

Im Hinblick auf die Finanzierungsfähigkeit der Energieversorger ist der dynamische Verschuldungsgrad, das Verhältnis von Nettofinanzverschuldung zum EBITDA, als branchenübergreifend besonders wesentliche Finanzierungskennzahl von hoher Bedeutung. Der Verschuldungsgrad liegt im Median seit dem Jahr 2012 ziemlich konstant bei 2,2, was eine theoretische Entschuldung aus dem Ergebnis nach 2,2 Jahren signalisiert. Der Wert liegt damit deutlich unterhalb der kritischen Grenzwerte, die PwC für Energieversorgungsunternehmen ohne eigene Netze sehr vorsichtig bei 3,5 und für solche mit Netzen bei 4,0 verortet. Für die Teilgruppe der Energieversorger mit klassischer Erzeugung liegt der Median übrigens mit 2,8 oberhalb desjenigen der Gesamtgruppe. Hier spiegeln sich der überproportionale Fremdfinanzierungsanteil und die unterdurchschnittliche Rendite in der klassischen Erzeugung wider.
Auch hier lohnt ein Blick auf die Häufigkeitsverteilung: Rund 16 Prozent der Unternehmen weisen einen dynamischen Verschuldungsgrad von mehr als 4,0 aus, verlassen mithin den theoretisch unbedenklichen Bereich. Bei knapp sechs Prozent beträgt der dynamische Verschuldungsgrad 6,0 oder mehr, was wohl auch in der Praxis mit Einschränkungen hinsichtlich der eigenständigen Fremdfinanzierungsfähigkeit einhergehen dürfte.
Verbleibt ein Blick auf die Liquiditätskraft der Unternehmen im Panel: Zu unterscheiden ist die Liquiditätskraft aus dem einfachen Cashflow aus laufender Geschäftstätigkeit, aus dem nach Ausschüttungen resultierenden Residual-Cashflow, und dem nach Investitionen verbleibenden freien Cashflow. Für Benchmarking-Zwecke werden die Cashflows als Prozentwert zu den Bruttofinanzschulden ausgewiesen.

Stabile operative Cashflows

Die Analyseergebnisse zeigen sehr deutlich, dass die Versorger im Querschnitt sehr stabile und auskömmliche originäre Cashflows erwirtschaften. Die Quote liegt hier im Median bei zuletzt 28,4 Prozent. Aus dem nach Ausschüttungen verbleibenden Residual-Cashflow leitet sich eine Quote von noch 18,4 Prozent ab. Ihr Kehrwert, die Entschuldungsdauer nach Ausschüttungen, liegt entsprechend bei 5,4 Jahren und ist insbesondere vor dem Hintergrund der tendenziell deutlich längeren Finanzierungslaufzeiten im Infrastrukturumfeld als zufriedenstellend zu bewerten. Typisch für die Versorger sind zum Teil mehrjährige Investitionsphasen, in denen das Anlagenwachstum angesichts der Ausschüttungspolitik nicht aus den freien Cashflows finanziert werden kann. Im Panel sind die Jahre 2011 bis 2015 von im Querschnitt deutlich negativen freien Cashflows gekennzeichnet. Damit einher geht in diesen Jahren tendenziell die Ausweitung der Verschuldung. Zuletzt wurden, auch angesichts rückläufiger Investitionsquoten, wieder ausgeglichene oder leicht positive freie Cashflows erwirtschaftet. Zusammen mit den Zuführungen zum Eigenkapital führt dies in Summe insgesamt zu einer besseren Liquiditätskraft und Stabilisierung der Verhältnisse. Kommunale Konzerne weisen tendenziell etwas schlechtere klassische Finanzkennzahlen aus.

