Freitag, 26. April 2024

Gas:
Erneuerbare Energie aus Gaskraftwerken


[26.9.2019] Gaskraftwerke können auch mit erneuerbarem Gas betrieben werden. Ab 2020 versprechen alle Hersteller, Turbinen anzubieten, die mit einem Anteil von 20 Prozent Wasserstoff im Gasnetz arbeiten können – ab 2030 sollen auch 100 Prozent möglich sein.

Die notwendigen Modifikationen und Neuentwicklungen, um Wasserstoff im Gasnetz verarbeiten zu können, werden in zwei Schritten ab den Jahren 2020 und 2030 verfügbar sein. Gasturbinen haben als Technologie für das Energiesystem viele Vorteile: Sie produzieren verlässlich Energie unabhängig von Wetterlagen und Tageszeiten und sind so flexibel betreibbar, dass sie gut auf die schwankende Verfügbarkeit der Wind- und Photovoltaikanlagen reagieren können. Da sie zugleich noch deutlich sauberer als Kohlekraftwerke sind, gibt es in Europa einen breiten Konsens, dass Gaskraftwerke mittelfristig das Mittel der Wahl sind, um die Energiewende unter Beibehalt der Versorgungssicherheit voranzutreiben.
Trotz all dieser Vorteile stehen heute viele Kraftwerksbetreiber vor der Frage, ob sie in den kommenden Jahren in Gaskraftwerke investieren können, ohne fürchten zu müssen, dass diese aus Klimaschutzgründen vorzeitig abgeschaltet werden müssen. Die Nutzung von Erdgas ist mit dem Langfristziel der Klimaneutralität nicht vereinbar, Gaskraftwerke werden deshalb oft nur als Brückentechnologie angesehen. Dabei wird vergessen, dass Gaskraftwerke nur ein brennbares Gas brauchen – es spielt keine Rolle, ob dies Erdgas oder erneuerbares grünes Gas ist. Denkbare klimafreundliche erneuerbare Gase sind zum Beispiel Biomethan, Wasserstoff oder synthetisches Methan – ihre Nutzung in Gaskraftwerken würde es ermöglichen, die oben genannten Vorteile der Technologie klimaneutral weiter zu nutzen.

Nachrüstlösungen für bestehende Kraftwerke

Können Gaskraftwerke mit erneuerbarem Gas betrieben werden? Die im europäischen Verband EUTurbines organisierten Hersteller von Gasturbinen haben sich dazu sehr intensiv Gedanken gemacht und als Ergebnis eine Reihe von Versprechen abgegeben: Die notwendigen Modifikationen und Neuentwicklungen werden in zwei Schritten ab den Jahren 2020 und 2030 verfügbar sein. Schon heute können Turbinen mit Biomethan oder synthetischem Methan und in der Regel einer Beimischung von drei bis fünf Prozent Wasserstoff im Erdgas umgehen. Ab 2020 versprechen alle Hersteller, Turbinen anzubieten, die mit einem Anteil von 20 Prozent Wasserstoff im Gasnetz arbeiten können – ab 2030 sollen auch 100 Prozent möglich sein. Zudem sagen die Hersteller zu, Nachrüstlösungen für bestehende Kraftwerke bereitzustellen.
Insbesondere die Zusage der Industrie, Nachrüstlösungen anzubieten, schafft Planungssicherheit: Die Investition ist zukunftssicher, auch wenn im Moment Erdgas mangels Alternative als Brennstoff genutzt wird. Sobald erneuerbares Gas verfügbar ist, kann das Kraftwerk umgestellt werden. Die meisten Gasturbinen können nachträglich auf andere Gaszusammensetzungen optimiert werden. Bei einem Wasserstoffanteil von bis zu etwa 20 Prozent ist das – abhängig von der jeweiligen Brennkammer – meist ohne größere Modifikationen der Hardware möglich.