Langfristig tragfähige Lösungen gefragt

Das betrifft in erster Linie höhere Verschuldungskennzahlen, aber auch eine relativ niedrigere Eigenkapitalausstattung und Rentabilität. Dies hängt mit den in der Regel schwächeren, zum Teil negativen Ergebnissen in versorgungsfremden Sparten und mit dem notwendigen, oftmals fremdfinanzierten Kapitalbedarf zur Umsetzung kommunaler Projekte in den Konzernen zusammen. Hier sind maßgeschneiderte, langfristig tragfähige Finanzierungslösungen gefragt.
In Zahlen für das Geschäftsjahr 2017 ausgedrückt: Sind die Abweichungen bei der Eigenkapitalquote mit 31,9 Prozent im Konzern versus 35,6 Prozent bei den Energieversorgungsunternehmen sowie bei der Verbindlichkeitenquote mit 48,5 Prozent versus 42,2 Prozent noch recht überschaubar, so steigt der mittlere dynamische Verschuldungsgrad deutlich, nämlich von 2,2 für die Versorgung auf 3,6 für die Konzerne. Der Konzernverschuldungsgrad hat sich gegenüber den Vorjahren 2015 und 2016 (4,1 und 3,9) sichtlich verbessert, zeigt aber weiterhin deutlich auf: Das auf die Leistungsbereiche außerhalb der Energieversorgung entfallende Konzern-EBITDA fällt eindeutig geringer aus, als die damit verbundenen Fremdfinanzierungsvolumina.

Vielfältige finanzielle Beziehungen

Die zusätzliche Verschuldung des Konzerns muss durch relativ niedrigere zusätzliche Ergebnisse getragen werden. Mit ein Grund, warum Finanzierungspartner ihre Finanzierung präferiert auf einzelne Einheiten der Konzerne abstellen, und hier insbesondere auf die Versorgung. Über die klassische Kennzahlenbetrachtung hinaus setzt die erfolgreiche Finanzierung versorgungsfremder Aktivitäten also vielfach eine differenzierte Analyse der vielfältigen finanziellen Beziehungen der Konzerngesellschaften zueinander voraus.
Als Indikator für die fallweise entstehenden Finanzierungsspielräume dient im Panel der Vergleich mittlerer Entschuldungsdauern nach Gewinnverwendung und Verlustausgleich, wie sie in den Residual-Cashflows zum Ausdruck kommen. So lässt sich bezogen auf das Jahr 2016 feststellen, dass die durchschnittliche Konzern-Entschuldungsdauer mit 6,1 Jahren weniger deutlich von der Entschuldungsdauer der Versorger (5,2 Jahre) abweicht, als dies bezogen auf den Verschuldungsgrad (3,6 versus 2,2) der Fall ist. Hinzu kommen die im Unterschied zu anderen Branchen tendenziell sehr langfristig angelegten Tilgungszeiträume im kommunalen Infrastrukturbereich, sodass entsprechend längere Entschuldungsdauern möglich und tragfähig sind.

Erfolgreiche Transformation

Im Ergebnis der Analyse lässt sich festhalten, dass die kommunalen Konzerne ungeachtet der bestehenden Spreizung in der Gesamtschau über eine zuletzt stabilere finanzielle Basis verfügen, um den Herausforderungen im Hinblick auf den Ausbau der kommunalen Infrastruktur zu begegnen sowie die angelaufene Transformation des eigenen Geschäftsmodells erfolgreich zu bewältigen.
Neben der Energiewende werden dabei die digitale Vernetzung, der Wandel des Individualverkehrs, aber vor allem die Optimierung und der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs weiterhin beträchtliche, zum Teil die Leistungsfähigkeit der Konzerne übersteigende Investitionen erfordern. Diesen Herausforderungen wird durch eine Öffnung der kommunalen Unternehmen für Dritte begegnet. Zunehmend werden Kooperationen vereinbart, seien es vertikale oder auch solche mit disruptiven Angreifern. Auch die Einbindung von institutionellen Investoren reduziert die finanziellen Herausforderungen und Risiken.

Bernd Papenstein und Marcel Eilrich

Bernd Papenstein, Marcel Eilrich
Bernd Papenstein verantwortet bei PricewaterhouseCoopers (PwC) den Bereich Corporate Finance & Economic Promotion. Ein Leistungsschwerpunkt ist dabei die Strukturierung und Einwerbung von Finanzierungen für Unternehmen der öffentlichen Hand. Marcel Eilrich ist Projektleiter und Ansprechpartner für Fragen rund um das Finanz-Management kommunaler Unternehmen.

http://www.pwc.de
Dieser Beitrag ist in der März/April-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Finanzierung, PricewaterhouseCoopers,

Bildquelle: Kesinee/Fotolia.com

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