Anpassungen an das Gasgemisch

Wenn das Gemisch mehr als 20 Prozent Wasserstoff enthält, muss je nach Modell bei den meisten Herstellern eine Technologie genutzt werden, welche die Temperatur bei der Verbrennung senkt, um so die Stickoxid-Abgaswerte im gesetzlich zulässigen Rahmen zu halten. Meist geschieht dies durch die zusätzliche Einspritzung einer Flüssigkeit, etwa Wasser. Mittlerweile arbeiten alle Hersteller an technischen Lösungen, die auch hohe Wasserstoffanteile bis 100 Prozent ohne die zusätzliche Zugabe von Wasser ermöglichen werden.
Technisch anspruchsvoll bleibt in jedem Fall die Anpassung an kurzfristige Variationen in der Gaszusammensetzung. Dies ist allerdings kein spezielles Wasserstoffproblem. Während das in der Vergangenheit relativ regionale Gasnetz konstant ein in der Zusammensetzung sehr stabiles Gas lieferte, werden allein durch die Koppelung der europäischen Gasnetze, aber auch durch die steigende Einspeisung von Flüssigerdgas und erneuerbaren Gasen die Schwankungen größer. Für Effizienz, Sicherheit und Abgase ist das eine technische Herausforderung. Sie zu bewältigen wird einen Mix aus Maßnahmen benötigen – teils bei den Gasnetzbetreibern, teils durch einen optimierten und zeitigen Informationsfluss und auch durch Vorkehrungen auf Kraftwerksseite.

Dekarbonisierung vorantreiben

All die technischen Anstrengungen der Turbinenhersteller werden aber erfolglos sein, wenn die notwendige Menge an erneuerbarem Gas nicht zur Verfügung steht. Dies sicherzustellen wird eine der großen Aufgaben der Politik in den kommenden Jahren sein. Nach der europäischen Strommarktreform steht die Gasmarktreform an. Diese wird sich nicht darauf beschränken, den Gasmarkt effizienter zu organisieren, sondern sie wird – wie beim Strommarkt – die Dekarbonisierung vorantreiben.
Oft wird die Frage gestellt, ob es wirklich sinnvoll ist, knappe Wasserstoffmengen in der Rückverstromung einzusetzen. Am Ende wird die Verteilung auf Kundengruppen primär durch den Markt entschieden und da sind Gaskraftwerke zurzeit sicher nicht die zahlungskräftigste Kundschaft für Wasserstoff. Mit dem weiteren Ausbau von Wind und Solar werden allerdings auch die Überschuss-Strommengen ansteigen, die für Power to Gas zur Verfügung stehen und damit die Wasserstoffmengen.

Klimaneutrale Gaskraftwerke

Zudem weisen inzwischen selbst Klimaschutzorganisationen wie die European Climate Foundation darauf hin, dass es für die Abdeckung der Energienachfrage in Spitzenzeiten, wie kalten nordeuropäischen Wintern mit hohem Wärmebedarf, oder für die Sicherstellung der Versorgungssicherheit in den berühmten Momenten „wenn der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint“ keine bessere klimaneutrale Lösung gibt als Gasturbinen, die mit Wasserstoff betrieben werden. Diese Kraftwerke werden keine hohen Laufleistungen haben und somit insgesamt keine großen Mengen an erneuerbarem Gas brauchen – aber die für den Einsatzfall vorzuhaltende Kraftwerkskapazität bleibt hoch, und die Verfügbarkeit erneuerbaren Gases für die Einsatzmomente muss gegeben sein.

Ralf Wezel

Wezel , Ralf
Ralf Wezel ist Generalsekretär der beiden europäischen Industrieverbände EUTurbines und EUGINE mit Büros in Brüssel und Frankfurt am Main. Vor der Übernahme dieser Aufgaben im Jahr 2014 leitete Ralf Wezel die Geschäftsstellen verschiedener europäischer Industrieverbände im Bereich Maschinenbau in Brüssel.

https://www.euturbines.eu
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September/Oktober 2019 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Erdgas, Wasserstoff, EUTurbines

Bildquelle: Siemens

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